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Ausgabe:

1992

Spalte:

269-272

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Uehlinger, Christoph

Titel/Untertitel:

Weltreich und "eine Rede" 1992

Rezensent:

Waschke, Ernst-Joachim

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4

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Es bleibt ein zwiespältiges Fazit. Zum im Titel der Arbeit ange- sie gut begründet, und seine sorgfältigen Untersuchungen - dies

zeigten Hauptanliegen, dem Verständnis des Priestertums bei sei vorweggenommen - haben jedenfalls den Rez. weithin über-

Maleachi, ist Beachtenswertes beigetragen worden; beim vertre- zeugt.

tenen Gesamtverständnis des Maleachibuches bleiben erhebli- In dem ersten Teil seiner Arbeit („Grundzüge einer Interpre-
che Fragezeichen. Dabei sei nicht bestritten, daß die Arbeit auch tationsgeschichte von Genll, 1-9", S. 9-290) geht Uehlinger
an dieser Stelle anregend ist. von der sicher unbestreitbaren Einsicht aus, daß der „Symbolcharakter
des Babelturms" nicht nur literarische und künstlcri-
Naumburg/Saalc Arndt Meinhold sehe Adaptionen der Erzählung von Gen 11, 1-9 tief geprägt, son-
--- dem daß auch die alttestamentliche Exegese diesem Turm als

1 7 r n r, ka r, m m i u tk rv u mmc » übermächtiger Mitte" der Erzählung ihren Tribut gezollt hat. Er
z.. b. b. Glazicr-McDonald, Malachi: The Divine Mcsscngcr (SBLDS . . . ,, , , „ ™ .

98), Atlanta 1987: Southwestem Journal ofTheology 30, 1987 (Heft l);P. unternimmt deshalb den Versuch, „den (hebräischen) Text von

a. Verhoef. The Books of Haggai and Malachi (NIC). Grand Rapids 1987: se,nen Interpretationen zu untersche.den". Es geht ihm zunächst

L Berquist, The Social Settingof Malachi: BTB 19,1989,121-126; H. darum, „jenes aus Archäologie und Theologie zusammenge-

Utzschncider. Künder oder Schreiber? Eine These zum Problem der Stückte Konglomerat exegetischer communis opinio zu verste-

-Schriftprophetie" auf Grund von Maleachi 1,6-2.9 (Beitr. zur Erfor- hen, wonach Gen 11, 1-9 eine vom Bau einer Ziqqurrat han-

schung des A.T. und des Antiken Judentums 19), Frankfurt/M. u.a. 1989; delnde Erzählung Über die menschliche Hybris sein soll" (S. 30-

E- Bosshard - R. G. Kratz, Maleachi im Zwölfprophetenbuch: Biblische Diese Grundüberzeugung, die sich bis in die jüngsten Kommen-

Not,zcn 52. 1990, 27-46: T. Lescow, Dialogische Strukturen in den Streit- tierungen der Erzählung finden läßt, legt Genll, 1-9 einseitig

uT tl8"^ Ma'c,achi:,.ZAW 102' l99a 194-2'2; *?2 ^alefacJhi/ auf den Turmbau fest. Uehlinger zeigt demgegenüber auf, daß

Maleachibuch: TRE 22/Licfg. 1,6-11; ders., Zustand und Zukunft des . . r . , . % ,f ■ . ■ .

Goti^v^u, ».., ... r- .. Ii o . •■ ti. d e,ne derartige Festlegung kaum dem Text selbst gerecht wird,

^ottesvolkes im Maleachibuch: Gottesvolk. Beitrage zu einem Thema Bi- . .

Wischer Theologie (FS S. Wagner), o.O. 1991, 175-192; O. H. Steck, Der sondern das Ergebnis seiner Rezept.ons- und Interpretat.onsge-

Abschluß der Prophetie im A.T. Ein Versuch zur Frage der Vorgeschichte schichte darstellt. „Nicht immer", betont er einleitend, „war

d« Kanons (Biblisch-Theologische Studien 17), Neukirchen-Vluyn 1991. Gen 11, 1-9 so sehr Opfer einer einseitigen und geradezu mono-

2 A. Renker, Die Tora bei Maleachi. Ein Beitrag zur Bedeutungsge- lithischen Interpretation wie heute" (S. 4). Aber schon an den
schichte von töra im Alten Testament (FThSt 112), Freiburg u.a. 1979. Targumparaphrasen zu dieser Erzählung wie auch an entspre-

Z B.G.J. Botterwcck. (Auslegung von Mal 1.2-10:2,1-16; 3,13-21): chenden Äußerungen der Rabbinen läßt sich zeigen, daß der
'Le 1, i960 28-38.IOO-I09.179-185.253-260; C. Locher. Altes und Schwerpunkt der Auslegung früh auf dem Motiv der „einen Sprays
zu Maleachi 2,10-16: FS D. Barthelemy (OBO 38), Fribourg- h - un(j f dem Turmbau , WQmit dje s zwjschen
Böttingen 1981,241-271; S. Talmon, The Emergencc of Jewish Sectana- , .... . , . f ,. . V . w

"i^m in the Earlv Second Temple Period: FS F M. Gross. Philadelphia finemc fried'ichen; harmonischen Urzustand der Menschheit

1987, 587-616; A. S. van der Woudc, Der Engel des Bundes. Bemerkungen <e,ne Sprache) und dem frevlenschen Angriff des Menschen auf

