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Ausgabe:

1991

Spalte:

144-146

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

Problématique et relecture doctrinale 1991

Rezensent:

Schwager, Raymund

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 2

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tionen", Kap. II die Entfaltung des „Problemstandes in der Lehre von
der Sünde und vom Bösen" und Kap. III die „systematische Entfaltung
: Was ist Sünde?". Ziel ist Kap. IV „Sündenvergebung -
erneuerte Kirche und Erneuerung der Welt", wobei der Vf. andeutet,
daß er mit diesem Kapitel sein Nachdenken über „Sünde und Sündenvergebung
" auch hätte beginnen können (195). Theologische
Reflexion in ihrer kritischen und produktiven Ausrichtimg auf die
Kirche und das kirchliche Leben bildet den methodischen Hintergrund
für dieses Kapitel.

Die sühnetheologische Grundlage der „zentralen christlichen Kategorie
der Stellvertretung in ihrem trinitarischen Begründungszusammenhang
(325 ff, 329 ff) wird von D. Bonhoeffer her auf den Vollzug
der Erneuerung der Kirche und Welt ausgezogen: Sakramente, „Binden
und Lösen" (349 ff), die Predigt, die Seelsorge und Diakonie
(367ff, 3720 werden als „Eingangstor" der erneuernden Kraft der
Gnade für die Kirche (Gemeindeaufbau: 309, 315ff; ethische Verantwortung
: 337, 340ff) bedacht und im theologischen Urteil auf die
„Wiederkehr des Glanzes der Welt" verantwortet. Viele Einzelbeobachtungen
wären zu nennen, durch die der Leser Erkenntnisgewinne
und Anregungen zu pastoraler Tätigkeit zu erlangen vermag.
Für die Aufnahme von D. Bonhoeffers Verständnis zu Sünde und
Sündenvergebung sei auch auf G. Class: Der verzweifelte Zugriff auf
das Leben. D. Bonhoeffers Sündenverständnis in „Schöpfung und
Fall", Diss. Heidelberg 1989, verwiesen. G. Class gelangt zu ähnlichen
Ergebnissen wie Chr. Gestrich. In der Lutherrezeption stellt
sich dem Leser doch die Frage, ob das vom Einfluß Fr. Schleiermachers
(281), aber auch K. Barths (85, 3330 geprägte Verständnis
nicht die „harten" und „kantigen" Aussagen M. Luthers zur „Schlüsselgewalt
", zum „eschatologischen Gericht" zu „Liebe und Zorn"
Gottes, zu „Erwählung und Verwerfung" abgeschliffen haben. Den
Schüler G. Ebelings in diesem Zusammenhang zu der neueren von
T. Mannermaa (Der im Glauben gegenwärtige Christus. Rechtfertigung
und Vergottung. Zum ökumenischen Dialog, Hannover
1989) aufgeworfenen Lutherinterpretation zu hören (vgl. auch:
Luther und Theosis. Vergöttlichung als Thema der abendländischen
Theologie, hg. S. Peura und A. Raunis, Helsinki/Erlangen 1990),
wäre gewiß interessant; die Einbeziehung des orthodoxen Versöhnungsverständnisses
wäre da notwendig.

Dies sei aber mehr als Ergänzung erwähnt zu einer facettenreichen
dogmatisch-hermeneutischen und homiletisch-pastoraltheologischen
Darlegung des zentralen Themas „Sünde und Sündenvergebung" in
Theologie und Kirche heute.

Heidelberg Michael Plathow

Schiwy, Günther: Der kosmische Christus. Spuren Gottes ins Neue
Zeitalter. München: Kösel 1990.176 S. 8'. Kart. DM 28,-.

Timm, Hermann: Das ästhetische Jahrzehnt. Zur Postmodernisierung
der Religion. Gütersloh: Mohn 1990. 192 S. m. 3 Abb., 1
Farbtaf. 8 Kart. DM 58,-.

Einig sind sich beide Autoren: eine neue „kosmoästhetische Kultur
" muß her - entweder durch den sanften, aber revolutionär hereinziehenden
kosmischen Christus des New Age (Schiwy) oder durch
eine „ästhetisch-religiöse Kultur der Lebenswelt als Korrektiv"
(Timm). Damit liegen beide im Trend, aber mit viel Differenzen, die
einen (fiktiven) Dialog wünschenswert machen. Schiwy legt, seine
Teilhard-Verbundenheit vertiefend, durch Hildegunde Wöllers feministischen
„Traum von Christus" (1987) angeregt und seinen Beitrag
„Der Geist des neuen Zeitalters" von 1987 weiterführend, seinen
„männlichen" Traum von Christus als dem „Einheitsprinzip" in der
gerichteten Evolution vor. Es ist der lobenswerte Versuch, unsere
globale Misere einmal kosmisch-spiritualistisch aus der visionären
Perspektive des „neuzeitlichen" Christus Kosmokrator pantheistisch
(sich wenden) zu sehen. „Es ist die göttliche Energie, die den Kosmos
erfüllt, in deren Kraft wir uns gegen die Zerstörung des Lebens wenden

