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Ausgabe:

1992

Spalte:

218-220

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Zulehner, Paul M.

Titel/Untertitel:

Pastoraltheologie 1992

Rezensent:

Josuttis, Manfred

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 3

218

gaben-Möglichkeiten-Grenzen, II Strukturen-Konzepte, III Modelle
-Projekte, IV Medien in der Gemeinde und V Ausbildung
gegliedert sind. Dazu kommen im Anhang eine Dokumentation,
Adressen und Literaturangaben.

So verschwommen wie die Überschriften der fünf Kapitel, so
unklar ist leider auch die Konzeption des Buches bzw. des Begriffs
von Öffentlichkeitsarbeit. Jedenfalls handelt es sich nicht
um ein Lernbuch, aus dem ein Neuling erkennen könnte, was der
Sinn und die Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit sind und wie man
das macht, sondern bestenfalls um eine Dokumentation der kontroversen
Diskussion dazu. Der Herausgeber ist der Abteilungsleiter
der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit im Gemeinschaftswerk
der Evangelischen Publizistik in Frankfurt, einer Einrichtung im
Bereich der EKD. Und er wäre seinen Lesern eigentlich schuldig
klarzumachen, was denn die Voraussetzung der Arbeit in seiner
Abteilung sein soll. Aber vielleicht ist man doch noch nicht so
weit.

Der gründliche Leser jedenfalls steht vor einem Nebeneinander
von mindestens fünf verschiedenen Definitionen von Öffentlichkeitsarbeit
. Da wäre zuerst der Text von Hanspeter Neu-
mann, einem Journalisten aus Köln, zu nennen, der unter der
Überschrift „Von der Werbung zur Öffentlichkeitsarbeit" so
etwas wie eine Geschichte dieses Faches zu schreiben versucht,
der aber formuliert, „daß Öffentlichkeitsarbeit der Kirche unter
'Publizistische Wirksamkeit' zu subsumieren" sei (28) oder „daß
kirchliche Werbung auch evangelische Publizistik war" (33).
Wenn also Öffentlichkeitsarbeit als Publizistik zu verstehen ist,
wird man nicht mehr unterscheiden können zwischen dem, was
ln einer Redaktion geschieht, und dem, was ein Amt für Öffent-
'•chkeitsarbeit tut.

Ganz anderer Meinung ist Siegfried von Kortzfleisch, Pfarrer
"i Hamburg. Er schreibt über die Images von Kirche. Und ihm ist
es offensichtlich höchst wichtig, die Arbeit der Journalisten von
dem Geruch der Öffentlichkeitsarbeit freizuhalten. Zwar räumt
er ein, Öffentlichkeitsarbeiter seien sehr wohl nützlich und not-
wendig, aber er setzt sie in Anführungszeichen (45), und schon
seine Wortwahl zeigt danach, wie gering er von ihnen denkt:
»Wer sie (sc. die Journalisten) als Public-Relations-Agenten ein-
Setzen, wer sie für Propaganda mißbrauchen will, wird damit
ätzten Endes scheitern." (49) Wenn also Öffentlichkeitsarbeit als
Propaganda zu verstehen wäre, dürfte die Kirche sich eigentlich
'hrer nicht bedienen.

Helmut Thormann, ein Diakon, der die Öffentlichkeitsarbeit
für die Diakonischen Anstalten von Hephata in Hessen verant-
wortet, hat wiederum eine positive Einstellung zu seiner Arbeit:
»Unter Öffentlichkeitsarbeit ist das gesamte kommunikations-
Politische Handeln der leitenden Organe zu verstehen mit der
Absicht, ein Klima des Vertrauens und des Verständnisses zur
Wahrnehmung und Umsetzung des gegebenen Auftrages zu
schaffen, zu erhalten und zu pflegen." (171) Und er erzählt, wie
er das macht. Öffentlichkeitsarbeit als Politik ist aber ein so weit
Sefaßter Begriff, daß es fast nichts gibt, was darunter nicht mitzudenken
wäre von der Tarifgestaltung für die Mitarbeiter bis zur

'lege des Rasens vor der Hauptverwaltung. Und die konkrete

^Schreibung eines Berufes wird unmöglich.

Ahnlich muß man kritisieren, was Holger Tremel selber vorschlägt
: „ Auch Werbung und Öffentlichkeitsarbeit haben eine vereitelnde
Funktion erhalten, um Distanzen zu überwinden. Die
■^-ornrnunikationsbedingungen der Gesellschaft stecken zugleich
auch einen Rahmen für die kirchliche Kommunikation ab." (18)
" eine zweite Begründung kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit ist
Cs, Gemeinschaft zu schaffen und Leben aus dem Glauben einzuüben
." (19) rj>as klingt ja sehr fromm, aber wenn das die Aufgabe
v°n Öffentlichkeitsarbeit ist, dann gehören alle Formen des Ge-
^eindeaufbaus mit dazu von der Taufe bis zur Beerdigung, von

er Kirchenmusik bis zur Erwachsenenbildung.

