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Ausgabe:

1992

Spalte:

181-183

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Mulder, Martin Jan

Titel/Untertitel:

Mikra 1992

Rezensent:

Koch, Dietrich-Alex

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1X1

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 3

182

'änge von Versen (157), von Strophen (159f.), des Metrums Die ab 1974 erscheinende Reihe CRINT bietet nicht nur, wie
("The 3' '3 bicolon is - man vermutete dies schon! - the most der einschränkend klingende Titel vermuten lassen könnte, se-
common bicolon", 157). Vieles davon ist dann doch nicht so ge- lektive Informationen aus dem Bereich des Judentums zur Interferiert
und objektiv, wie der Glaube an die Statistik suggeriert, pretation des Neuen Testaments, sondern sie stellt das antike Ju-
'nsbesondere ist durchaus nicht plausibel, daß man in allen Psal- dentum als eigenständige Welt dar und ordnet dieser die
men nach Stanzen suchen kann, denn wenn eine Stanze laut Defi- Entstehung des frühen Christentums zu. "Section II" will in um-
n|tion "a unit larger than the Strophe" sein soll (168), dann kann fassender Weise einen "survey of the unique literature of the Je-
■Nan sie nicht im selben Atem als "a major subdivision of a poem wish people of period of the Second Temple and of that which im-
••• which comprises one or more strophes" (ebd., Zitat aus Wat- mediately followed it" geben (Einleitung des Herausgebers,
s°i") beschreiben. Tatsächlich entsteht die Frage, ob nicht in XXIII), wobei sich der erste Band unter dem Titel „Mikra" mit
e'ner ganzen Reihe von Psalmen (bei Raabe Ps 46; 67; 80) die der „Schrift" selbst beschäftigt. Dabei meint „Mikra" die kon-
Strophe die größte Einheit ist. krete Lesung des biblischen Textes und die mit ihr verknüpfte
Es bleiben also manche Ungewißheiten und eine Fülle subjek- Auslegung. Der Band zielt auf eine repräsentative Darstellung
tlyer Entscheidungen. Doch muß ausdrücklich gesagt werden, des gegenwärtigen Forschungsstandes, und für die einzelnen
daß damit die Berechtigung der poetologischen Strukturuntersu- Sachgebiete sind jeweils bekannte Autoren gewonnen worden,
chung als exegetischer Methode nicht desavouiert wird. Wichtig die für ihr Thema bereits durch wichtige Arbeiten ausgewiesen
erscheint vor allem die Feststellung des Verfassers über die Kon- sind. Die Folge ist, daß dieser Band durchaus umfassenden Infor-
Sruenz zwischen Struktur eines Psalms und Gedankenfortschritt mationswert besitzt, gleichzeitig aber ein Spezialist für ein einzel-
"83ff). jyjjj jjjr grenzt er sjcn sowohl von reinen Strukturalisten nes Teilgebiet eher auf die früheren Arbeiten des betreffenden
reinen Formkritikern ab (183). Hier bringt der Vf. in seiner Verfassers zurückgreifen wird.

olemik gegen Gattungkritiker wie Kraus und Gerstenbergerein- Die Darstellung beginnt mit der Frage der Entstehung der

drucksvolle Beispiele für die veränderte Funktion, die das gleiche Schrift und der Entwicklung einer israelitisch-jüdischen Schrift-

orrnelement (wie der Refrain) im Gedankenfortschritt eines kultur (A. Demsky und M. Bar-Ilan); es folgen Beiträge zur Ge-

Sa'ms annehmen kann (1890- Dem möchte der Rezensent gerne schichte des hebräischen Kanons (R. T. Beckwith) und zur Überstimmen
, der seit langem die Meinung vertritt, daß die indivi- lieferung des hebräischen Bibeltextes (M. J. Mulder); behandelt

uelle poetische und eng damit verbunden inhaltliche Gestaltung werden dann die Lesung des (hebräischen) Textes im Synagogen-

e'nes Psalms mindestens ebenso viel Beachtung verdient wie gottesdienst (Ch. Perrot), die antiken Übersetzungen (LXX: E.

