Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1992

Spalte:

199-200

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Martin Luther und das Bischofsamt 1992

Rezensent:

Heintze, Gerhard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

199

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 3

200

Texte selbst füllen nur die Seiten 3-22 und 26-73. Damit liegen
insgesamt 5 Bände des Maximus Confessor in der neuen Edition
vor, die auch mit der Series Latina und der Continuatio mediae-
valis zügig voranschreitet.

G. H.

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Brecht, Martin [Hg.]: Martin Luther und das Bischofsamt. Stuttgart
: Calwer 1990. 145 S. 8° Kart. DM 48,-.

Bei dem von Martin Brecht hg. Band handelt es sich um die
Veröffentlichung von Beiträgen, die in einem Seminar über das
Thema „Luther und das Bischofsamt" auf dem 7. Internationalen
Lutherforschungskongreß in Oslo im Jahre 1988 vorgelegt
wurden. Die von verschiedenen Vff. stammenden Beiträge folgen
im wesentlichen Äußerungen Luthers, die er in der Abfolge
seiner Lebensjahre zum Thema gemacht hat. Dabei wird deutlich
, wie wenig Luther an einer systematischen Darstellung seiner
Auffassung vom Bischofsamt interessiert war. Vielmehr sah er
sich in wechselnden Situationen genötigt, sich mit der Bischofsfrage
zu befassen. Von Brecht selber verdienen namentlich
Beachtung sein Aufsatz über die exegetische Begründung des
Bischofsamtes bei Luther (lOff), wobei Luthers weitgehende
Beschränkung auf das aus den Pastoralbriefen zu entnehmende
Material auffällt, sowie die Bemerkungen zu Äußerungen Luthers
im Zusammenhang mit der Ordinationsfrage um 1535
(120ff). In der Veröffentlichung werden auch Quellenkomplexe
berücksichtigt, die in der bisherigen Lutherforschung zu wenig
bedacht oder ganz übergangen waren. Das gilt etwa von dem Beitrag
von Markus Wriedt „Luthers Gebrauch der Bischofstitulatur
in seinen Briefen" (73ff) oder auch von dem Aufsatz von
Heinz-Meinolf Stamm „Luthers Berufung auf die Vorstellungen
des Hieronymus vom Bischofsamt" (15ff).

Durchgängig wird in den verschiedenen Beiträgen aus verschiedenen
Lebenssituationen Luthers betont, daß für ihn Pfarramt
und Bischofsamt im Grunde ein Ding sind, weil in beiden
Ämtern die Verkündigung des Wortes Gottes die Hauptfunktion
darstellt. Das Amt der Verkündigung wird von Luther freilich
nicht aus dem allgemeinen Priestertum aller getauften Christen
abgeleitet. Seine Unabhängigkeit nicht nur gegenüber der päpstlichen
Hierarchie, sondern auch gegenüber der Gemeinde wird
nachdrücklich unterstrichen. Wohl aber wird von Luther durchgängig
betont, daß jedes Amt in der Kirche nur Dienstcharakter
hat und nicht zur Herrschaft berufen ist. Auch steht jeder Gemeinde
Freiheit und Recht zu, notwendige Ämter neu zu besetzen
, wenn die bisherigen Amtsträger die Hauptfunktion ihres
Amtes, nämlich die uneingeschränkte Verkündigung des Wortes
Gottes, versäumen.

Luthers ursprüngliche Hoffnung, daß altgläubige Bischöfe sich
der Reformation öffnen und selber die Verkündigungsaufgabe
wahrnehmen oder wenigstens für die Bestellung rechtschaffener
Prediger des Wortes Gottes sorgen würden, ging nicht in Erfüllung
. Sowohl hinsichtlich der notwendigen Regelung der Visitationsaufgaben
im Jahr 1528 wie auch später in der Frage der
Bestellung neuer evangelischer Bischöfe im Fall des Eintretens
von Vakanzen von Bischofssitzen wie in Naumburg 1541 sah er
sich genötigt, selber zu experimentieren und dabei auch die Hilfestellung
des jeweiligen Landesherrn zu erbitten. Aber diese
Bitte schließt keineswegs ein, daß der jeweilige Landesherr von
seinem weltlichen Amt her als „summus episcopus" etabliert
würde. Vielmehr handelt es sich bei der vom Landesherrn erbetenen
Mitwirkung immer nur um ausgesprochene Notlösungen,
die ihren Grund im allgemeinen Priestertum haben, das auch ein
evangelischer Landesfürst in Anspruch nehmen kann. Das spätere
Entstehen des landesherrlichen Kirchenregiments läßt sich
aus Luthers Intentionen keinesfalls ableiten. Eher hat Luther zu
wenig als zuviel Interesse an der Einrichtung überörtlicher Kirchenleitungen
gehabt. Er hat Fragen zu wenig bedacht, die im
Grunde schon zu seiner eigenen Lebenszeit sich ankündigten.

