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Ausgabe: | 1992 |
Spalte: | 280-281 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Schnabel, Wolfgang |
Titel/Untertitel: | Grundwissen zur Theologie- und Kirchengeschichte 1992 |
Rezensent: | Nowak, Kurt |
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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4
280
Kieffer, Rene: Le Monde symbolique de Saint Jean. Paris: Cerf
1989. 119 S. 8°= Lectio Divina, 137. Kart, ffr 88,-.
Die vorliegende Untersuchung gilt der Frage, welche theologischen
Bedeutungsdimensionen die Motive und Bilder des Johannesevangeliums
enthalten. Zwar leisten auch manche Kommentare
und Einzeluntersuchungen solche Arbeit, doch meistens
liefern sie Einzelbeobachtungen statt einer das ganze Evangelium
einbeziehenden Gesamtdarstellung. Diese Lücke versucht der
Vf. zu schließen.
Ein erstes Kapitel (11 fT) nimmt die zeitlichen und örtlichen
Angaben des Jo in den Blick. Ein wichtiges Ergebnis dieses Gedankengangs
ist die Erkenntnis, daß das vierte Evangelium
durchweg interessiert ist an der Konkretheit von zeitlichen und
örtlichen Angaben, obwohl diese zugleich relativiert werden
durch eine „höhere" Perspektive. Die Verbindung von hoher
Geistigkeit und konkreter Materialität wirft ein bedeutungsvolles
Licht auf den theologischen Ansatz des Evangeliums: »Le
temps et l'espace humains sont le lieu meme de la manifestation
du Dieu qui transcende le temps et l'espace« (33). Vielleicht wäre
in diesem Zusammenhang ein ausdrücklicher Hinweis auf den
Inkarnationsgedanken als die grundlegende theologische Orientierung
des Evangeliums angebracht gewesen.
Das zweite Kapitel (35ff) ist dem Zusammenspiel von Bildern,
Metaphern, Raum- und Zeitangaben in den Erzähleinheiten und
Dialogen gewidmet. Dieser Teil ist der ausführlichste und enthält
(wie auch schon der erste) eine Fülle von Beobachtungen und
Hinweisen zu einzelnen Texten, denen diese Rezension nicht gerecht
werden kann. Ein Beispiel muß genügen: In 1,51 wird das
Bild der Jakobsleiter herangezogen, um zum Ausdruck zu bringen
, daß »J^sus, Fils de l'homme, remplace Jakob (warum nicht
die Leiter?) et etablit un lien entre le Pere et le monde des hom-
mes«(41). Auch hier begegnen wir der inkarnatorischen Theologie
: das Bild steht im Dienst dessen, daß Jesus, der über konkrete
Wege wandernde Mensch, in Wahrheit der „offene Himmel" für
die Menschen ist.
Das dritte Kapitel schließlich (97ff) unternimmt den Versuch,
eine eher systematische Betrachtung von »la matiere, la forme et
l'ideologie du language symbolique de notre eVangile« zu liefern
(8; zu beachten ist, daß der Ausdruck Ideologie hier völlig wertfrei
gebraucht wird, ein etwas ungewöhnlicher Sprachgebrauch,
jedenfalls in der deutschsprachigen Theologie: »Nous utilisons
ici le mot >ideologie< en un sens purement descriptif, pour dösi-
gner une conception du monde cohörente, avec des choix et des
jugements de valeur pröcis«, (113). Der Verfasser erweitert die
sprachlogisch bekannte Unterscheidung zwischen significans
(z.B. das Wort „Licht") und significatum (z.B. die gemeinte
Sache Licht) um den Aspekt des significandum (also das, was mit
der gemeinten Sache symbolisch angezeigt wird, in unserem Beispiel
etwa das göttliche Licht, das menschliche Lebendigkeit erschafft
; 97). Der Vf. betont, daß es oft alltägliche Realitäten
sind, welche zum Ausgangspunkt für metaphorische Bedeutung
werden (vgl. 98). Auch darin ist nach der Meinung des Rez. der
inkarnatorische Ansatz wiederzuerkennen. Wichtig ist in diesem
Zusammenhang auch der Hinweis auf die Sinnenfälligkeit (98f)-
Der Vf. scheint das symbolische System im Kontext einer Insider
-Sprache zu interpretieren (vgl. 103: »un language pour
inities, pour ceux qui font partie d'une meme communaute de
foi«, sogar mit Hinweis auf die These von Meeks). Man fragt sich
freilich, ob einer solchen Interpretation nicht gerade mit den Beobachtungen
des Vf.s zu widersprechen wäre. Die symbolische
Bedeutung hat ihren Anhalt im (allgemein zugänglichen!) Vordergrund
, genauso wie der Menschensohn sein Leben unter den
Augen der Weltöffentlichkeit führt. Dies sorgt für die Zugänglichkeit
der symbolischen Welt. Wie kann man dann noch von Eingeweihten
-Sprache sprechen? Interessant ist ferner eine Überlegung
zur produktiven Bedeutung des Abstands, den ein moderner
Leser zur vergangenen Symbolwelt hat (ebd). Überhaupt
zeichnen sich die sprachphilosophischen Aussagen durch große
Vorsicht und Besonnenheit aus.
