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Ausgabe:

1992

Spalte:

281-282

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schwarke, Christian

Titel/Untertitel:

Jesus kam nach Washington 1992

Rezensent:

Langer, Jens

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4

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menhängen" der Neuzeit - S. 8), muß diese Verfahrensweise Dinge unter das Humanuni. In der Demokratie dieses Verständ-

noch keine Kritik herausfordern. nisses werden Freiheit und Gleichheit vermittelt durch Brüder-

Hervorzuheben ist die Mühe, die der Vf. bei der didaktisch lichkeit. So sorgt die demokratische Gesellschaft ganz praktisch

einprägsamen Vorführung der Texte aufgewandt hat. Von eigener für ihre Mitglieder, während aus einem sozusagen aristokrati-

Lektüre soll der Rezipient dadurch nicht entbunden sein. Der Vf. sehen Freiheitsverständnis allein Forderungen erhoben werden,

stellt sich im Gegenteil eine enge Verzahnung bei der Lektüre der Dieser Trend zum Realismus wird insbesondere durch die Er-

Originale und dem Studium seiner Quellenkunde vor. Hoffent- fahrungen des ersten Weltkrieges vorangetrieben. Um 1900 be-

lich erlebt er dabei keine Enttäuschung. Jedenfalls ist ein äußerst schränkten sich die amerikanischen Kirchen weithin auf ein

aktiver Leser erforderlich. Ob Bibelschüler, Pfarrer und Reli- "guessing in the dark". Um gesellschaftlich wirksam werden zu

gionslehrer den an sie gerichteten Erwartungen gerecht werden können, müssen sich Kirche und Theologie reformieren. Ziel der

können? Andererseits ist die Quellenkunde in ihrem Wert für das Demokratie dieses Verständnisses ist nicht der effiziente Staat,

akademische Studium (Studenten) wegen des Fehlens weiterfüh- sondern das sozial orientierte Individuum; denn der historische

render Sekundärliteratur eingeschränkt. Nicht beurteilen kann Zusammenhang führt zur Abgrenzung von dem, was "Teutonic

>ch, ob die Darstellung der Texte nach ihrem wesentlichen Inhalt efficiency" genannt wurde. So ist das Ziel in den zwanziger Jah-

ohne Kenntnis der Originale überhaupt verständlich bzw. ver- ren dieses Jh.s, das Christentum in die Demokratie zu reintegrie-

ständnisfördernd ist. Um nicht im bloßen Quellenreferat stek- ren, während es zur Jahrhundertwende um die Reintegration der

kenzubleiben, hat der Vf. seinen quellenkundlichen Überblicken demokratischen Gesellschaft in das Christentum ging,

kleine Textbeispiele beigegeben. Bei Hutter beschränkt sich das Dieses Buch ist allein schon durch seine Quellenauswertung

Textbeispiel auf sieben Zeilen, bei Schleiermachers Reden „ Über für die Bewertung des protestantischen Beitrages zur Legitima-

die Religion" auf fünfzehn Zeilen. Haben solche Kostproben tion der nordamerikanischen Demokratie außerordentlich auf-

noch einen Sinn? schlußreich. Aber die Untersuchung bietet in ihren Schlußpassa-

Wenn die Quellenkunde abgeschlossen vorliegt, soll der Benut- gen darüberhinaus eine über den ursprünglichen Kontext

zer in die Lage versetzt sein, mit Hilfe des Registers dogmenge- hinausragende Diskussion zum Verhältnis von christlichem

schichtliche und theologiehistorische Querverbindungen zu er- Glauben und Gesellschaft, von Evangelium und Kultur. Konkret

schließen, beispielsweise unter Stichworten wie Gott, Gnade, gefragt: Wer bietet die für den Staat notwendige religiöse Legiti-

Gewissen, Prädestination. mation, da er sich offenbar letztlich nicht in sich selbst begrün-

Der Nutzen der Quellenkunde wird sich erst bei ihrer Benut- den kann? Mit seiner Antwort führt der Autor diese von theo-

Zung zeigen. Der Rez. sieht sich nicht befugt, hier den Erfah- logiegeschichtlichem und systematischem Interesse geleitete