So ist es wohl angemessen, bescheidener zu sein und sich der
Definition anzuschließen, die Tremel auch zitiert und die von der
Deutschen Public RelationsGesellschaft (DPRG) stammt: „(Öffentlichkeitsarbeit
ist) das bewußte und legitime Bemühen um
Veständnis sowie um Aufbau und Pflege von Vertrauen in der Öffentlichkeit
auf der Grundlage systematischer Erforschung. "(12)
Diese Position wird in dem Buch nur vom Pressesprecher der
EKD, Oberkirchenrat Peter Kollmar, vertreten, der formuliert:
„Kirchliche Öffentlichkeitsarbeit ist ... ein Arbeitsauftrag an
spezielle Einrichtungen und besondere (qualifizierte) Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter..." (136) Wenn das richtig ist, dann
kann man solche Menschen ausbilden, ihnen Arbeitsplätze schaffen
in Pressestellen oder Öffentlichkeitsämtern und ihre Arbeitsanweisung
so definieren, daß sie nicht in Streit kommen müssen
mit den kirchlichen Mitarbeitern, die in evangelischen Redaktionen
arbeiten.

Doch wie man das macht, steht wohl erst in der dritten Auflage
.

Hannover Gerhard Iscrmann

Zulehner, Paul M.: Pastoraltheologie. 2: Gemeindepastoral. Orte
christlicher Praxis. 269 S. 3: Übergänge. Pastoral zu den Lebenswenden
. Unter Mitarb. von A. Heller. 276 S. 4: Pastorale
Futurologie. Kirche auf dem Weg ins gesellschaftliche Morgen.
Unter Mitarb. von A. Heller u.a. 332 S. Düsseldorf: Patmos
1989/90.

Nach dem ersten Band der Grundlegung seiner „ Pastoraltheologie
", die an dieser Stelle schon gewürdigt worden ist (ThLZ 115,
1990, 300ff). hat P. M. Zulehner inzwischen auch die Folgebände
seines einführenden Werkes veröffentlicht. Wissenschaftstheoretischer
Ansatz, methodische Durchführung, praktische Orientierung
haben sich nicht grundlegend geändert. Vielmehr zeigt
gerade die Zuwendung zu den Praxisproblemen im Gemeindebereich
, die durchweg im Zentrum stehen, die Fruchtbarkeit eines
dialogisch orientierten Konzepts, das zwischen Tradition und Situation
, empirischer Analyse und theologischem Urteil das
kirchliche Handeln zukunftsoffen gestalten helfen will.

In der „Pastoral zu den Lebenswenden" präsentiert sich die
Spannung zwischen kairologischen und kriteriologischen Aspekten
, die für Z.s Grundlegung entscheidend ist. im Gegenüber von
Dienstleistungswünschen und Verkündigungsabsichten (19ff).
Besonders ausgeprägt ist diese Spannung bei der Taufe, die man
demgemäß teils als Geburtsritual, teils als Sakrament interpretieren
kann (231 ff). Das Handeln der Kirche im Zusammenhang
mit dem Phänomen der Lebensübergänge erfolgt in diakonischer
, mystagogischer und gemeindebildender Perspektive (23ff).
Dabei verdient der Gesichtspunkt der Mystagogik, der für die katholische
Pastoraltheologie im Anschluß an K. Rahner derzeit
verstärkte Beachtung gewinnt, besondere Aufmerksamkeit. Z.
definiert die Aufgabe als „Hinführung des Menschen vor jenes
Geheimnis, das sein Leben im Grund immer schon ist" (149).

Der Aufbau dieses 3. Bandes überrascht. Z. geht den biographischen
Ablauf zurück, also von „Sterben und Tod" (29ff) über
Krankheit (60ff) und Alter (86fr) zur Lebensmitte (1151T). zu Ehe
und Familie (134ff) und zur Geburt (212ff). Besonders wertvoll
sind Informationen und Analysen aktueller Entwicklungen, etwa
über das Anwachsen anonymer Bestattungen (350, über die Hospizbewegung
(40ff), über die notwendige Institutsreform im
Krankenhaus (650, über die Rolle des Kindes in der Gesellschaft
(2140- Ziel ist bei alledem „die Anwaltfunktion der Kirche, die
Subjektivität des Menschen zu schützen und seine Würde vorbehaltlos
zu verteidigen" (89); deshalb ist die Kritik an der Verob-
jektivierung von Kindern ebenso notwendig (219fi) wie die lebensgeschichtlich
orientierte Altenarbeit, die im Sinne der "oral