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Ausgabe: | 1992 |
Spalte: | 284-285 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie |
Autor/Hrsg.: | Hamman, Adalbert |
Titel/Untertitel: | Das Gebet in der Alten Kirche 1992 |
Rezensent: | Thümmel, Hans Georg |
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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4
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chäologen, Medizingeschichtlern, Philologen und Theologen zu
einer Tagung im Februar 1987, die sich aus einem seit 1984 laufenden
Forschungsprojekt am Fachbereich Geschichtswissenschaften
der Freien Universität Berlin ergab.
Die einberufene Tagung verfolgte drei Leitthemen. Das erste
fragt nach den Lebensbedingungen von Frauen im Zusammenhang
mit den weiblichen proprio Schwangerschaft und Geburt,
ferner mit Krankheit, Tod, Lebenserwartung. Anhand von Gräberfunden
werden erörtert die Beziehungen von Frau und Mann,
Fragen des Infantizides, Fraueninventare in Gräbern, Amulettbrauchtum
. Das zweite Leitthema skizziert weibliche Lebensnormen
nach Rechtsbefund, sozialer Stellung und Glauben; das
dritte arbeitet Lebensformen im Alltag der verheirateten wie der
klösterlich gebundenen Frau heraus.
Eine bemerkenswerte Einleitung zum gesamten Forschungskomplex
stellt der Vortrag von Heide Wunder über Historische
Frauenforschung - Ein neuer Zugang zur Gesellschaftsgeschichte
dar (31-41). Die hier zu erwartende Innovation sieht sie darin,
daß die formellen und informellen Geschlechterbeziehungen
eine Fülle von gesellschaftlichen Strukturen und Interaktionen
erst verständlich machen bzw. überhaupt erst wahrnehmen lassen
. Dafür seien Forscherinnen gegenwärtig sensibler, ohne daß
diese Sensibilität ausschließlich und notwendig weiblich gebunden
sei.
Was die Lebensbedingungen von Frauen angeht, so bleiben gerade
archäologische Daten, wie sie sich etwa aus Frauengräbern
und Beigaben erheben lassen, noch sehr vereinzelt. Allerdings
zeigt sich bisher in den Gräbern eine starke Trennung von männlicher
und weiblicher Welt und eine nur vorsichtig zu bewertende
Paarbeziehung (Barbara Sasse). Amulettbrauchtum kommt vorwiegend
in Frauen- und Kindergräbern vor und zeigt soziale Stellung
, aber auch individuelle Vorlieben der Bestatteten an (Birgit
Dübner-Manthey). Die „ Ressource Frau ", von ihrer Gebärfähigkeit
her gesehen, wird im Frühmittelalter durchaus als solche verstanden
und geschont; die Frauensterblichkeit infolge von
Geburten scheint nach den Grabbefunden überschätzt; der vieldiskutierte
Mädcheninfantizid im frühen Mittelalter läßt sich
aufgrund der Gräberfunde nicht halten (Gisela Grupe). Gynäkologische
Abhandlungen vom 4. bis 7./8.Jh. zeigen einen beklagenswerten
Abfall vom spätantiken Geburtshilfe-Standard etwa
eines Soran und lassen kaum noch gebildete Hebammen erwarten
(Monica Green, Gerhard Baader über Muscio).
Die Lebensnormen vollziehen in diesem Zeitraum eine Grundlegung
des westeuropäischen Frauenbildes und können daher
auch zur heutigen Normativität in Bezug gesetzt werden. Man
muß davon ausgehen, daß solche Normen in der Regel von Männern
(besonders in Theologie und Kirche, aber auch im Rechtswesen
) ausgebildet wurden, wobei das Spannungsfeld zwischen
abträglichen Leitbildern (Eva) und idealisierenden Leitbildern
(heilige Frauen) oszilliert. Dabei müssen solche Ideale nicht nur
als überfordernd, sondern durchaus auch als kräfteentbindend
und Identität stützend eingeschätzt werden. „Informelle" Normen
etwa im sozialen, besonders im familiären Verhalten sind
mit Sicherheit auch von Frauen mitbestimmt, wenn auch nicht
„namhaft" zu machen.
„Zwischen Eva und Maria" weist die Enwicklung des frühchristlichen
Frauenbildes auf, wobei die virgo im Gegensatz zur
matrona die bereits möglich gewordene Emanzipation der vornehmen
Römerin übernahm, freilich in den Motiven gänzlich
umbildete. Augustinus wie Ambrosius legen den Grund für die
christliche Auffassung der Frau, wobei Augustinus letztlich eine
ganzheitiiche anthropologische Deutung vornimmt: Die Gottebenbildlichkeit
auch der Frau erweist die grundsätzliche Gleichheit
beider Geschlechter (Klaus Thraede). Die Frage, ob und wie
die zeitweilige „Unreinheit" der Frau für den mittelalterlichen
Klerus einen Grund für Aberglauben und rituelle Praktiken,
letztlich für eine Phobie-Distanz zu einem unheimlich Numino-
sen vorstellte, blieb umstritten (Albert Demyttenaere, Sarah Po-
meroy).
