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Ausgabe:

1992

Spalte:

196-197

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Maraval, Pierre

Titel/Untertitel:

Lieux saints et pèlerinages d'Orient 1992

Rezensent:

Irmscher, Johannes

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195

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 3

196

Vouga, Francois: Die Johannesbriefe. Tübingen: Mohr 1990. IX,
92 S. gr.8" = Handbuch zum Neuen Testament, 15/111. Kart.
DM 27,-.

Der Kommentar beginnt mit einer knappen Behandlung der
Einleitungsfragen. Der 3Jo wird als Empfehlungsbrief, der 2Jo
als Bittbrief und der Uo als symbuleutischer Brief klassifiziert.
Rhetorische Kategorien dienen zur Erhellung des Aufbaus des
Uo, wobei Uo 5,13-21 als Briefschluß und Anhang bezeichnet
wird. Die Behandlung der Reihenfolge der joh. Schriften erfolgt
in traditioneller Weise, der Uo wird auf dem Hintergrund des
JoEv, der 2 und 3Jo im Licht des großen Briefes und des Evangeliums
erklärt, wobei der 2Jo das in 3Jo 9 erwähnte Schreiben ist.
Während der Uo auf der Basis der joh. Offenbarungstradition
die Einheit der Gemeinde wahren will, spiegelt sich im 2 und 3Jo
der Konflikt zwischen dem sich auf die gnostische joh. Offenbarungstradition
berufenden Presbyter und Diotrephes wider, der
das joh. Christentum in die nachpaulinische Großkirche führen
will. Abgefaßt wurden die Briefe zwischen 100 und 125/130, Entstehungsort
ist Kleinasien. Bei der Verfasserfrage wird die Verschiebung
der Perspektiven zwischen den verschiedenen Briefen
konstatiert, es „fehlt jedoch jedes klare Kriterium, um verschiedene
bzw. identische Verfasser identifizieren zu können" (19).
Uber weite Strecken überzeugt die Auslegung durch präzise Erfassung
der Argumentationsstruktur, unklar bleibt jedoch die
Frage nach den Gegnern in 1 Jo 2,22; 4,2; 2Jo 7. Die Doketismus-
These lehnt der Vf. ohne wirkliche Diskussion der Ignatius-Texte
und ohne Berücksichtigung wichtiger Literatur kurzerhand ab,
um dann zu behaupten, daß in den Bekenntnisformeln Uo 2,2f;
4,2f. 15; 5,1.5 nicht die Menschwerdung Christi ausgesagt, sondern
seine Anerkennung als der Offenbarer gefordert werde.
„Man kann eher den Vf. als die Konkurrenten in der Nähe der
Gnosis ansiedeln ... Indem sie in die allgemeine Kirche übergelaufen
sind, haben die Konkurrenten die durch die christologi-
schen Bekenntnisformeln bezeugte Offenbarungstradition aufgegeben
" (48). Diese Tradition setzt die späteren christlich-
gnostischen Systeme nicht voraus, sondern geht ihnen voran. Allerdings
verrät Vouga nicht, was das spezifisch ,Gnostische' an
der joh. Theologie ist und warum dieser historisch wie hermeneu-
tisch gleichermaßen unscharfe Begriff benötigt wird, um Situation
und Theologie der Johannesbriefe zu erfassen. Zur Escha-
tologie des Uo betont Vouga zu Recht die Dialektik der
Existenzerfahrung, weder das JoEv noch der 1 Jo geben bei einem
deutlichen Übergewicht präsentischer Aussagen die futurische
Eschatologie auf. Die spannungsreichen Aussagen zur Sünde im
Uo werden so aufgelöst: Der Standort des Vf.s zeigt sich in Uo
3,6.7ff, wer zur Gemeinde des himmlischen Offenbarers gehört,
sündigt nicht. Wer demgegenüber behauptet, sündlos zu sein und
nicht der joh. Gemeinde angehört, ist ein Lügner (vgl.Uo
1,6-10). Im Anfang 5,14-21 kommt die Unterscheidung zweier
Sündenarten hinzu. „Sündlos sein heißt nicht mehr: die Erkenntnis
des Offenbarers haben, sondern: der Offenbarungstradition
bzw. dem Bekenntnis treu bleiben" (31).

Der Kommentar überzeugt auf der analytischen Ebene, weniger
zwingend sind die historischen Klassifizierungen, kurz und
teilweise formelhaft bleibt die theologische Interpretation.

