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Ausgabe:

1992

Spalte:

187-189

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Fanning, Buist M.

Titel/Untertitel:

Verbal aspect in New Testament Greek 1992

Rezensent:

Niebuhr, Karl-Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 3

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stoß zu dieser Untersuchung gegeben hat" (149). Seltsamerweise
begnügt D. sich mit diesem Ergebnis und sagt nicht einmal, wie er
selbst Lk 24,12 beurteilt - was mehr als verwunderlich ist.

Weil D. zu einem Aspekt der literarischen Technik des Lukas
nur wiederholt hat, was längst bekannt war, und weil er sachlich
nicht einmal seine eigene Lösung zu Lk 24,12 vorträgt, halte ich
sein Buch für überflüssig und nicht für einen förderlichen Beitrag
zur literarischen Arbeitsweise des Lukas.

Münster Martin Rese

Fanning, Buist M.: Verbal Aspekt in New Testament Greek. Oxford
: Clarendon Press 1990. XIV, 471 S. 8 = Oxford Thcologi-
cal Monographs.

Die heute gebräuchlichen Grammatiken des ntl. Griechisch repräsentieren
hinsichtlich der Behandlung des Aspektgebrauchs
in der Verbalsyntax den Stand der Sprachwissenschaft von etwa
1920. Mit diesem Urteil leitet F., Professor für Neues Testament
am Dallas Theological Seminary, ein Buch ein, das seiner Entstehung
nach eine Dissertation ist (D. Phil, thesis Oxford 1987), seiner
umfassenden Thematik und ihrer Behandlung nach aber das
Zeug zu einem Standardwerk haben dürfte: eine Spezialgramma-
tik zur Verbalsyntax des ntl. Griechisch auf dem Niveau gegenwärtiger
Sprachwissenschaft. Im Begegnungsfeld von Linguistik,
Altphilologie und Exegese erhebt F. sowohl die invarianten Bedeutungsmerkmale
der Verbalaspekte als auch ihren konkreten
Gebrauch in Kombination mit weiteren grammatischen und semantischen
Faktoren. Gerade die Wechselbeziehung zwischen
inhärenten Aspektmerkmalen und anderen nicht-aspektlichen
Sprachelementen begleitet als erkenntnisleitendes Prinzip die
Untersuchung. Das hat zur Folge, daß in ihr nicht nur das im
Titel genannte grammatische Phänomen, sondern im Grunde
das gesamte Feld der neutestamentlichen Verbalsyntax zur Sprache
kommt.

Das erste Kapitel dient der theoretischen Grundlegung. In
Auseinandersetzung mit den wesentlichen Tendenzen der Forschung
seit G. Curtius (1846) entwickelt F. seine eigene Position
und Definition zum Begriff Aspekt. Diskutiert werden hier die
Unterscheidung von Aspekt und Zeitstufe, Aspekt und Aktionsart
, die Beziehungen zwischen Aspekt und lexikalischen Verbklassen
bzw. anderen Kompositionselementen, das Verhältnis
der Aspekte zueinander und ihre Funktion in der Gestaltung des
literarischen Diskurses. Entscheidendes Kriterium für die Unterscheidung
der Aspekte und ihre Definition ist nach F. der Blickpunkt
des Sprechers gegenüber der Handlung bzw. Beschaffenheit
, die das Verb beschreibt, die implizite Relation also zwischen
einer beschriebenen Aktion und dem Bezugspunkt, von dem aus
sie in den Blick genommen wird. Liegt der Bezugspunkt innerhalb
der Aktion selbst, so ist deren innere Struktur und Beschaffenheit
unabhängig von ihrem Beginn oder Ende im Blick, liegt er
außerhalb, so wird die Aktion als ganze von Anfang bis Ende
ohne Interesse an ihrer inneren Struktur betrachtet.

Gegenüber dieser primären, definierenden Unterscheidung bilden
alle übrigen im Zusammenhang mit dem Aspektgebrauch
diskutierten Phänomene (Aktionsart, Zeitstufe etc.) sekundäre,
funktionale Differenzierungen. Gerade die Trennung von Definitionsebene
und Funktionsebene ermöglicht es, die vielfältigen
Kombinationsmöglichkeiten zwischen Aspekten und weiteren
Ausdrucksmitteln der Verbalsyntax systematisch darzustellen.

