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Ausgabe:

1992

Spalte:

287-289

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Rummel, Erika

Titel/Untertitel:

Erasmus and his catholic critics 1992

Rezensent:

Augustijn, Cornelis

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4

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als Zusammenfassung der heiligen Schrift werden ausführlich
dargestellt. Dann wird im laufenden Kommentar der altkirchliche
und mittelalterliche Hintergrund mit großer Sachkunde dargelegt
. Parallelen, Beispiele, klärende Äußerungen aus dem
Schrifttum Luthers werden reichlich herangezogen.

Die Auslegung des Apostolicums gibt Anlaß, die Trinitätslehre
und deren Verhältnis zu der elementaren Nebeneinanderstellung
der drei Artikel zu erörtern. Luthers Kommentar zum ersten Artikel
, worin die Schöpfungslehre in Beziehung zum Bekennenden
gestellt wird, erweckt die Frage nach dem Menschen als Zentrum
der Schöpfung. Es ist eine Anthropologie, die - mit Peters Terminologie
- sich als „ein christusgeprägter Theozentrismus" erweist
(91).

Luthers Auslegung des zweiten Artikels wird wie üblich als
Zentrum des ganzen Katechismus betrachtet. Der entscheidende
Satz über Jesus als „unser Herr" wird ausführlich analysiert und
in seiner Verbindung mit der biblischen und patristischen Chri-
stologie beschrieben. Auch die sprachliche Charakterisierung
dieser Stelle, deren Schönheit und Eigenart oft bewundert wurde,
ist wichtig: „Die Schulung durch die lateinische Periode deutet
sich an, und doch sind die Sätze noch locker gebaut und einfach
gegliedert, nicht nur für ein stummes Überfliegen mit den Augen,
sondern zum lauten Sprechen und Beten geschaffen "(100).

Im Kommentar zum dritten Artikel wird u.a. gezeigt, wie der
heilige Geist zugleich als Gnadengabe Gottes an uns und als Herr
über uns dargestellt wird. Ein anderes wichtiges Problem ist, mit
welchem Recht die spätere, sogenannte Ordo-salutis-Lehre sich
auf Luthers bekannte Auslegung stützen kann. Peters zeigt, daß
hierin eine Überinterpretation vorliegt und daß die ursprüngliche
„Gnadenordnung" eigentlich folgende Momente enthält:
Promissio evangelii - Spiritus sanctus - fides - Spiritus sanctus -
nova vita in cordibus - spirituales motus - bona opera, oder einfacher
: Evangelium - Spiritus sanctus - fides.

Albrecht Peters Kommentar zum zweiten Hauptstück des Katechismus
zeigt mit steigender Klarheit, wie er die nüchternen historischen
und systematischen Darlegungen mit einer tiefen
theologischen Besinnung über die Glaubenswahrheiten verbindet
. Der Kommentar eignet sich deshalb am besten für ein meditatives
Lesen und Nachdenken in Einzelheiten; dazu kann er als
ein vorzügliches Nachschlagewerk zu den vielen dogmatischen
und ethischen Fragen gelten, die im Katechismus behandelt werden
.

Lund Bengt Hägglund

Rummel, Erika: Erasmus and his Catholic Critics. I: 1515-1522;
II: 1523-1536. Nieuwkoop: deGraaf 1989. XIV, 263 S. u. X,
220 S. gr.8° - Bibliotheca Humanistica & Reformatorica, 45.
Lw. hfl. 180,-.

Bisher haben Erasmus' Beziehungen zu seinen altgläubigen
Kritikern wenig das Interesse der Forscher auf sich gezogen. In
Biographien werden Schlag auf Schlag nur ganz allgemein die Bestreitung
des Novum Testamentum und die Angriffe der Sorbonne
und der spanischen Mönche erwähnt. Im Vergleich mit
dem Interesse, auf das seine Beziehungen zur Reformation
immer gestoßen sind, ist dies verhältnismäßig, hat doch diese
Polemik ab 1515 einen beträchtlichen Teil von Erasmus' Zeit in
Anspruch genommen. Wichtiger ist noch, daß sie auch in hohem
Maße sein Leben beeinflußt und das Mißtrauen und den Trübsinn
, die ihm von Natur aus eigen waren, genährt hat.