Se'ne allgemeinen Formclemente. In diesem Sinne hätte dann Tov; Targumim: A. Tal und Ph. S. Alexander; Peschitta: P.B.

auch die Forderung Gewicht, man müsse Psalmen entsprechend Dirksen; lateinische Übersetzungen: B. Kedar). Die zweite

pren Strukturen (in Stanzen und Sektionen) lesen (186.189). Hälfte des Sammelbandes beschäftigt sich mit "use, authority.

re'lich darf man ihr auch nicht ausschließlich folgen. and interpretation" der Schrift in Qumran (M. Fishbane), den

Eineauf eine bestimmte Methode konzentrierte Untersuchung Apokryphen und Pseudepigraphen (D. Dimant), bei Philo (Y.

at ihre Berechtigung, und in diesem Sinne ist der vorliegende Amir), Josephus (L. H. Feldman), den übrigen jüdisch-hellenisti-

and, der mit anderen in den letzten Jahren vor allem im angel- sehen Historikern (P. W. van der Horst), der rabbinischen Litera-

^achsischen Bereich entstandenen ähnlichen Arbeiten in einer tur(R. Kasher), der samaritanischen Tradition (R. Böid-M.N.

lr|e steht, mit Gewinn zu benutzen. Freilich muß einmal dar- Sarai), der gnostischen Literatur (B.A. Pearson), und im Bereich

hingewiesen werden, daß nur eine möglichst große Mctho- des »Christentums, wobei die Abfolge etwas überraschend ist:

er|vielfalt ein literarisches Werk in allen seinen Aspekten auf- E. E. Ellis beschäftigt sich zunächst mit dem (alttestamentlichen)

fließen kann. Das gilt auch für Psalmen, die sowohl Kanon in der frühen Kirchengeschichte (bis zu Augustin), behan-

^raditionsliteratur wie auch jeweils für sich ein ganz individuel- delt erst danach in einem selbständigen Beitrag die Rolle der

^s Kunstwerk sind. Nur aus der Zusammenschau von Gattungs- „Schrift" im Neuen Testament; den Abschluß bildet ein Beitrag

menten, strukturellen Aspekten und auf eine mögliche Vorge- von W. Horbury zur Interpretation des Alten Testaments bei den

. chte der vorliegenden Textgestalt weisenden Spuren auf der Kirchenvätern.

te Cn' poet'sch-gestalterischen und inhaltlichen Gesichtspunk- Überblicksdarstellungen, die zugleich ein Ergebnis formulie-

.. auf der anderen Seite können wir hoffen, ihrem Geheimnis ren wollen bzw. den gegenwärtigen Diskussionsstand darstellen

nerzukommen. und zugleich den eigenen Standort des Vf.s in der Diskussion

nicht verleugnen, lassen sich leicht kritisieren. Deshalb sei zuvor

Bochum Henning Graf Revcntlow der durchweg hohe Informationswert der Beiträge betont. Hervorzuheben
ist auch, daß es gerade zu besonders schwierigen
Themen sehr umsichtige Darstellungen gibt, so z.B. zur Frage
nach dem Umfang der Schriftlesung vor 70 n. Chr.-(Perrot), zur

' Leh^ ■ u..... „ . , ... Verwendung der Schrift in den sog. Apokrvphen und Pseudepi-

p ^-'irreicn sind bekanntlich dafür Parallclübcrhcfcrungcn des gleichen , ._. . .... ..j, .... •

salms wip Po i/i/zo n-i i) io/oc ->-> graphen (Dimant) und bei den jüdisch-hellenistischen Histori-

2 'crsi4//rsjj,rslö//zoamzz. ■ • •• t> r , •

G. E. Watson. Classical Hebrew Poctry: A Guide to itsTechniqucs. kern <van der Horst)- Dennoch seien einige Anfragen formuliert,

ur. s. 26. Sheffield 1984, 161. die über die - immer möglichen - Einwendungen zu einzelnen

Darstellungen hinausgehen: Führt die Ablehnung der früheren
These von einem eigenen alexandrinischen Kanon und die Destruktion
des traditionellen Bildes von der Bedeutung von Jabne

Judaica nicht umgekehrt zu einer recht flächigen Sicht, in der Alexandria

dann (nicht nur in der Kanonsfrage) einfach als von Jerusalem

^ülder , ,rl, .... -r. ~ , . r, . abhängig erscheint? Interessant ist ja für die Gesamtperspektive

i„. ' Martin Jan [Ed. : Mikra. Text, Translation, Reading and , „ . , no , .„.,„ . , . _ . . . „. . .

'"ternrptot; c u u u d ui • a , , j ■ ° j des Bandes, daß 8 der 9 Bildbcigaben des Textes hebräische oder

p ypretation of the Hebrew Bible in Ancient Judaism and ' , , .„ . 6 , . ......

tar'y Christianity. Executive Ed.: H. Sysling. Assen-Maa- aramäische Handschriften bieten, ergänzt durch eine Abbildung

^r'cht: Van Gorcum; Philadelphia, PA: Fortress Press 1988. einer Peschita-Handschrift. Eine Abbildung einer LXX-Hand-

ad M929 S" m' Abb" gr'8 = Compendia Rerum Iudaicarum schrift fehlt dagegen, obwohl ja jetzt eindeutig vorchristliche Ma-

Novum Testamentum, Section two. 1. Lw. hfl 197.50. nuskripte durchaus zur Verfügung gestanden hätten. Eine Beob-