Damit wird auch deutlich, daß es bei der Frage der Besetzung
und Gestaltung heutiger evangelischer Bischofsämter nicht ausreicht
, sich allein mit Luthers Äußerungen über das Bischofsamt
zu beschäftigen. Notwendigerweise tauchen hier heute viele Probleme
auf, die für Luther noch außerhalb seines Gesichtskreises
lagen.

Stuttgart Gerhard Hcintzc

Rasmussen, Tarald: Inimici Ecclesiae. Das ekklesiologische
Feindbild in Luthers „ Dictata super psalterium "(1513-1515)
im Horizont der theologischen Tradition. Leiden - New York -
Kopenhagen-Köln: Brill 1989. X, 242 S. gr.8 = Studies in Me-
dieval and Reformation Thought, 44. Lw. hfl 120,-.

Wir haben wieder einmal ein grundgelehrtes begriffsanalytisches
Werk aus der skandinavischen Forschung vor uns. Der Vf.
lehrt in Oslo und ist, wie der Hg. der Reihe, auf den er sich häufig
bezieht, literarisch zur Sache bereits gut ausgewiesen. Schon
1981 veröffentlichte er einen Aufsatz über „ Antisemittisme og
kristendom i middelalderen" (241). Oberman selbst hatte im
gleichen Jahr ein Buch über „Wurzeln des Antisemitismus" (240)
und zum 500. Geburtstag des Reformators in dem von H. Junghans
herausgegebenen Sammelband über „ Luthers Beziehung zu
den Juden" einen Beitrag geliefert (a.a.O.)

Mit den angeführten bibliographischen Reminiszenzen ist die
Hauptthematik des Bandes getroffen. In Luthers erster großer
uns überlieferter Vorlesung über die Psalmen in den Jahren
1513-1515 ist nach R.s wissenschaftlich ausführlich belegtem
Ergebnis der Terminus „INIMICI ECCLESIAE" Indikator für
einen wichtigen Sachverhalt, der dem vorliegenden Band nun
auch als Titel gegeben ist. Wenn Luther in seinem Kolleg über die
„Feinde der Kirche" handelt, ist folgendes zu bemerken: „In erster
Linie und am häufigsten nennt er die Juden, ferner die Ketzer
, die Türken und die bösen Christen: also weithin diesselben.
die in der späteren Polemik in Frage kommen. Theologisch sind
all diese Feinde für Luther ähnlich zu beurteilen: Die späteren
Feinde folgen den grundlegenden Feinden und Christusverweigerern
, den Juden zur Zeit Christi, nach und vertreten wie sie die
,litera' in ihrem Nein zu der Wahrheit Christi." (2) Hier ist in der
Einleitung die Generalthese der ganzen großen und weit angelegten
Studie schon formuliert.

Es wäre verhängnisvoll, wenn besonders deutsche Leser in der
„ 1985 von der Universität Oslo als theologische Doktorabhandlung
" angenommenen (IX) Arbeit eine Beeinträchtigung des in
der Gegenwart nötigen jüdisch-christlichen Dialogs sehen wollten
. Es gibt nichts Ehrlicheres und Notwendigeres als die Erhebung
von Sachverhalten, die nun einmal zur Frühtheologie, speziell
zur frühen Ekklesiologie des Reformators gehören. Es geh'
um exakte Terminologiestudien, um die Befragung der auslegungsgeschichtlichen
Tradition, die Luther bejaht oder korrigiert
, um das Theologiegeschichte aufarbeitende Gespräch in der
Gegenwart, zu dessen Relevanz in seinem Zusammmenhang der
Vf. die Namen H. Oberman, G. Ebeling, L. Grane und K.-^-
Selge anführt. An die Arbeitsmetheoden der Genannten schließ'
sich R. an - auch dort, wo er im Einzelfall widerspricht.

Nach der Einleitung, die Auskunft gibt zu Fragestellung und
Methode der ganzen Arbeit sowie zum hermeneutischen Verständnis
von litera spiritualis, von sensus propheticus literal's
und anderen tragenden Begriffen zum Schriftsinn sowie zu Tex'
und Tradition der „ Dictata" (1-21), stellt der Vf. seine Thematik