Die Affinität von Frauen zur Magie kann am ehesten für Liebes
- und Schadenszauber gezeigt werden, während andere magische
Praktiken auch vom Mann geübt wurden (Heide Dienst) -
ein in seinen vielfältigen Auswirkungen, nicht nur auf die neuzeitliche
Hexenvorstellung, noch weites Forschungsfeld. - Die
Lebenswelt der Frau im Spiegel der Leges barbarorum (Ruth
Schmidt-Wiegand) sowie das Eherecht im germanischen Volksrecht
des 5.-8. Jh.s (Raymund Kottje) zeigen, daß die germanische
Ehepraxis durch den langsamen Einfluß der Kirche zu einer
rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau sowie zu einem
deutlicheren Rechtsschutz für die Frau fand. Diese rechtlichsoziale
Stellung bleibt (nach Gabriele von Olberg) freilich in Abhängigkeit
von dem Sozialgebilde der Familie.
Weibliche Lebensformen schließlich bedeuten hier „ Lebensgestaltung
und Handlungsalternativen" in der Welt und in klösterlicher
Distanz zu ihr. Dazu werden Fallbeispiele vorgestellt: Gallische
Frauen zur Merowingerzeit (Jean Verdon), Frauen bei der
Bekehrung Skandinaviens (Birgit Sawyer), die polnische Prinzessin
Ryksa als Königin von Kastilien und in zweiter Heirat als
Gräfin der Provence (Maria Dembinska), das Nonnenwesen in
Italien im Vergleich zu Frankreich und Deutschland vom 9. bis
11. Jh. (Suzanne F. Wemple) und Nonnen in Norddeutschland
im selben Zeitraum (Michel Parisse).
Ein besonderes Verdienst des Bandes ist der Abdruck auch der
Diskussionen und zusätzlichen Stellungnahmen der Wissenschaftler
untereinander, ferner die Bebilderung am Schluß des
Buches. Alles in allem ein im Detail sorgfältig gearbeiteter Zugang
zu einer terra incognila der Geistes- und Kulturgeschichte,
wenn er freilich auch dem Schicksal solcher bunt gewürfelter Tagungsthemen
nicht ganz entgeht: daß trotz vieler Bäume noch
kein Wald vor Augen erscheint.
Das Register der Personennamen bedarf der Überarbeitung-
Nicht nur fehlen einige Namen (z. B. Antheredus 250, Bertold v.
Bayern 283 A2, die Inkluse Bertrada 181 A38 etc.), sondern es
stören auch eine Reihe von Druckfehlern und die unvollständige
Registrierung der Seitenzahlen. Ferner müßten sich die Bearbeiter
zur Vereinheitlichung der Namen entscheiden und im Register
nicht die englische oder französische Fassung deutscher
Namen (Hedvig statt Hedwig etc.) anbieten.
München Hanna-Barbara Gerl
Hamman, Adalbert Gautier: Das Gebet in der Alten Kirche. Aus
dem Franz. ins Deutsche übertr. von A. Spoerri. Bern-
Frankfurt/M.-New York-Paris: Lang 1989. XLVII, 234 S. 8 '*
Traditio Christiana, 7. Pp. sfr 99,20.
A. Hamman, durch eine Vielzahl von Publikationen als Kenner
der Materie ausgewiesen, legt eine zweisprachige Sammlung
von 144 Texten zum Gebet in der Alten Kirche vor, die bis in das
6. Jahrhundert reicht, ihren Schwerpunkt jedoch früher hat. Die
Auswahl zeigt eine breite Palette. Neben Texten, die über das
Gebet handeln, sind es vor allem Gebete selbst, von Stücken aus
Neuem Testament, Apokryphen, Vätern, Märtyrerakten bis zu liturgischen
Texten, Dichtungen und Inschriften. Vieles führt an
die Grenze orthodoxer Kirchlichkeit, auch manches Gebet auf
Papyrus mag als Amulett magischem Gebrauch gedient haben-
Die Einleitung gibt ein Resümee. Freilich sind hier das Wiederholungsgebet
, das „Gebet ohne Unterlaß" (z. B. bei den Akoime'
ten) und anderes höchstens angedeutet(XLI).
Text und kommentierte Übersetzung sind jeweils gegenübergestellt
. Die Texte wurden aus maßgeblichen Ausgaben übernorn-