Dies geschieht in den beiden folgenden Kapiteln (sie bilden
zusammen mit Kap. 1 den Hauptteil I: General Matters). Die
Grundunterscheidung zwischen innerem und äußerem Bezugspunkt
schlägt sich im Gegensatz zwischen Präsens- und Aorist-
Aspekt nieder. Der Aorist stellt ein Geschehen als ganzes, von

außen betrachtet, ohne Rücksicht auf dessen innere Beschaffenheit
dar. Das Präsens (bzw. Imperfekt) wählt seinen Blickpunkt
innerhalb des Geschehens und widmet sich seiner inneren Struktur
, seinem Fortschreiten oder seiner Entwicklung ohne Rücksicht
auf Beginn und Ende. Das Perfekt nimmt eine Sonderstellung
ein, da seine Grundbedeutung aus dem Zusammenwirken
von einem aspektlichen Merkmal (äußerer, summarischer Gesichtspunkt
wie beim Aorist) mit zwei nicht-aspektlichen (statische
Aktionsart, vorzeitige Tempusrelation) entsteht. Das Futur
wird als reine, nicht- aspektliche Tempuskategorie hier nicht behandelt
.

Dem Einwand, mit solchen Definitionen werde ein starres,
einseitiges Theoriegebäude errichtet, baut F. selbst überzeugend
vor. Befunde des Sprachgebrauchs, die sich seinen systematisch
erarbeiteten Definitionen nicht einordnen, behandelt er nicht
erst unter der Kategorie von Ausnahmen, sondern bezieht sie von
vornherein in seine theoretische, differenzierende Reflexion ein.
Hier bewährt sich die o.g. Unterscheidung zwischen inhärenten
Aspektmerkmalen und anderen funktionalen Bedeutungsträgern
beim Aspektgebrauch. So erarbeitet F. anhand bestimmter semantischer
Merkmale eine Taxonomie neutestamentlicher Verbklassen
und diskutiert ausführlich ihren Einfluß auf die Aspektbedeutung
. Präziser und differenzierender, als es häufig unter
dem Begriff Aktionsart geschieht, beschreibt er dabei die Verlaufscharakteristik
der jeweiligen Verbklassen. Nur die Stichworte
können hier aufgezählt werden: States - Actions, Acitivi-
ties - Performances, Accomplishments - Achicvcments, Clima-
xes - Punctuals (übersichtliche Schemata auf S. 129 und 163).
Darüber hinaus berücksichtigt er spezifische Nominal- oder Adverbialphrasen
des Kontextes, den Gegensatz zwischen genereller
und spezieller Referenz, den Tempusbezug und den Bezug zur
Diskursgcstalt, jeweils bezüglich der Auswirkungen auf den Gebrauch
der Aspekte.

Der zweite Hauptteil (Kpp. 4-6) ist den spezifischen Anwcn-
dungsfcldcrn der Aspekte gewidmet. Dabei lassen sich die
Grundmerkmale der Aspekte in ihrem konkreten Gebrauch in
der Regel aufweisen, wenngleich sie häufig durch weitere sprachliche
Faktoren in ihrer spezifischen Bedeutung beeinflußt werden
. Bei Verwendung im Indikativ (Kp. 4) tritt der Einfluß von
Merkmalen des jeweiligen Tempus stark hervor. Besonders ausführlich
diskutiert F. das praesens historicum sowie in eigenen
Exkursen Aorist und Imperfekt Indikativ bei Verben des Sendens
. Bcfehlcns, Fragens und Redens und den Gebrauch von pe-
riphrastischen Konstruktionen. In Ge- und Verboten (Kp. 5) spielt
dagegen das Tempus keine Rolle. Als wesentliches sekundäres Kriterium
(gegenüber der primären Aspektdifferenz) tritt hier der
Unterschied zwischen genereller und spezieller Referenz in Erscheinung
. Auch bei den übrigen nicht-indikativischen Formen
(Kp. 6) ist das temporale Bedeutungselement abgesehen vom Partizip
im Vergleich zur aspektualen Bedeutung unwesentlich.

Auch dieser zweite, durch Textbeispicle reich belegte Teil
zeichnet sich durch flexible Handhabung des im ersten Teil erarbeiteten
methodischen Instrumentariums aus. Für den Aufweis
von übergeordneten Zusammenhängen und Regeln bleibt ebenso
Raum wie für die Kennzeichnung von Eigenheiten bestimmter
idiomatischer Wendungen oder einzelner neutestamentlicher
Autoren.

Ein nicht unwesentliches Bewertungskritcrium für ein Standardwerk
zur ntl. Grammatik ist seine „Benutzerfreundlichkeit
", zumal man hierin durch den Blass-Dcbrunner-Rchkopf
verwöhnt ist. Da fällt zuerst das überaus knappe, nur die Hauptteil
- und Kapitelüberschriften nennende Inhaltsverzeichnis negativ
auf. Der Textteil selbst ist zwar detailliert und übersichtlich
gegliedert, aber selbst Querverweisen kann man nur durch mühsames
Blättern nachgehen, da jeweils nur die Abschnittklassifikation
, nicht aber die Seitenzahl angegeben wird. Einen gewissen