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1992

Kategorie:

Altes Testament

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271

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4

272

- A' (V. 8-9 Handlung). Die Literarkritik läßt aufgrund interner
Kohärenzstörungen und redaktioneller Querbezüge vier Schichtungen
der Erzählung erkennen. Die Grundschicht, der schon die
oben erwähnte Erzählstruktur zueigen ist, bilden die V. la. 3aa +
4aßv5. 5. 6. 7. 8b. Eine erste Textbearbeitung, von Uehlinger als
„Babel-,relecture"' bezeichnet, hat die Grunderzählung mit den
V. lb ... 3aßy... b. 4aa ... 9a zur „Babel-Erzählung" umgestaltet
. Mit der Aufnahme dieser Erzählung in die „ vor-,priester-
schriftliche' Urgeschichte" wurde auf einer dritten Bearbeitungsstufe
der V. 2 als Bindeglied zur Völkertafel (Gen. 10)
eingetragen. In diesem Zusammenhang scheint auch Gen 3,
22.(24) in Anlehnung an 11,6 formuliert worden zu sein. „Eine
vierte und letzte Stufe materiellen Textwachstums stellen die ...
V. 4b ... 8a ... 9b dar. Sie ergänzen die Babel-Erzählung um das
Thema und Motiv der «Zerstreuung» und knüpfen damit an
Gen 9, 19, dem Abschluß der vor-,priesterschriftlichen' Flutgeschichte
, an" (S. 331).

Den Schwerpunkt der Untersuchung bilden Kap. 8 („Themen
und Stichworte: semantische Klärung", S. 344-405) und Kap. 9
(„«Eine Sprache» und «eine Rede»", S. 406-513). Anhand der
semantischen und motivkritischen Untersuchungen läßt sich zeigen
, daß die eindeutigsten Parallelen zu den Hauptmotiven der
Grundschicht von Gen 11, 1-9 in den assyrischen Königsinschriften
zu finden sind. Im Kontext assyrischer „Herrschaftsrhetorik
und -ideologie" ist die Verbindung des Motivs der
„einen Rede/Sprache" mit dem Bau- und Namensmotiv vor
allem in den Inschriften SargonsII. belegt. Angesichts dessen,
daß diese Inschriften zumeist auch noch auf den Bau von Sargons
neuer Hauptstadt Dur-Sarrukin bezug nehmen, besteht für Uehlinger
keine Zweifel, „daß die Grundschicht Gen 11, 1-9* als
eine ,politisch-theologische' Reflexion angesichts des Scheiterns
von Dur-Sarrukin zu verstehen ist" (S. 513).

Wie schon eingangs betont, handelt es sich hierbei um eine
Hypothese. Aber Uehlinger hat sie mittels ausführlicher Textanalysen
gut begründet und die Erzählung von Gen 11, 1-9 in
ihrer eigenen Überlieferung und im Kontext der Urgeschichte
durchaus einleuchtend gedeutet (Kap. 10: „Eine neue Deutung
von Gen 11, 1-9", S. 514-548). Die „,politisch-theologische'
Reflexionserzählung", die Uehlinger im Unterschied zum „reflektierten
Mythos" als „konstruierten Mythos" mit „politischzeitgeschichtlichem
Bezug" bestimmt, ist seiner Überzeugung
nach dann in exilischer Zeit im Rahmen einer „ satirischen relec-
ture" von Assur auf Babylon übertragen worden (Ein vergleichbarer
Überformungsprozeß läßt sich auch bei Jesl4 feststellen
[S. 537-546]). Vermutlich haben die gewaltigen Baumaßnahmen
NebukadnezzarsII. dafür den entsprechenden Anlaß geboten.
Erst mit der Aufnahme in die „ vor-,priesterschriftliche' Urgeschichte
" hat sich für Gen 11, 1-9 eine grundlegende Akzentverschiebung
insofern vollzogen, als aus „einer zeitgenössisch konkreten
, zeitgeschichtlich kritischen Reflexionserzählung" eine
„Episode der Frühgeschichte" wurde (S. 571). Das Motiv der
Zerstreuung und damit verbunden die Vielfalt der Sprachen und
Völker, wie sie in den „Glossen" (V. 4b ... 8a ... 9b) und im Zusammenhang
mit Gen 10 zur Sprache kommen, deutet Uehlinger
dann auf dem Hintergrund der „achämenidischen Weltreichsidee
" (S. 578ff).

Diese Arbeit stellt für die Auslegung von Gen 11, 1-9 wie auch
für die Interpretation der „Urgeschichte" zweifellos einen Fortschritt
dar. Nicht wenige latente Probleme, die diese Erzählung
der Exegese schon immer aufgegeben hat, werden hier möglicherweise
einer Lösung näher geführt. Das gilt in jedem Fall für ihre
Sonderstellung innerhalb der urgeschichtlichen Erzählungen,
durch die das gemeinorientalisch-mythische Schema von Schöpfung
und Sintflut aufgebrochen wird. Auch die immer wieder beobachteten
- zumeist überlieferungs- und traditionsgeschichtlich
erklärten - literarkritischen Spannungen der Erzählung erweisen

sich nach Uehlinger als Stufen eines genauer beschreibbaren redaktionellen
Interpretationsvorganges. Damit werden Einsichten
in die Redaktionsgeschichte von Gen 1-11 gewonnen, die in
Weiterführung der neueren Genesis- und Pentateuchforschung
den Weg zu einem Konsens hinsichtlich dieses Problemkreises in
der alttestamentlichen Wissenschaft bahnen könnten.

Halle/Saale Ernst-Joachim Waschkc

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Der Straßburger Historiker und Exeget, dem wir schon eine
Reihe bedeutsamer Publikationen zur Apokalyptik und zum
Frühchristentum verdanken, legt hier ein breit angelegtes, in souveräner
Meisterschaft ausgearbeitetes Werk über das spannungsvolle
Thema ,Das Judentum und das Bild' vor. Die herkömmliche
Vorstellung des bilderfeindlichen Judentums wird i°
detaillierten Untersuchungen, getragen vom Charme der französischen
Sprache, grundsätzlich demontiert. Ausdrücklich bekennt
sich der Vf. in seiner »demarche hermöneutique« zur
Grenzwanderung zwischen Literaturgeschichte und Archäologie
.

Der untersuchte Zeitraum umgreift die ersten 6 JahrhundcrW
unserer Zeitrechnung und damit die Blütezeit der nur noch in relativ
wenigen Überbleibseln bezeugten jüdischen bildenden
Kunst (v.a. Fresken, Mosaike).

Das erste Kapitel stellt die Andeutungen des Alten Testaments
und die bilderfeindlichen Tendenzen um die Zeitenwende dar
(Josephus!); Kunst ist hier noch weitgehend ornamental (vgl. die
Münzenmotive). Bedeutungsvoll wird am Schluß auf die Wende,
welche die Tempelzerstörung mit sich bringt, hingewiesen (13).