Wichtig ist schließlich der Hinweis auf die Unterscheidung
von vor- und nachöstlicher Perspektive. Die Leser müssen sich
an die vorösterlichen Ereignisse so erinnern, daß sie diese im
Licht des nachösterlichen Geistes verstehen, den Jesus versprochen
hat. »Les övenements, les images et les paroles sont comme
des signes qui menent ä la foi si le lecteur a la faculte de les Interpreter
correctement.« (107). Hier erscheint etwas von der
pragmatischen Dimension der johanneischen Symbolsprache.
Man könnte fragen, woher die Leser diese Möglichkeit haben. Ist
sie ihnen nicht wiederum durch den symbolischen Stoff zugespielt
? Ist diese Möglichkeit nicht eine Frucht jener Arbeit, die
die Bilder im Jo leisten? Solche Fragen mögen zeigen, wie anregend
die Arbeit ist, die in diesem Buch begonnen wurde. Sie ist
unbedingt fortzusetzen.
Zürich Hans Weder
Kirchengeschichte: Allgemeines
Schnabel, Wolfgang: Grundwissen zur Theologie- und Kirchengeschichte
. Eine Quellenkunde. 4: Die Neuzeit. Gütersloh:
Mohn 1990. 195 S. 4 . Kart. DM 45,-.
Die Schwierigkeiten der christlichen Kirchen, mit ihren historischen
und theologisch-dogmatischen Traditionsbeständen sachgerecht
umzugehen und sie im Leben der Christen präsent zu halten
, sind enorm. Insofern sind alle Bemühungen, die diesem
Zweck dienen, begrüßenswert. Wolfgang Schnabel hat sich in seiner
auf fünf Bände konzipierten Quellenkunde (Alte Kirche -
Mittelalter - Reformation - Neuzeit - Moderne) das Ziel gesetzt,
„Studenten wie Pfarrern, Bibelschülern wie Religionslehrern
eine Hilfestellung (zu) geben, über beinahe zwei Jahrtausende
christlicher Literaturgeschichte einen ersten Überblick und verschiedene
tiefere Einblicke zu gewinnen " (8). Der Werbetext verheißt
: „50 theologische Werke, die bis heute bedeutsam geblieben
sind, mit ca. 30000 Seiten werden auf ca. 500 Seiten
prägnant und präzise wiedergegeben". Neben dem hier zu besprechenden
Band 4 liegen bereits Band 1 (Alte Kirche), Band 3
(Reformation) und Band 5 (Moderne) vor.
Entgegen dem Titel, der nicht nurtheologie-, sondern auch kirchenhistorisch
relevante Quellen erwarten läßt, hat sich der
Vf. im Neuzeit-Band auf theologiegeschichtliche Quellen beschränkt
. Eine Ausnahme von dieser Regel stellt lediglich J. H-
Wicherns „Die innere Mission - eine Denkschrift" (1849) dar.
Vorgestellt werden außer dem Text Wicherns folgende Schriften:
1. Hutter: Compendium locorum theologicorum (1610). 2. Spe-
ner: Pia desideria (ein Text, der sowohl der Theologie- wie der
Kirchengeschichte zugeordnet werden kann). 3. Reimarus: Apologie
oder Schutzschrift (1722-1767). 4. Lessing: Die Erziehung
des Menschengeschlechts (1777/80). 5. Schleiermacher: Über die
Religion (1799). 6. Schleiermacher: Der christliche Glaube
(1821/22). 7. Ritsehl: Unterricht in der christlichen Religion
(1873). 8. Kähler: Der sogenannte historische Jesus (1892). 9-
Harnack: Das Wesen des Christentums (1900). 10. Troeltsch: Die
Absolutheit des Christentums (1902).
Man sieht: die Auswahl ist in protestantischem und germano-
zentrischem Geiste geschehen. Catholica non leguntur, desgleichen
nichtdeutsche Schriften. Ist man sich dieser Grenzen deutlich
bewußt (der Vf. begründet sie in einem Nebensatz nicht sehr
überzeugend mit den „nationalen und konfessionellen Zusam-
A