Diese Forschungslücke wird durch die zweibändige Studie, die
Erika Rummel vorgelegt hat, auf modellhafte Weise ausgefüllt.
Die Autorin war dazu angesichts ihrer bisherigen Studien bestens
geeignet und ihre Publikationen der letzten Jahre zeigten schon,

daß sie viel Zeit auf diese Materie verwandte. Die Schwierigkeit
der Aufgabe kann man kaum überschätzen. Moderne Ausgaben
von den vielen Apologien, welche Erasmus wider seine katholischen
Gegner geschrieben hat, gibt es so gut wie nicht. Ebensowenig
gibt es moderne Ausgaben der verschiedenen Editionen der
Annotationes in Novum Testamentum, in denen Erasmus bisweilen
explizit, meistens implizit, den Bestreitern dieser Anmerkungen
geantwortet hat. Die Schriften dieser Bestreiter, die teilweise
nur handschriftlich vorliegen, sind sehr selten und einige
waren sogar noch unbekannt geblieben. Erst nach Überwindung
all dieser praktischen Hindernisse konnte die eigentliche Arbeit,
das Studium der Schriften, anfangen.

Der erste Band behandelt die Jahre 1515 bis 1522, das heißt im
wesentlichen die Zeit der Schwierigkeiten wegen der Ausgabe des
Novum Testamentum. Mit Recht fängt die Autorin 1515 an,
noch vor dem Erscheinen des Buches, als Maarten van Dorp
Erasmus von seinem Editionsvorhaben abriet. Wesentliche Argumente
der späteren Kritik kommen dann schon zur Sprache, besonders
die zwei brisanten Fragen: ist Kritik an der Vulgata und
sind Verbesserungsvorschläge überhaupt erlaubt? Ist es erlaubt-
philologische Prinzipien auf die Heilige Schrift anzuwenden,
oder aber hat sie sozusagen ihre eigene Grammatik? In den nächsten
Jahren kamen nüchterne philologische Probleme betreffs
Lesungen und Interpretationen hinzu. Von Anfang an, aber
immer zunehmend, wurde auch Erasmus' Orthodoxie in Frage
gestellt: Inwiefern kritisierte er durch vorgeschlagene Text Veränderungen
und besonders durch seine Anmerkungen das Lehrgebäude
der Kirche? Ab der zweiten Edition enthielten die Annotationes
ja nicht nur philologisches Material, sondern auch längere
Ausführungen aus Anlaß des Bibeltextes über wichtige Fragen
des kirchlichen Lebens und Dogmas.

Im zweiten Band beschäftigt die Polemik der zwanziger und
dreißiger Jahre die Autorin. Auch dann spielt das Novum Testamentum
eine Rolle, aber viel stärker die Schriften, in denen Erasmus
nach der Meinung seiner Kritiker direkt das kirchliche
Brauchtum, die Sakramente, oder sogar den Gipfelpunkt der
christlichen Lehre, die Christologie und die Trinitätslehre, angriff
. Im letzten Kapitel charakterisiert Erika Rummel Inhalt und
Art der Kritik und skizziert kurz die Art und Weise, wie Erasmus
auf Kritik reagierte. Kurz gesagt: „Recantations and retracta-
tions in response to criticism are extremely rare in Erasmus'
works" (II, 151). Im ersten Band nennt sie ihn empfindlich gegen
Kritik. „ He had moreover a sharp tongue and ready with and did
not suffer fools gladly" (I, 189). Eine schöne und treffsichere
Charakterisierung, in der ich Erasmus wiedererkenne. Nur frage
ich mich, ob es nicht im 16. Jh. der üblichen Kritik, dem Genus
als solchem, eigen war, niemals Fehler anzuerkennen und nicht
immerauf alle Kritikpunkte einzugehen. Offensichtlich war eine
ruhige, ausgeglichene Erwägung vorgebrachter Kritik damals unmöglich
. Entschlossenes Zurückweisen, mit absichtlicher Verleumdung
der moralischen Handelsweise des Opponenten verknüpft
, war normal (siehe übrigens I, 190, wo sich an einem
Beispiel zeigt, daß die Gegenwart in dieser Hinsicht bisweilen die
Vergangenheit überbietet)!

Die Bedeutung der Studie liegt auf zwei Ebenen. Erstens wird,
wie gesagt, eine Forschungslücke ausgefüllt. Das Bild des älteren
Erasmus wird viel schärfer. Die Verbitterung, die das letzte Jahrzehnt
seines Lebens prägte, wird verständlich. Wir wußte"
schon, daß er bessere Gründe dazu hatte, als man bisher angenommen
hat. R. stellt ja dar, daß am Ende der zwanziger
Jahre die so notwendige Unterstützung von Seiten der Autorita-
ten, besonders der Kurie, stark abnahm. Zweitens wird Erasmus
Position inmitten der Bibelhumanisten klarer, spezieil im Kampf
um die Sprachen und um das Neue Testament. Man lese z. B. die
Seiten, wo R. Mosellanus' Oratio de variarum linguarum cog"1'
tione bespricht: diese vermitteln ein ausgezeichnetes Bild von

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