und die uns die Zuversicht gibt, daß sich der kosmische Christus durch
uns auch behaupten wird". (152) In der perspektivischen Durchführung
anders bei Timm: Zunächst handelt es sich bei seinem Buch um
eine Sammlung von zehn Aufsätzen seit 1980, als „die geharnischte
Neoaufklärung mißmutig das Erstarken einer romantikverdächtigen
Aussteigermentalität neben sich registrieren mußte. Progressiv oder
regressiv? Das ist eine Wasserscheide geblieben", die mit dem „Sowohl
" einer anthropologisch angesetzten, inkarnationstheologisch zu
entfaltenden Kosmosästhetik und dem „Als-Auch" des modernen
Weitermachens bei aller Retardierung und Limitierung beantwortet
wird. Das gesamte Weltleben ist uns eben problematisch geworden;
unsere Leiblichkeit ist elementar bedroht: „Die Egologie wird von der
Kosmologie her unterminiert. Das ist neu". (189)

Damit sind wir eigentlich schon mitten im Dialog, den ich hier
exemplarisch nur an zwei Punkten, einer Differenz und einer Anfrage
an beide von außen her, führen kann: Während Schiwy die Heilung
unserer Misere durch die Materialisierung, die Inkarnation des kosmischen
Christus sieht (also christlich-christologisch denkt und dies in
allen anderen Religionen rekonstruiert), ist für Timm das so gewordene
Christentum der Tellerrand der Hoffnung, daß aus „der
Selbstgefährdung der Zivilisation die Bereitschaft erwacht, wieder
über den Tellerrand der Menschheit hinauszuschauen". Spätestens
hier müßten freilich die Stimmen derer auftauchen, die über die
Vision eines kosmisch-evolutiven und liberal-christentumsgeschichtlichen
Gesundungsprozesses hinaus die real existierenden Verhältnisse
und deren Chancen zu Veränderungen ins Spiel bringen. Unbestritten
: Auch das theologisch vertretene Projekt der Moderne muß an
den Anliegen der christologisch-kosmologischen und kosmologisch-
ästhetischen Utopien mitarbeiten.

Anfrage: Wenn in der klassischen Metaphysik Gott als Schöpfer
und wir Menschen als seine individuellen Geschöpfe gegenüberstanden
, wiederholt sich dies nicht bei beiden, bei Schiwy in der
Selbsterschließung des himmlisch-christologischen Kosmos für den
einzelnen und bei Timm als Einstieg beim neuzeitlichen Subjekt als
Monade? Das Problem der „Versingelung" (Beck) ist erkannt, der
Streit geht um das Heilmittel. Beide Bücher - Schiwys allgemeinverständliche
Werbung für die Versöhnung des Christentums mit der
kosmischen Dimension von uns Menschen und Timms sprachlich
doch bisweilen sehr gestyltes Votum für die „Ästhetik als somatolo-
gischer Konfiguration von Humanität und Mundanität" - diskutieren
die derzeit brennenden Fragen unserer Kosmos-, Umwelt-, Tier-,
Menschen- und Selbstzerstörung, von deren Wurzeln, möglichen
Überwindungen und Hindernissen. Beide Stimmen sind (im Diskurs
mit den gesellschaftskritisch orientierten Projektlern der Moderne
und Postmoderne) je auf ihre Art richtungweisend in der Debatte um
Notwendigkeit und Möglichkeiten eines (post-)modernen Christentums
.

Darmstadt Uwe Gerber

Sesboüe, Bernard: Jesus-Christ. L'Unique Mediateur. Essai sur la
redemption et le salut. 1: Problematique et relecture doctrinale.
Paris: Desclee 1988.400 S. 8" = „Jesus et Jesus Christ", 33. Kart. Ffr
165.-.

Nach einer kurzen Beschreibung des erlösungsbedürftigen Menschen
geht der Vf. zunächst auf die moderne Problematik der Erlösungslehre
ein. Er skizziert anhand von seche Autoren (H. Küng, J.
Pohier, G. Morel, R. Girard, N. Leites, F. Varone) Positionen, die bestimmte
Punkte der traditionellen Lehre oder diese sogar ganz in
Frage stellen. Um diese Reaktionen verständlich zu machen, bringt er
eine „düstere Blütenlese" (sombre florilege)aus Werken anerkannter
Theologen und Prediger, die den Gott des Zorns und die für die Sünden
des Menschen nötige Sühne (Opfer) auf eine Weise dargestellt
haben, die eine ablehnende Reaktion unvermeidlich machen mußte.
Zum richtigen Verständnis der komplexen Tradition arbeitet der Vf.