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Ausgabe:

1992

Spalte:

261-263

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe 1992

Rezensent:

Tröger, Karl-Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4

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Cancik, Hubert, Gladigow, Burkhard, u. Matthias Laubscher die Religionswissenschaftler daran, in der heutigen multikultu-

[Hg.]: Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, rellen und multireligiösen Situation in Europa über der akademi-

Unter Mitarb. von G. Kehrer u. H. G. Kippenberg hg. I: Syste- schen Tätigkeit das soziale Umfeld nicht zu vergessen, vielmehr

malischer Te.l; Alphabetischer Teil: Aberglaube-Antisemitis- in der pluralistischen Gesellschaft „gesellschaftspolitische Mün-

S A^!Ä^ di8keit und Relevanz" zu beweisen (214).

K-ohlhammer 1988/90. 504 S. u. 500 S. gr.8 . geb. je DM ° . , . ... .... ... , . ,. „ „

9g _ Es folgt ein Kapitel „ Wissenschaftsgeschichte . Die „Geschichte
der RW" (Karl-Heinz Kohl) ist ein instruktiver Artikel,
der aber leider nur die europäischen Länder und die USA im

Die ersten beiden Bände dieses großangelegten Handbuches, Blick hat. Den „nichtchristlichen außereuropäischen Ländern"
das der Grund- und Neuorientierung auf dem Gebiet der Reli- sind lediglich 26 Zeilen gewidmet. Unverständlich ist, wieso „die
gionswissenschaft dient, liegen derzeit vor. Im Vorwort schreiben Entwicklung der RW in den einzelnen Ländern" nur bis „ca.
die Hgg., daß das Werk bereits vor fünfzehn Jahren begonnen 1960" dargestellt wird. Es fehlen dadurch 30 Jahre bedeutender
wurde, zu einer Zeit also, als religiöse Fragen und Bezüge nicht Forschungsgeschichte - nicht nur in Deutschland (wozu denn
gerade das Interesse der breiten Öffentlichkeit bewegten. Wie an- auch die DDR mit ihrer anerkannten Orientalistik, Gnosis- und
ders heute! Daher hat sich inzwischen auch die Funktion des Nag-Hammadi-Forschung usw. gehörte!). Besonders besprochen
Werkes „etwas gewandelt: Sie besteht nicht nur darin, die kriti- wird die «Ecole des Annales» (Hubert Mohr), „eine Richtung der
sehen Potentiale von Religion aus der Sicht der Kulturwissen- französischen Sozialgeschichtsschreibung des 20. Jhs." (263), ge-
schaft darzustellen, sondern soll auch ein Gegengewicht zum in- folgt von „Prosographie/(Ethnologie, RW, Geschichte)". Die 50
flationären, sich selbst immunisierenden Gebrauch religiösen Mini-Bio- und Bibliographien stellen eine willkommene Infor-
Vokabulars bilden, soll ein vertieftes historisches und systemati- mationsquelle dar, sind aber von recht unterschiedlichem Um-
sches Bewußtsein bilden" (9). Der Gesamtentwurf des Hand- fang (über Richard Reitzenstein 7 Zeilen, Mircea Eliade 14 Zeitliches
ist bewußt in einen kulturhistorischen Bezugsrahmen ein- len, V. W. Turner und A. M. Warburg je 2 Seiten und Fernand
gebettet, um zu verhindern, daß „die Analyse in plattem Braudel sogar 3 Seiten). Zudem vermißt man viele Namen, so
Reduktionismus mündet, die Historisierung in ein bilderstürme- u. a. T. Andrae, A. Dieterich, H. Haas, I. E. Lehmann, M. P. Nils-
nsches .Zertrümmern' von Begriffen oder gar von Glaubensaus- son, E. Norden, D. T. Suzuki, U. v. Wilamowitz-Moellendorf,
sagen" führt (S. 9). von „jüngeren" Religionswissenschaftlern ganz zu schweigen.

Im ersten Teil der Einleitung „ Feststellung und Festsetzung re- Das Kapitel „ Philosophische Ansätze und Methoden" enthält

l'gionswissenschaftlicher Grundbegriffe" betont H. Cancik, daß drei Beiträge von Hartmut Zinser zur Religionsphilosophie, Reil-

das HrwG (so die Abkürzung des Werkes) „kein Lehrbuch der gionsphänomenologie und Religionskritik und einen Abschnitt

Religionswissenschaft und keine religionsgeschichtliche Enzy- „Religionsphilosophische Autoren von der Aufklärung bis zur Ge-

k'opädie", auch kein Lexikon von Göttern, Mythen und Riten genwart" von / Edgar Bauer, dem sich die Prosographie II (Phi-

sein soll, sondern „Beiträge" zu diesen Gebieten beisteuern will. losophie) anschließt. Die 92 „Kurzdarstellungen" sind mit einer

Zugleich wird „der Rahmen für ein künftiges Lehrbuch" abge- Ausnahme (L. Feuerbach von H. Cancik) von / E. Bauer nach

steckt: „Methodologie auf der Grundlage von Kulturwissen- eingangs(319) vorgestellten Auswahlkriterien verfaßt und in sich

Schaft und Wissenschaftsgeschichte". Der zweite Einleitungsteil sehr ausgewogen.