Erlangen Udo Schnelle

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Jarick, John: Gregory Thaumaturgos' Paraphrase of Ecclesiastes.
Atlanta, GA: Scholars 1990. VII, 375 S. 8 - SBL. Septuagint
and Cognate Studies, 29.Kart. $ 19.95.

Die Zugehörigkeit des „Predigers Salomon" (Koheleth) zum
jüdischen Kanon war wegen des in dieser Schrift enthaltenen Gedankengutes
umstritten. Zudem lag sie in einer griechischen
Übersetzung vor, die so wörtlich war, daß nicht nur der Stil, sondern
auch der Inhalt darunter gelitten hatte. Beides reizte den
Origenes-Schüler Gregor Thaumaturgos zu einer Paraphrase, die
den LXX-Text in gefälliges Griechisch verwandelte und gleichzeitig
Interpretamente einführte. Jarick untersucht diese Paraphrase
, indem er sie Vers für Vers mit dem LXX-Text und dem
masoretischen Text vergleicht.

Die Paraphrase erweist sich dabei auch als inhaltliche Umformung
, bis hin zur Verkehrung von Aussagen in ihr Gegenteil-
Gregor reproduziert die als prophetisch verstandene Verkündigung
Salomons. Heterodoxes wird zu Orthodoxem gewandelt.
Der Anschein, Gott sei willkürlich und ungerecht, wird unterdrückt
, für alles derartige wird vielmehr die menschliche Sünde
verantwortlich gemacht. Das Ideal verschiebt sich von einem
Leben in Zufriedenheit zu einem Leben in Rechtschaffenheit.
Das „Gute" wird moralisch interpretiert. Weder das Tun Gottes
noch das des Rechtschaffenen ist „eitel". Die Vorstellung von
Koheleth, daß Gute und Böse gleichermaßen sterben werden,
wird unter der Hand zur Bestrafung der Bösen und zur Belohnung
der Guten in diesem und dem ewigen Leben. Und die Schilderung
der Beschwerden des Alters, mit der Koheleth endet
(c. 12), wandelt sich zur prophetischen Ankündigung des Weltgerichtes
.

In der Paraphrase des Gregor Thaumaturgos liegt ein klassisches
Beispiel dafür vor, wie die frühe Kirche ein Buch des Alten
Testaments als christliches Buch lesen konnte, wobei sich ein
deutlicher Unterschied sowohl zur Allegorcse wie zu der exakten
Exegese eines Origenes ergibt, die auf dem originalen Text aufbaut
. Vielmehr handelt es sich um die Verkündigung eines, der
sich in die auch durch Salomon repräsentierte Tradition der Verkündigung
einreiht und seinerseits, von einem alten Text ausgehend
, ewige - christliche - Wahrheit kundtut. Die Paraphrase
Gregors ist wegweisend für die spätere Koheleth-Exegese in der
christlichen Kirche, etwa für den Kommentar des Hieronymusgeworden
.

Greifswald Hans Georg Thümmcl

Maraval, Pierre: Lieux saints et pelerinages d'Orient. Histoire et
geographie des origines ä la conquete arabe. Preface de G. Da-
gron. Paris: Cerf 1985.443 S. gr.8 = Histoire. Kart, ffr 199,-

Wallfahrten spielten und spielen im römischen Katholizismus
eine beachtliche Rolle, während sie in der Ostkirche nur eine
geringe Bedeutung besitzen. Andererseits gibt es gemeinsame
Ursprünge, und bis zum Vordringen der Araber hatte auch in1
Ostreich das Pilgerwesen seinen festen Platz. Die Verehrung der
heiligen Stätten setzt mit dem vierten Jahrhundert ein. Zunächst
steht Palästina im Vordergrund; Märtyrer- und Reliquicnkult
vergrößerten die Zahl jener Orte. Es ist das Verdienst des vorlie-
genden Buches, das aus einer Pariser Dissertation erwuchs, welche
Gilbert Dagron betreute, daß es das einschlägige Material in
übersichtlicher Systematik aufarbeitet.

Nach einer Einschätzung der verfügbaren Quellen werden in1
ersten Hauptteil die historischen Fragen abgehandelt. Wie kam
es im Ostreich zur Herausbildung von Wallfahrtszielen? Welche
generellen Bedingungen sind anzunehmen, was bestimmt d'e
Unterschiede in den einzelnen Territorien? Die nächste Frage
richtet sich auf die Pilger selbst. Aus welchen Gegenden - innC'
halb und außerhalb des Reiches - kamen sie, welche Stände
waren vertreten, wie war der Anteil der Frauen? Den Veranlassungen
und Motivationen für eine Pilgerreise gilt das nächste