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Ausgabe:

1992

Spalte:

206-209

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Lutz, Jürgen

Titel/Untertitel:

Unio und communio 1992

Rezensent:

Kaufmann, Thomas

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 3

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Es ist das Verdienst der beiden Straßburger Theologen Andre Lutz, Jürgen: Unio und Communio. Zum Verhältnis von Recht-
Birmele und Marc Licnhard. diese erste französische Ausgabe fcrtigungslehre und Kirchenverständnis bei Martin Luther,
der Lutherischen Bekenntnisschriften initiiert und besorgt zu Eine Untersuchung zu ekklesiologisch relevanten Texten der
haben. Sie konnten dabei auf die von Andre Jundt (+1947) und Jahrc '519-1528. Paderborn: Bonifatius 1990. 311 S. gr.8 =
dessen Sohn Pierre Jundt schön erarbeiteten und z.T. auch veröf- frDM^"-'10110 kontrovcrs,hcologischc Studien"
fentlichten Übersetzungen zurückgreifen und dieselben übernehmen
; die bisher nicht übersetzten und schon genannten Schriften Die von Karl Lehmann angeregte und von Gisbert Greshakc
gehen in der hier vorgelegten Fassung auf Michel Dautry und betreute Freiburger Theologische Dissertation beschäftigt sich
Robert Wolff (beide lutherische Pfarrer) zurück. Es handelt sich mit dem auch für die gegenwärtige ökumenische Diskussion be-
bei dieser Veröffentlichung um eine sich so nahe als möglich an deutsamen Verhältnis von unio und communio. von Rechtferti-
die Originaltexte haltende Übersetzung. Die CA. wird doppelt gungslehre und Kirchenverständnis in der Theologie Luthers in
wiedergegeben, einmal nach dem deutschen und einmal nach den Jahren 1519 bis 1528. Im ökumenischen Gesprächskontext,
dem lateinischen Text; die Apologie ist nach dem lateinischen dem sich der Vf. verpflichtet weiß, gelte es, eine „Verständigung
Text übersetzt. Grundlage für die Übersetzung ist die wissen- über Fragen der Ekklesiologic... an der Rechtfertigungsichre" zu
schaftliche Ausgabe der Bekenntnisschriften der evangelisch- verifizieren. (19) In seiner Einleitung charakterisiert der Vf. sein
lutherischen Kirche (BSLK); bei den noch nicht präzisierten Verhältnis zu Luther eingehend. Es sei als „von Wohlwollen geSchriften
hält sie sich jeweils an den autorisierten Originaltext. prägte, kritische, nicht emotionslose Sympathie" (1 l)zu bezeich-
von H.G. Pöhlmann, U nser Glaube. Die Bekenntnisschriften nen, was für den katholischen „Lutherfan" methodisch impli-
der evang.-luth. Kirche (Ausgabe für die Gemeinde, Gütersloh ziert. „Luther in erster Linie als Menschen ernst [zu] nehmen
1986), wurden die durchlaufenden Marginalziffern, welche die und [zu] akzeptieren, erst in zweiter Linie als jemanden, dessen
Texteinheiten kennzeichnen, übernommen und diesselben auf Wirken bestimmte historische Prozesse mitbedingt hat". (11) In-
die Konkordienformel, die von Pöhlmann nur auszugsweise wie- wiefern diese „zweite Linie" (12) freilich methodisch von der
dergegeben wird, ausgeweitet. Die verschiedenen Register „ersten" unterschieden werden kann, die affektive Bejahung
(Namen-, Bibelstellen-, Stichwort- und Sachregister) bauen auf Luthers-Luther habe „unerschrocken die Wahrheit des Evange-
den Vorlagen der BSLK und Pöhlmanns auf und verweisen auf liums" (12) ausgesagt, „sein Denken, sein Tun, seine ganze Per-
die Marginalziffern (nicht auf die Seiten). Der besondere Beitrag son" ,,beeindruck[e] primär als Versuch, gläubiges Christscin
der Hgg. besteht, nebst einem gemeinsamen Vorwort über die Gestalt gewinnen zu lassen" (12), auch wenn seine „Polemik"
konfessionelle und ökumenische Bedeutung dieser Herausgabe bisweilen als „geradezu widerlich" (11)empfunden wird und der
*ur die frankophone Christenheit und einigen Hinweisen zur Be- Vf. deshalb „derzeit noch nicht sagen kann", ob er Luther mit
Nutzung des Buches, einerseits in theologischen Bemerkungen Pesch oder Manns als „Vater im Glauben" (12) bezeichnen
uber die Bedeutung und die Autorität des Glaubensbekenntnis- möchte - von den unter den historischen Bedingungen des Rcfor-
ses und somit auch der Bekenntnisschriften in der lutherischen mationszcitaltcrs stehenden Wirkungen seiner Person abgeho-
Kirche (A. Birmele), andererseits in Hinweisen über die Vcrwcr- ben werden kann, bleibt das methodologische Grundproblem
Hungen des 16. Jh.s angesichts einer neuen ökumenischen Situa- dieser auf den gegenwärtigen ökumenischen Diskurs - und damit
•ion (M. Lienhard): diesbezüglich wird auf den von K. Lehmann auf eine im weiteren Sinne historische Konsequenz der Rcforma-
und W. Pannenberg hg. Band, Lehrverurteilungen - kirchentren- tion - bezogenen, „textexegetisch" (34) die „systematischen Zu-
nend? (Herder, Freiburg, 1986), hingewiesen. Des Weiteren wird sammenhänge" (34) erhellenden, als Luthcrauslcgung" (22)
Jede einzelne Bekenntnisschrift eingeleitet durch die zu ihrem durchgeführten Studie.