Gladigow) „Gegenstände und wissenschaftlicher Kontext von Im „Systematischen Teil" vermißt man die Religionsge-

^eligionswissenschaft" (im folgenden RW) geht zunächst auf schichte. Die dafür im Vorwort (9) gegebene Begründung, daß

"Theologische und religiöse Optionen auf .Religion' und ,RW" jedes der „vorgestellten Teilgebiete - wie die Einzelbegriffe - sel-

e"i und erläutert dann den programmatischen Entwurf des gan- ber eine historische Dimension hat", schließt eine Vorstellung

zen Werkes: „RW im Rahmen von Kulturwissenschaft" - also der religionsgcschichtlichen Disziplin doch nicht aus! Hervorzu-

d'e Betrachtung und Behandlung von Religion als Teil der Kultur heben sind noch die zum Teil umfangreichen Literaturlisten zu

Und nicht isoliert. den Grundsatzartikeln.

Der „Systematische Teil "bildet den Hauptumfang von Band 1 Der „Alphabetische Teil" des Handbuches beginnt auf den
'43-383) und setzt mit den für die Konzeption des Handbuches restlichen Seiten von Band 1 mit 22 Begriffen (Aberglaube - Ankündigenden
Ausführungen von DarioSabbatucci über „ Kultur tisemitismus) und wird in Band 2 mit 85 Begriffen (Apokalyptik
Religion " ein. (Zur Systematik des Verhältnisses Kultur - - Geschichte) fortgeführt. Die Artikel gliedern sich in „Dacharti-
"e'igion; Historischer Überblick zur Konstruktion des Verhält- kel" über Grundbegriffe der RW, „Spezialartikel fürgeschichtli-
j>'sses Kultur - Religion; Auflösung des Religionsbegriffs im che und religionsgeschichtliche Begriffe" und „Kurzartikel"
j^lturbegriff!). Es folgen Grundsatzbeiträge zur Religionssozio- (vgl. 19) sowie Verweisungen.

°&e (Günter Kehrer), Religionspsychologie (Hartmut Zinser) und Einzelne Artikel hier besonders zu erwähnen bedeutet keine

*el'8<onsgeographie (Karl Hoheisel). Überraschend schließt sich Wertung, sondern nur den Hinweis darauf, daß diese wichtigen

e,n umfänglicher Abschnitt „Religionsästhetik" von Hubert Can- Stichworte enthalten sind und ihre Beiträge allein durch ihren

Ur>dHubert Mohran. „Der Ausdruck,Religionsästhetik' wird größeren Umfang herausragen. In Band 1 gilt das für Aggression

eingeführt, um das, was an Religionen sinnlich wahrnehmbar ist, (13), Angst (18), Anthropologie (15) und Antisemitismus (10); in

Religion den Körper und die verschiedenen Sinnesorgane Band 2 für Apokalyptik/Messianismus/Chiliasmus (17), Apolo-

es Menschen aktiviert, leitet und restringiert, möglichst einheit- getik/Polemik (9), Askese (22), Astrologie (9), Beruf/Berufung

Cn zu beschreiben und theoretisch zu durchdringen" (121). Den (8), Buchreligion (23), mit Konzentration auf Christentum und

e'den Autoren gebührt Dank dafür, den „sinnlichen" Aspekten Bibel; der Islam erscheint nur als Anhang von knapp einer Seite

v°n Religion die gebührende, weil oft vernachlässigte Aufmerk- (!), Bünde (10) Deismus (8), Diffusion/Diffusionismus (8), Ein-

Samkeit in der RW zu schenken. Die Frage ist nur, ob sie damit Stellung (11), Emotion (18), Erinnerung/Gedächtnis (24), Erwäh-

^g'eich ein neues Gebiet der RW kreieren wollen. Zwei weitere lung (11), Eucharistie (9), Eudämonismus (10), Evolution (13),

schnitte behandeln die Religionsethnologie (Gerhard Schlat- Evolutionismus (8), Familie (10), Form- und Gattungsgeschichte

e^ und die Didaktik der RW (Sigurd Körber). Im letzten Beitrag (16), Gebet (13) und Geschichte (10). Kürzere Artikel sind u.a.

^l es u.a. um die Lernziele und Lerninhalte religionswissen- den Begriffen Arbeit (6), Atheismus (6), Aufklärung (nur 2 Sei-

^laftlichcr Fachdidaktik und um das Problemfeld „Religions- ten!), Enkulturation/Inkulturation (6), Fanatismus (6), Faschis-

nde-und Ethikunterricht". Nachdrücklich gemahnt der Autor mus (2), Fatalismus (2) und Geld (5) gewidmet. Die Esoterik