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Ausgabe:

1992

Spalte:

263-264

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Théorie et pratique de l'exégèse 1992

Rezensent:

Kieffer, René

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263

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4

264

würde heute gewiß mehr als zwei Seiten erhalten. Einige Stichworte
sucht man vergebens, so u. a. Bekenntnis, Bild, Erfahrung,
Ethik und Fest. Doch sind diese und andere Begriffe in den meisten
Fällen wohl aus grundsätzlichen Erwägungen (s. die Einleitung
) nicht aufgenommen worden.

Bleibt dem anspruchsvollen Vorhaben ein guter und rascher
Fortgang zu wünschen und den in leuchtendes Rot gefaßten Bänden
dieses Handbuchs eine zahlreiche Benutzerschar.

Berlin Karl-Wolfgang Tröger

Bibelwissenschaft

Backus, Irena, et Francis Higman: Theorie et pratique de
I'exegese. Actes du troisieme colloque international sur l'hi-
stoire de I'exegese biblique au XVIe siecle (Geneve, 31 aoüt - 2
septembre 1988). Geneve: Droz 1990. 449 S. 8 = Etudes de
Philologie et d'Histoire, 43.

Die Wirkungsgeschichte der Bibel ist reich an Überraschungen
und kann sehr verschieden studiert werden. Man kann für jedes
Fragment oder auch für eine ganze Schrift die Auslegungsgeschichte
in ihren eigenartigen Verzweigungen von Anfang an bis
heute verfolgen. Man kann aber auch, wie in dem vorliegenden
Buch, eine besondere Periode in dem vielfältigen Ringen mit der
Schrift auswählen, um dort, wie in einem Kaleidoskop, die „ewigen
" Fragen der Theorie und der Praxis aller biblischen Auslegung
wiederzufinden. Eine Übergangszeit wie das 16. Jh., wo
Altes und Neues im Widerstreit stehen, ist in dieser Hinsicht besonders
ergiebig.

Schon 1976 hatte Pierre Fraenkel ein erstes Colloquium über
die biblische Exegese im 16. Jh. organisiert. Damals behandelten
die meisten Teilnehmer nur eine Persönlichkeit des 16.Jh.s; in
der vorliegenden Schrift, die die Beiträge zum dritten Colloquium
in Genf vom 31. August bis 2. September 1988 zusammenstellt
, gibt es mannigfaltige Konfrontationen zwischen verschiedenen
Kommentatoren über dieselbe Schriftstelle. Man sieht
konkret, wie überholte Modelle der Auslegung neueren Einsichten
Platz machen, ohne jedoch ganz zu verschwinden. Humanistische
Ideale von Geschichtlichkeit können sich noch nicht ganz
von mittelalterlichem Autoritätsdenken lösen.

Drei Vorträge in Plenarsitzungen, ein Resümee über jedes der
fünf Seminare, neunzehn Beiträge über die Exegese des Alten
und des Neuen Testaments sowie über Probleme der exegetischen
Methode und biblischen Übersetzungen werden sorgfältig
wiedergegeben. Ich möchte hier impressionistisch einige Grundzüge
beleuchten.

K. Hagen zeigt in seinem heuristischen Vortrag über den Begriff
„Commentarius", wie verschieden das Wort im 16. Jh. angewandt
wurde, mit besonderen Anknüpfungen an die mittelalterliche
Auffassung von sacra pagina, sacra doctrina, sacra littera. G.
Bedouelle gibt eine nuancierte Darstellung der katholischen
Reaktion gegenüber den Übersetzungen der Bibel in verschiedene
Volkssprachen wieder. Esprit Rotier z. B. konnte gegen
Übersetzungen einwenden, daß die simplices und imperiti zur
Auffassung kommen könnten, die Schrift wäre ihnen direkt verständlich
. Damit würden sie den Buchstaben, aber nicht den
Geist der Schrift kennen lernen. Alle Häresien in der Vergangenheit
bauten auf Fehldeutungen der Schrift auf. Nach ihm ist eine
traductio gefährlich, hingegen eine sincera interpretatio nützlich.
Andere, wie F. Furio, konnten hingegen den Nutzen der Übersetzungen
für die Predigt verstehen. Warum nicht das Prinzip des
Gamaliel in Apg5,39 anwenden: Wenn die Übertragungen dem

Willen Gottes entsprechen - was Furio selbst glaubt - so werden
sie sich durchsetzen.