Verständnis wesentlichen Angaben und durch einige bibliogra- Ziel des Vf.s ist es nicht, eine „systematische Ekklesiologic"

Phische Hinweise (von M. Lienhard, außer dem Traktat Mc- Luthers - „die es nicht gibt" - (17; vgl. S. 25) zu rekonstruieren.

'anchthon's, das vom Übersetzer M. Dautry vorgestellt wird). sondern vielmehr die „Auswirkungen" der „zentralen] -

Angesichts der zahlenmäßigen Kleinheit der frankophonen ,,systcmbildend[en]" (17; 18 passim) - theologischc[n] Grund-

'utherischen Kirchen konnte diese Veröffentlichung nur dank der einsieht Luthers" (17), nämlich die iustificatiosola fide. „für sein

finanziellen Unterstützung seitens der lutherischen Kirchen in (sc. Luthers) Reden über Kirche, für seine ekklcsiologischcn Ein-

Deutschland und des Lutherischen Weltbundes unter Dach und zcläußerungen" und „für seine konkrete Auffassung über die

Fach gebracht werden. Hierfür gebührt ihnen Dank. Kirche und die daraus abzuleitenden kirchcnpolitischcn Maß-

Mit dieser Herausgabe der Lutherischen Bekenntnisschriften nahmen und Ratschläge" (17) zu untersuchen,
"st der frankophonen Christenheit ein großer Dienst erwiesen. Der Ansatzpunkt der Studie ist, das-wie Vf. einräumt (19-21)
^■cht nur werden von nun an die protestantischen Theologicstu- - interkonfessionell strittige Verhältnis von Rechtfertigung und
Kenten neben den schon erschienenen reformierten Bekenntnis- Kirche von Luther her zu bereichern, da sich „in seiner Thcolo-
Schriften (ed. O. Fatio, Confessions et catechimes de la foi gie gemeinsame Elemente [finden], die jedoch in der weiteren
reformec. Labor et Fides, Genf, 1986) auch einen leichten Zu- Entwicklung immer mehr in den Hintergrund traten". (210 Aus
&ang zu den lutherischen Bekenntnisschriften haben, sondern dem Erweis grundlegender „Gemeinsamkeiten auch im Kirchcn-
darüber hinaus werden sich alle, vor allem auch die katholischen Verständnis" „auf der Basis [!] Luthers" ergäbe sich „für beide
Christen und Theologen, leicht über die Lehrgrundlagcn der lu- Seiten die Verpflichtung, die konfessionelle Abgrenzung als Wir-
'herischen Kirchen informieren können. Selbstverständlich müs- kungsgeschichte der Theologie Luthers bezüglich ihrer theologi-
sen diese Schriften, wie die Hgg. gebührend präzisieren, der heu- sehen Legitimität, Zwangsläufigkeit und historischen Bedingten
ökumenischen Lage gemäß interpretiert werden. Die Vcr- heit neu zu hinterfragen".(22)

^erfungen, die im 16. Jh. ausgesprochen wurden, sind heute Die Studie ist so aufgebaut, daß am Anfang eine v.a. am Scrmo

Weithin gegenstandslos. Doch weil die „Sache" selbst die des de duplici iusticia entwickelte Darstellung der Rcchtfcrtigungs-

^chten Verständnisses des Evangeliums ist und diese Sache der lehre Luthers und ihres Verhältnisses zur Heiligung steht, die im

""che in jeder neuen Generation aufgegeben ist, bleiben die Lichte späterer Texte überprüft und präzisiert und als prägendes

'esbezüglichen Aussagen, sofern sie vor dem Worte Gottes theologisches Konzept verifiziert wird (1. und 2., S. 35-179). Als

s,andhalten, maßgebend, auch da wo man um ihre notwendige eine Art Zusammenfassung des vorigen Kapitels folgt Luthers

ktualisierung in einer neuen Lage weiß. Lehre vom Allgemeinen Pricstertum (3., S. 180-245). Schließlich

Strasburg Gcrard Sicgwalt wird das Verhältnis der unio zur Kirche als communio crör-