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Ausgabe:

1992

Spalte:

211-213

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Meessen, Frank

Titel/Untertitel:

Unveränderlichkeit und Menschwerdung Gottes 1992

Rezensent:

Dalferth, Ingolf U.

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 3

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ministischer Gedanken in den theologischen sowie in den praktisch
kirchlichen Diskurs in Anspruch genommen. Gute Sprache
und stringente Gedankenführung können bestechen. Die kritische
Anwendung der Trinitätslehre auf Gesellschaft und Kirche
in Lateinamerika und der konfessionelle Standort zeigen den
„Sitz im Leben" dieses Büchleins, fordern aber auch zu eigener
Reflektion heraus. Es ist lesenswert, auch in Europa.

Berlin Johannes Alfhausen

Meessen, Frank: Unveränderlichkeit und Menschwerdung Gottes
. Eine theologiegeschichtlich-systematische Untersuchung.
Freiburg-Basel-Wien: Herder 1989. XIII, 562 S. 8 - Freiburger
theologische Studien, 140. Kart. DM 68,-.

Die unter Karl Lehmann angefertigte Dissertation ist eine - in
positiver wie negativer Hinsicht - schulmäßige Arbeit. Fleißig,
anmerkungsreich und in gleichbleibender Schematik von Referat
und Diskussion werden katholische und protestantische Gottcs-
lehren der Gegenwart daraufhin befragt, wie sie das Problem der
Unveränderlichkeit Gottes behandeln. Die einzelnen Positionen
werden jeweils dargestellt, zusammengefaßt, diskutiert und beurteilt
und die Schwächen und Stärken des Ansatzes für das zur Debatte
stehende Problem abgewogen herausgestellt. Das Buch liest
sich so wie ein ausführlicher Handbuchartikel zum Problem der
Unveränderlichkeit Gottes. Eine systematische Untersuchung
wird man es aber nur bedingt nennen können.

Die Untersuchung ist in vier Teile gegliedert und durch einen
kurzen Nachtrag (441 -445) zu einigen nach Abschluß der Dissertation
erschienenen Arbeiten ergänzt. Teil A (2-33) thematisiert
die Unveränderlichkeit Gottes als theologisches Problem. In
einem ersten Schritt werden summarisch die Hauptgesichtspunkte
genannt, die gegen eine unkritische Fortsetzung der traditionellen
Rede von der Unveränderlichkeit Gottes ins Feld geführt
zu werden pflegen. Sodann werden - in enger Anlehnung an
die Studie von W. Maas (Unveränderlichkeit Gottes, München
1974) - die Entstehung des Unveränderlichkeitsgedankcns in der
griechischen Philosophie und seine Rezeption in der christlichen
Theologie nachgezeichnet. In einem dritten Schritt wird die verbreitete
Ablehnung des Unveränderlichkeitsaxioms in der neueren
Theologie dokumentiert, die der Vf. als Folge der intensiven
Konzentration auf die biblische Rede von Gott und seine dort belegte
'Geschichtlichkeit' begreift. Daraus gewinnt er die dreifache
Fragestellung seiner Untersuchung: Kann christliche Gotteslehre
auf die Unveränderlichkeitsaussage verzichten? Wie ist sie
mit dem Gedanken der Geschichtlichkeit Gottes vereinbar? Und
wie ist schließlich die Menschwerdung Gottes zu denken, wenn
Gott sowohl die Prädikate der Unveränderlichkeit als auch der
Geschichtlichkeit zugesprochen werden müssen? Die erste Frage
wird von vornherein verneint, die dritte ist der zentrale Fall des
Problems, das die zweite formuliert. Diese ist daher die eigentliche
Leitfrage der vorliegenden Untersuchung.

Teil B (34-127) präsentiert in sechs Schritten ausgewählte Ansätze
aus der Theologiegeschichte, die Kritik am Unverändcr-
lichkeitsaxiom geübt haben. Neben den leidenstheologischen
Aussagen der Patristik werden Luthers Kreuzestheologie, Sendlings
und Hegels Konzeptionen der Geschichtlichkeit Gottes, die
russischen (Berdjajev, Bulgakov) und deutschen (Thomasius.
Liebner) Kenotiker des 19.Jahrhunderts sowie der Ansatz I.A.
Dorners, die anglikanische Theologie des Selbstopfers Gottes,
die Prozeßtheologie und die Gott-ist-tot-Theologie handbuchartig
dargestellt und zusammengefaßt. Größeren Einfluß auf das
theologische Denken spricht der Vf. allein Luthers Kreuzcstheo-
logic und dem Systemdenken des deutschen Idealismus zu. Die
Verurteilung des letzteren als pantheistisch durch das 1. Vatikanische
Konzil hält er nicht für das letzte Wort über das Verhältnis
der (katholischen) Theologie zum deutschen Idealismus. Vielmehr
sieht er mit W. Kasper vor allem in Sendlings Denken
einen Ansatz, der noch darauf warte, theologisch fruchtbar gemacht
zu werden (126).