Schön zeigt P. Lardet, wie Calvin und Bodin mit der Frage ringen
, warum Moses der glaubhafteste Historiker des Altertums
sei. Wir sind hier noch weit entfernt von aller mythologischen Interpretation
der Genesis. Die Exegese hat sich noch nicht von
theologischen Fesseln befreit.

Die Seminare, die bestimmte Texte behandelten, bekräftigten
meist, was man erwarten konnte. Hingegen war es spannend zu
erfahren, wie Chemnitz und Mercator mit humanistischem Eifer
Evangelienharmonien erarbeiteten. Chemnitz' grundlegendes
Prinzip war das augustinische, daß kein Evangelist die wahre
Chronologie bewahrt habe. Darum muß der Historiker diese rekonstruieren
. Mercator war noch freier von jeder apologetischen
Haltung, als er eine pure Chronologie anstrebte, die auch das von
den Evangelisten unterschlagene Jahr mitrechnete.

In den kleineren Vorträgen über Altes und Neues Testament
möchte ich M. Soulies über die Interpretationen des Tetragram-
mes, sowie M. Schreechs über die Diffusion der Ideen Erasmus'
auf katholischem Gebiet und E. Kochs Analyse der Funktion lutherischer
Postillenliteratur hervorheben. Bei den Beiträgen über
exegetische Methoden und Übersetzungen fand ich D. BartheJe-
mys über die „Bible de Vatable" und G. Manis über die sixtini-
sche Edition der Septuaginta besonders ergiebig. Vieles kann
man auch in den anderen Vorträgen über Auslegungen von Genesis
, Pentateuch, Magnificat, Vaterunser oder Johannesevangelium
lernen, sowohl bei Luther, Calvin, Melanchthon, Erasmus.
Bucer als auch bei einem Unbekannteren namens Alesius.

Natürlich kann eine so vielstimmige Sammlung den Leser
überfordern: Alles wird nur oberflächlich berührt; eine Synthese
ist kaum möglich. Jedoch ist der Einblick in eine Zeit, wo man
mit neuen Kräften und Einsichten um die Auslegung und die
Übersetzung der Bibel kämpfte, auch für moderne Exegeten aufschlußreich
. Manche Debatte haben wir hinter uns, jedoch vieles
ist auch für uns noch ein sehr gleichartiges Problem.

Lund Rene Kicffer

Görg, Manfred, u. Bernhard Lang [Hg.]: Neues Bibel-Lexikon.
Lfg. 5: Fleisch-Gymnasion. Zürich: Beniger 1991. IV, Sp. 681-
965. 4 . DM 38,-. (u. Einbanddecke Bd. 1. Lw. DM 8,-.)

Diese fünfte Lieferung schließt den ersten Band des Neuen Bibel
-Lexikons ab. Erneut bestätigt sich der positive Gesamteindruck
, der schon in den bisherigen Rezensionen hervorgehoben
worden war (vgl. ThLZ 114, 1989, 873f und ThLZ 116, 199L
652-654). Außerdem kann auch mit Blick auf diese Lieferung
eine Rezension nur sehr ausschnitthaft das vorgelegte Material
besprechen. Dies ist diesmal um so schwieriger, weil - bedingt
durch die alphabetische Ordnung - eine Fülle sachlich gewichtiger
Themen behandelt wird. Zuerst sollen Einzelfragen angesprochen
werden. Sodann will ich wieder die Gelegenheit nutzen,
größere Zusammenhänge zwischen einzelnen Artikeln zu benennen
.

Der Artikel „Fürbitte" (712f, J. Scharbert) argumentiert zwar
historisch, läßt aber die theologiegeschichtliche Zuordnung einzelner
Textbelege offen. So muß Gen 18,22b-33 als sehr junger
Text bestimmt werden, der auf der Basis der Frage von Ez 18 dialogisch
eine Auseinandersetzung um die Gerechtigkeit Gottes
führt. Ob er eine Fürbitte darstellen will, darf in Frage gestellt
werden (vgl. L. Schmidt, „De Deo", BZAW 143, 1976, 149)-
Diese Überlegungen betreffen auch den Artikel „Gebet I" (739-
742, E. Gerstcnbcrger), in dem erst für die Zeit nach dem Exil die
Gebetsgattung „Fürbitte" besonders benannt wird (741).

Zum Artikel „Geburt" (748-751, W. Berg) hätte ich mir ge-