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Ausgabe:

1992

Spalte:

204-205

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

La foi des Églises luthériennes 1992

Rezensent:

Siegwalt, Gérard

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 3

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sich bei der Anfeindung durch die Ketzer und durch die ,su-
perbi'". (168) „... keiner von den späteren Feinden kann in ihren
(sie!) Angriffen über das hinauskommen, was in den Angriffen
der Juden zum Ausdruck gekommen ist. Eine wichtige Folge der
,imitatio'-Hermeneutik in Bezug auf die Beschreibung der späteren
Feinde der Kirche ist hier, daß die Markierung der Unterschiede
zwischen den Feinden stark in den Hintergrund tritt."
(170)

Auch die Verfolgung der Kirche war zeitlich nach den heidnischen
Kaisern nicht ausgestanden. Mit den Ketzern und falschen
Brüdern kehrte sie im vollen Ausmaß zurück. So spitzt sich die
„inimici-Darstellung auf die Gefahr der eigenen Gegenwart" zu
(182).

Bei allen Variationen der nächsten Jahre hält R. in bezug auf
Luther fest: „Konstant bleibt ... eine grundlegende Schau des
,inimicus die in der ,litera spiritualis'-Exegese der ,Dictata' in
Bezug auf die Juden entwickelt worden war." (223) Das wird
auch 1520/21 in den Schriften gegen das Papsttum deutlich:
„Die Feindschaft ist weithin dieselbe, obwohl sich die grundlegende
Identifikation des Feindes verschoben hat." (a.a.O.)

Schritt für Schritt wird Luther in seinen hermeneutischen Erkenntnissen
weitergeführt. Wenn er 1513-1515 noch im Sinne
der Quadriga argumentiert hat, so erkennt er doch 1521 die Anwendung
des vierfachen Schriftsinnes zu den Waffen des Anti-
christs gehörig (235). Der Papst wird in diesen Jahren als Antichrist
„identifiziert wie auch verifiziert anhand der klassischen
Antichriststellen der Schrift". (237) Phänomene der Christus-
und Kirchengegnerschaft wie der „Schein der Frömmigkeit"
(236) werden bei den Juden wie im Papsttum konstatiert.

R.s Verdienst ist es, den Theologen Luther in seiner Frühtheologie
anhand wichtiger terminologischer Beobachtungen präzise
vorgestellt zu haben. Er lädt uns ein, Luther nicht dort politisch,
soziologisch, psychologisch, ethnologisch oder anderweitig miß-
zuverstehen, wo er den Menschen und die Menschen geistlich vor
Gott oder gegen Gott stehend, das heißt in ihrer geistlichen oder
fleischlichen Gesinnung zu verstehen trachtet!

Görlitz Joachim Roggc

Hutter, Ulrich, u. Hans-Günther Parplies [Hg.]: Martin Luther
und die Reformation in Ostdeutschland und Südosteuropa.
Wirkungen und Wechselwirkungen. Im Auftrag der Stiftung
Ostdeutscher Kulturrat hg. Sigmaringen: Thorbecke 1991. 136
S. m. 5 Abb., 4 Taf. gr.8" = Beihefte zum Jahrbuch für Schlesi-
sche Kirchengeschichte, 8. Kart. DM 32,-.

Luthers Beziehungen zu Ost- und Südeuropa fehlten im Jubiläumsgeschehen
zwar nicht ganz, erfuhren jedoch insgesamt
wenig Aufmerksamkeit. Diese Lücke will der vorliegende Bd.
schließen helfen (vgl. 9-14: Einführung des Hg.s mit Literatur-
Übersicht). Er bringt zu einem Teil Vorträge, die 1983 im Haus
der evangelischen Kirche in Bonn gehalten wurden:

Udo Arnold: Luther und die Reformation im Preußenland (27-44);
Werner Laug: Johannes Heß und die Disputation in Breslau von 1524
(67-77); Erik Turnwald: Das Luthertum in Böhmen (107-117); Ludwig
Binder: Luther und die Reformation in Siebenbürgen (119-127). Sic wurden
durch weitere Beiträge ergänzt: Adalbert Hudak: Luther und der
Osten. Die bleibende Bedeutung der Reformation für den deutschen Osten
und für Osteuropa (15-26); Rita Scheller: Luther, Bugenhagen und die Reformation
in Pommern (45-57); Ludwig Petry: Reformation in Schlesien
(59-66); Ulrich Hutter: ZachariusUrsinus und der Heidelberger Katechismus
(79-105).

Die Beiträge haben vorwiegend informatorischen Charakter
und richten sich an einen breiteren Leserkreis. Eigenständige
Forschungen sind somit nicht zu erwarten. Die Grenze zur reformationsgeschichtlichen
Fachliteratur ist jedoch durchlässig,
wenn sich bekannte Sachkenner äußern (L. Petry, U. Arnold).