ZuMalcach, 3,1c und seinem Kontext: FS H.W.Wolff, Neukirchen-Vluyn Gott selbst (Turmbau) in die Erzählung eingetragen wurde

'981.289-300. (Kap. 3: „Die Faszination eines offenen Textes: frühjüdische

und rabbinische Interpolation zur Babel-Episode", S. 35-180).
Ebenso erweist sich die Identifikation des Turms mit einer konkreten
Ruine in Babylon (etwa der Ziqqurrat von Borsif) nicht

Ii..,. erst als Ergebnis archäologischer Forschung, sondern scheint

em.nger, Christoph: Weltreich und „eine Rede''. Eine neue schon auf rabbinische Lokaltraditionen zurückzugehen (Kap.4:

Deutung der sogenannten Turmbauerzahlung (Gen 11,1-9). ,. . ... . , . T

Frpik„™/c u ii . -. i /-••.. / a „Die topographische Fixierung: Lokalisierung des .Turms von

^reiburg/Schweiz: Universitatsverlag; Gottingen: Vanden- „K " , 6 . . ,.

hoeck & Ruprecht 1990. XVI, 629 S. gr.8 = Orbis Biblicus et Babcl ' S- 181"200). Dem folgend überprüft Uehlinger dann die

Orientalis, 101 Pp SFrl55,-. These von dem babylonischen Turm als Ziqqurrat (Kap. 5: „Die

archäologische Sackgasse: der ,Turm von Babel' als Ziqqurrat

Ein Buch von 584 Seiten über neun hebräische Verse zu schrei- [Etemenanki], S. 201-253), und er kommt zu dem Schluß, „daß

ben (die restlichen 42 Seiten beinhalten Abkürzungs- und Litera- die Ziqqurrathypothese. wenn sie auch nicht als unmöglich wi-

turverzeichnis sowie ausführliche Register), ist schon ein ganz derlegt und prinzipiell ausgeschlossen werden kann, jedenfalls

"■Monumentales" Werk. Den Umfang verdankt diese Arbeit al- nicht mehr, wie bisher üblich, fraglos vorausgesetzt werden darf"

^■"dings nur indirekt der Symbolträchtigkeit „des Turms von (S. 253). Ein Grund hierfür ist u.a., daß die bautechnische Notiz

a"el", ihr Umfang ist vielmehr in der Aufgabe begründet, die von Gen 11.3 nur schwer in Übereinstimmung mit dem archäo-

Slc-h der Vf. selbst stellt. logischen Befund über die ältesten Ziqqurrat in Babylon zu brin-

Uehlinger entwickelt in dieser Arbeit, deren erster Teil der gen ist (S. 245f)- Mit seiner ausführlichen, bis in die Details und

Geologischen Fakultät der Universität Freiburg/Schweiz 1989 die Argumentation beachtlichen Interpretationsgeschichte des

a's Dissertation vorgelegen hat. eine neue These über die Entste- „Turmbaus zu Babel" macht sich Uehlinger den Weg frei für eine

üng der Erzählung Gen II, 1-9; und aufgrund seiner dabei ge- tatsächliche Neuinterpretation von Gen 11, 1-9.

w°nnenen überlieferungs- und redaktionsgeschichtlichen Ein- Den Ausgangspunkt für den zweiten Teil der Arbeit ( „Eine

Renten gibt er der Erzählung eine völlig neue Deutung. Seine neue [.politisch-theologische'] Deutung von Gen 11, l-9vordem

nese lautet: „DieGrundschicht von Gen 11, 1-9* kann alseine Hintergrund altorientalischer Weltherrschaftsrhetorik", S. 291-

Vermutlich in der frühen Sargonidenzeit angesichts des Schei- 584) bilden zunächst strukturanalytische und literarkritische

rns des weltherrschaftlichen Bauprojekts von Dur-Sarrukin Untersuchungen (Kap.7: „Kompositions- und literarkritische

entstandene .politisch-theologische' Reflexionserzählung be- Bemerkungen", S. 293-343). Zu Recht wehrt Uehlinger sich

^l"Timt werden ... Ihr Thema ist die Verhinderung eines weit- dagegen, Strukturanalyse und Literarkritik als zwei alternative

rrschaftlichen Bauprojekts durch JHWH, womit (concretum und sich gegenseitig ausschließende Methoden für eine Textun-

0 abstracto) ein israelitisch-judäischer Verfasser gleichzeitig tersuchung zu betrachten. Er selbst gibt ein Beispiel, wie sich

fljr seine Zeitgenossen unmissverständliche Kritik an Welt- beide Methoden an Gen 11, 1-9 bestens ergänzen können. Von

rrschaftsansprüchen überhaupt anmeldet" (S. 5). Gewiß han- der Strukturanalyse her erweist sich V. 5 als Achse bzw. als

es sich hier um eine Hypothese, die gerade im Bereich urge- „Scharniervers" der Erzählung. Darauf bezogen zeigt die Erzäh

■chtlicher Erzählungen und Mythen Verwunderung erwecken lung eine Struktur in dem Schema: A (V. 1-2 Handlung) - B (V.
nd auf mancherlei Vorbehalt stoßen könnte. Uehlinger aber hat 3-4 direkte Rede) - X (V. 5 Handlung)-B' (V. 6-7 direkte Rede)