Teil C (128-418). der zentrale Teil der Untersuchung, widmet
sich der - von protestantischen Autoren (Barth, Kitamori, Pannenberg
) inaugurierten, von katholischen aufgenommenen (Rahner
) und fortgesetzten (Schillebeeckx, Wiederkehr, Balthasar) -
neueren Diskussion um eine „Vermittlungzwischen Gottes .Unveränderlichkeit
' und seinem Heilshandeln in und an der Geschichte
" (128). Der Vf. präsentiert diese Diskussion nicht chronologisch
, sondern typologisch durch Zuordnung der einzelnen
(katholischen und protestantischen) Autoren zu sechs systematischen
Ansätzen. Daß diese Zuordnungen nicht immer überzeugen
und meist auch anders ausfallen könnten, sieht er selbst (131).

Zum bundestheologischen Ansatz rechnet er die Beiträge von
Greshake, Schaller, Galot, Varillon, Brantschcn, Riedlingcr und
Barth. Die Positionen werden jeweils knapp referiert und anschließend
theologisch diskutiert und beurteilt. Der Vf. betont
dabei vor allem - und das ist das unablässige ceterum censco seiner
Diskussionen -. daß der Begriff der Bundestreue Gottes nicht
nur moralisch, sondern ontologisch zu fassen sei und daß eine tri-
nitätsthcologische Entfaltung des Seins Gottes sachgemäßer sei
als die Ersetzung der Scinskategoprie durch die problematische
Kategorie des Werdens.

Den hamartiologischen Ansatz sieht der Vf. von K. Kitamori
repräsentiert. Zu recht hebt er hervor, daß Kitamori Gottes Leiden
nicht einfach als „Mit-Leiden", als Leiden Gottes an und mit
seinem Volk, denkt. Die Ursache dieses göttlichen Leidens liegt
vielmehr in Gott selbst, nämlich „in der Zornesreaktion auf die
menschliche Sünde, die mit Gottes Liebcswillen zusammenstößt
und so Gottes Schmerz erzeugt" (248). Kritisiert wird aber Kita-
moris Identifikation von Wesen und Schmerz Gottes. Der Vf.
sieht darin die Folge einer kreuzestheologischen Überzeichnung
des Gottesbilds, die eine ontologische und transzendentaltheologische
Vertiefung des Gottesgedankens verhindere (256).

Am universalgeschichtlichen Ansatz Pannenbergs wird gewürdigt
, daß er sich im Unterschied zu Greshake auf ontologische
Fragestellungen einlasse, allerdings so, daß eine „bedenkliche
Vermengung von Gott und Geschichte" (273) und eine
„geschichtstheoretische Funktionalisierung Gottes" (275) das
Resultat sei. Demgegenüber betont der Vf., daß „die eschatologi-
sche Vollendung" nicht als „Vollendung", sondern als „Bewährung
Gottes" gedacht werden müsse (280).

Dem staurologischen Ansatz werden die Arbeiten von G. Koch
und E. Jüngel zugerechnet. Während der Vf. Koch eine unzureichende
Fassung der Transzendenz Gottes (294) und eine „mangelnde
Unterscheidung zwischen dem Leben der Schöpfung und
dem Leben Gottes" (296) vorwirft, sieht er in Jüngels Versuch
eine weiterführende kreuzestheologische Radikalisierung von
Barths Gottesbegriff. Bestehe Gottes Gottheit darin, in den Tod
zu gehen, ohne darin unterzugehen, dann zeige das, daß ein dialektisches
Verständnis der .Unveränderlichkeit' Gottes wesentlich
trinitarisch sein müsse (324).

In den trinitätstheologischen Ansätzen Mühlens, Moltmanns
und Balthasars sieht der Vf. das in unterschiedlich überzeugender
Weise realisiert. Mühlens „personologisches Trinitätsver-
ständnis" (332) wird kritisiert, bei einer „rein moralische(n) Interpretation
der .Unveränderlichkeit' Gottes" als „Konstanz
seiner personalen Haltung dem Menschen gegenüber" (3360 stehen
zu bleiben. Das wird auch gegen Moltmann eingewandt
(369). Darüber hinaus wird ihm vorgehalten, aufgrund eines unzulänglichen
Freiheitsbegriffs die „Schöpfung als freie Setzung"
(358) nicht denken zu können und durch eine „mangelnde Unterscheidung
zwischen Leben Gottes und Geschichte der Welt"