Hutters Untersuchung zu Ursinus ist ein Forschungsbeitrag,
durch den der prägende Anteil des pfälzischen Theologen am
Heidelberger Katechismus klar herausgearbeitet wird. - Bei
einigen Formulierungen wird die Lektüre unterschiedliche Reaktionen
hervorrufen (z.B. 24: Hudaks Ausführungen zur Kollektivschuld
und zum Stuttgarter Schuldbekenntnis). Einzelne Angaben
wären zu überprüfen (z.B. 35: „die Revolution der
Bergknappen" - Was ist gemeint?), Verallgemeinerungen ebenfalls
(z. B. 47: Theologiestudium der Priester; 54: Predigten nur
von durchreisenden Mönchen). Zu korrigieren sind 108f die Angaben
über Hieronymus Dungersheim und Jakob Zieglcr. Die lateinische
Confessio der Böhmischen Brüder erschien 1511, Dungersheims
Polemik erst 1514. Zieglers Angriff, der übrigens in
Böhmen konzipiert wurde, erschien als Leipziger Druck 1512.

Personen- und Ortsregister sowie Bildbeigaben (leider keine
Karte) tragen zur Benutzerfreundlichkeit des Bds. bei.

S. B.

Bauks, Friedrich Wilhelm: Die Anfänge der Reformierten Kirche in der
Grafschaft Mark (JWKG 84, 1990, 97-158).

Brecht, Martin: Philipp Nicolai: Lutherische Orthodoxie und neue
Frömmigkeit (JWKG 84, 1990, 159-183).

Burian, Ilja: Die Gegenreformation in den tschechischen Ländern
(JGPrö 106. 1990, 19-61).

Gang, Dietrich: Martin Bucer: ein vergessener Reformator?: vor 500
Jahren wurde Martin Bucer geboren (EvDia 60. 1991, 75-83).

Hunsche, Friedrich E.: Wann begann in der Grafschaft Tecklenburg die
Reformation?: die Streitigkeiten des Grafen Konrad von Tecklenburg mit
seinen Nachbarn bis 1548 (JWKG 84. 1990, 63-78).

Pausz, Josef: Andreas Rauch, ein evangelischer Musiker in den Wirren
der Gegenreformation (JGPrö 106, 1990. 62-111).

Peters, Christian: Städtische Selbstbehauptung und BUndnisfragc: die
Verhandlungen der Stadt Soest mit dem Schmalkaldischcn Bund (1536/37)
(JWKG 84, 1990, 79-85).

Stove, Eckehart: Via media: humanistischer Traum oder kirchenpolitische
Chance? Zur Rcligionspolitik der vereinigten Herzogtümer Jülich-
Kleve-Berg im 16. Jahrhundert (MEKGR 39, 1990, 115-133).

Stupperich, Robert: Der Münstersche Täuferkrieg im Lichte der Korrespondenzen
aus dem Reichsgebiet. Teil 2 (JWKG 84, 1990, 47-62).

Kirchen- und Konfessionskunde

Birmele, Andre, et Marc Lienhard: La Foi des Eglises Luth6rien-
nes. Confessions et catechismes. Trad. de A. Jundt et P. Jundt
avec le concours de M. Dautry et R. Wolff. Paris: Ccrf, Genf:
Labor et Fides 1991. 605 S. gr.8 . Pp. Ffr. 249,-,

Zu diesem schönen, großformatigen, auf Glanzpapier in je
zwei Kolumnen pro Seite gedruckten, mit dem predigenden Luther
von Cranach dem Älteren auf der Titelseite geschmückten
Band der Lutherischen Bekenntnisschriften in französischer
Sprache ist folgendes zu sagen:

Die frankophone Christenheit verfügte bislang nicht über eine
vollständige Ausgabe dieser Schriften. Wohl gab es einzelne
Übersetzungen, so vor allem von der Augustana (C. A.) und dem
Kleinen Katechismus Luthers. Die Schmalkaldischcn Artikel
und der Große Katechismus Luthers wurden ihrerseits in den
ausgewählten Werken Luthers (Oeuvres de Luther), welche seil
1957 von dem protestantischen Verlag Labor et Fides in Genf
herausgegeben werden, veröffentlicht. Die Übersetzung der Apologie
der C. A. ist kürzlich bei dem katholischen Verlag Ccrf i"
Paris erschienen, diejenige der Konkordienformel schon 1948-
Melanchthon's Traktat über die Gewalt und den Primat des Pap-
stes wie auch die zum Kleinen Katechismus gehörenden Trau-
und Taufbüchlein erscheinen hier erstmals in Übersetzung.

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