^ngen der Praxis vorzugreifen. Warnen muß er allerdings vor Arbeit direkt in eine für die Kirchen höchst aktuelle Problematik

einigen Fehlern im quellenkundlichen Beiwerk: den chronologi- hinein: „(...) Keine mögliche Legitimation oder Verhältnisbe-

schen Tabellen zur Neuzeit und zu den Autoren. Es stört schon Stimmung kann völlig triftig und allgemein gültig sein, weil sie

sehr, um nur diese beiden Beispiele zu geben, wenn man liest, daß immer Elemente in Anspruch nimmt - und in Anspruch nehmen

derenglische König Karl I. erst im Jahr 1653 hingerichtet worden muß -, die dem jeweils zu Legitimierenden entstammen. Reli-

sein soll (13), und daß Troeltschs Berliner Historikerfreund an- giöse Legitimation des Politischen ist für beide, Religion und Po-

Seblich Meinicke (richtig: Meinecke) geheißen hat. litik, unverzichtbar und doch je für sich allein unmöglich." (148)

Bei der interpretierenden Einrahmung der Textreferate blei- Diese so nüchterne Feststellung schließt gewiß die Möglichkeit

ben viele Wünsche offen, sei es im Blick auf die Charakteristik von Spannungen und Brüchen ein.
der Neuzeit (100, sei es im Blick auf den theologiehistorischen

Ort der vorgestellten Autoren. Das ist schade, weil die Art, in wel- Rostock Jens Langer
eher der Vf. die Quellen bekanntmacht, gar nicht übel ist.

u'pz'8 K',r*Nowak Kirchengeschichte: Alte Kirche

o Affeldt, Werner [Hg.]: Frauen in Spätantike und Frühmittelalter,

ehwarke, Christian: Jesus kam nach Washington. Die Legitima- Lebensbedingungen-Lebensnormen-Lebensformen. Beiträge

l'on der amerikanischen Demokratie aus dem Geist des Pro- zu einer internationalen Tagung am Fachbereich Geschichts-

'estantismus. Gütersloh: Mohn 1991. 230 S. 8Ü. Kart. DM Wissenschaften der Freien Universität Berlin 18. bis 21.Fe-

78>- bruar 1987. Red.: U. Vorwerk. Sigmaringen: Thorbecke 1990.

347 S. m. Abb., 8 Abb. auf Taf. gr.8 . Lw. DM 68,-.

No man can escape the Zeitgeist." Dieses beziehungsreiche
ltat von Shailer Mathews (1863-1941) steht über dem zusam- Frauenforschung ist erst seit der Mitte der 70er Jahre in der
^enfassenden Schluß der Münchener Dissertation von 1990. Bundesrepublik Deutschland zum seriösen Gegenstand verschie-
aß dieser Vorgang der Legitimation nicht einfach einer ober- dener Disziplinen geworden, nachdem "Women's Studies" in
'achlichen Einstellung zur Welt und zum Evangelium, einer den USA schon geraume Zeit an den Universitäten etabliert sind,
unkritischen Anpassung an die Gesellschaft oder naivem Opti- Über das fachspezifische Interesse hinaus hat dort wie hier vor
'flismus entsprungen ist, machen die differenzierenden Untersu- allem die theologische und soziologische Frauenforschung die
ehungen anhand nordamerikanischer theologischer Quellen Aufmerksamkeit auch der Öffentlichkeit erreicht. Eine damit
eutlich. Der vorgestellte Zeitraum umfaßt die Jahre zwischen verbundene geschichtsferne Popularisierung und „Parteilichem
Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und dem zweiten keit" in der Frauenfrage hat ihrerseits nicht immer die Schlageltkrieg
, seite zur Ideologie vermeiden können. Um so begrüßenswerter
^as Demokratieverständnis liberaler Theologen entwickelte sind Studien, die sich um eine historische Sicherung der Vergan-

^1Cn in Auseinandersetzung mit der Aufklärung und in der Ab- genheit jenseits von aktuellen Klischees bemühen. Der vorlie-

ehr von derselben. Ihr mangelt es an einem theologischen Über- gende Sammelband ist durchaus dieser species zuzuordnen und

au- "Law of Christ" gegen "law of forest"! Der Vorwurf lautet, kann als ein profunder Beitrag zu dem wenig aufgehellten Zeit-

a" die „Aristokraten" die Menschen den Dingen unterordnen räum zwischen dem 6. und II.Jh. gewertet werden. Er vereinigt

w°'len, wahre Demokratie aber kämpft für die Unterwerfung der international und interdisziplinär Beiträge von Historikern, Ar-