Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1991

Spalte:

139-141

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Moore, Gareth

Titel/Untertitel:

Believing in God 1991

Rezensent:

Wagner, Falk

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

139

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 2

140

lisches Philosophieren, dessen Integrativkraft er der „protestantischen
Einseitigkeit" Jacobis entgegensetzt, am ehesten auf den Spuren von
Aristoteles und Thomas eine solche Überwindung leisten könne. Im
Unterschied zu den historischen Thesen des Buchs überzeugt mich
dieser angedeutete Ausblick nicht. Historisch wie sachlich läge es
näher, die „Aufhebung" des spinozistisch-jacobischen Dilemmas von
einer Synthese der dynamisch-spekulativen Vernunft und des statisch
-metaphysischen Verstandes ä la Hegel zu erwarten. Kierkegaards
Einspruch gegenüber Hegel, der dem Jacobis gegen den Spino-
zismus bis in die Wortwahl („Sprung"!) verwandt ist, mahnt freilich
zur Vorsicht. Wenn Jacobis „Position des Glaubens" auch philosophisch
problematisch bleibt, so signalisiert sie in ihrer von Bauer so
plastisch herausgearbeiteten Spinozismus-Kritik m. E. zu Recht das
Scheitern aller geschlossenen philosophischen Systeme.

Wien JörgSalaquarda

Moore, Gareth: Believing in God. A Philosophical Essay. Edinburgh:
Clark 1988. X, 289 S. 8". Lw. £ 14.95.

-Das aus einer Dissertation hervorgegangene Buch des in Oxford
Biblisches Hebräisch, Theologie des Alten Testaments und Moderne
Philosophie lehrenden Dominikaners G. Moore ist nicht ein Beitrag
zur Religionsphilosophie im allgemeinen, sondern ein Versuch zu
einem „philosophisch" inspirierten Verständnis des christlichen Gottesglaubens
. Als philosophischer Bezugspunkt dient dem Vf. die
Sprachauffassung des späteren Wittgenstein. Daher bezieht sich die
Indienstnahme der Philosophie nicht auf bestimmte Inhalte oder
Themen, sondern einzig und allein auf die methodische Vorgehensweise
. „Meine Methode ist es gewesen, einige der Weisen zu betrachten
, in denen die auf Gott bezogene Sprache von christlichen
Gläubigen im allgemeinen benutzt wird." (IX) Der philosophische
Charakter ist also nicht nur auf die Möglichkeiten eingeschränkt, die
die Wittgensteinsche Sprachspieltheorie bietet. Überdies bringt es der
Charakter dieser philosophisch-methodischen Verfahrensweise mit
sich, daß von ihr ein bloß instrumenteller Gebrauch gemacht wird.
Daher ist die sprachanalytische Vorgehensweise auch neutral gegenüber
verschiedenen Glaubensauffassungen. Der Vf. selber weiß sich
den „orthodoxen" Auffassungen der christlich-katholischen
„mainstream tradition" (ebd.) verpflichtet. Diese Verpflichtung
kommt in der fortlaufenden Zitation biblischer Verse und Geschichten
ebenso zum Ausdruck wie in der durchgehenden Verwendung von
meistens fiktiven Beispielgeschichten, die in ihrer vermeintlich
konkreten, in Wahrheit aber gekünstelten und konstruierten Art an
Geschichtchen aus erbaulicher Andachtsliteratur erinnern.

Der Vf. kreist in ebenso erneuten wie stereotyp sich wiederholenden
Anläufen und Formulierungen um die Frage, wie der Ausdruck
„Gott" im Sprachgebrauch gläubiger Christen verwendet werde. „Das
prinzipielle Ziel dieses Buches besteht darin, einige der Unterschiede
aufzuzeigen, die auf den hauptsächlichen Gebieten unseres Redens
von Gott erscheinen." (19) Indem sich der Vf. am faktisch gegebenen
Sprachgebrauch der christlichen Tradition und des christlichreligiösen
Bewußtseins orientiert, will er zugleich deutlich machen,
daß der religiöse Gottesglaube im Leben der Gläubigen eine ganz
andere Rolle spiele als in philosophischen Argumentationen, die der
Frage nach der Existenz Gottes gewidmet sind (23). In der Sicht des
Vf.s ist für den religiösen Gottesglauben nicht in erster Linie der
Inhalt des Glaubens entscheidend. Der Gottesglaube sei vielmehr in
einem Gesamtkomplex von Glaubens- und Einstellungsweisen eingebettet
, die zugleich von der Autorität der Bibel, der Tradition oder bestimmter
Lehrer abhingen. Folglich sei auch Gott als wesentlich
gebieterisch anzusehen. Wer an Gott glaubt, glaube damit an die
Autorität Gottes (30). Diese Autoritätsgebundenheit des Glaubens,
die zugleich die Möglichkeit der Korrektur falscher religiöser Auffassungen
durch hierarchisch gegliederte autoritäre Instanzen einschließt
, soll allerdings nicht den Ausschluß von religiösen Meinungsverschiedenheiten
nach sich ziehen. Gegenläufig zum betonten
autoritären Charakter des Glaubens ergeben sich derartige Meinungsverschiedenheiten
schon daraus, daß die Untersuchung des Vf.s nicht
dem möglichen Inhalt des Ausdruckes „Gott" gilt, sondern der faktischen
Verwendungsweise des Wortes „Gott" in religiösen Sprech-
und Lebensformen.

Der Vf. behandelt nach der vorläufigen Einführung in das Problem
des religiösen Redens von Gott (1-33) zunächst die Art und Weise,
wie der Ausdruck „Gott" im christlich-religiösen Sprachgebrauch
verwendet wird (34-102). Dann untersucht er, wie die Rede zu verstehen
sei, daß Gläubige auf Gott vertrauten, ihn liebten und fürchteten
(103-134). Diese Untersuchungen werden ergänzt durch die
Klärung der metaphorischen Rede vom „Himmel" bzw. vom „Schatz
im Himmel" (135-184). Darauf folgen Darlegungen zum Verständnis
des Gebetes (185-217) und der Wunder (218-239). Abgeschlossen
wird die Untersuchung durch Erörterungen zum Verständnis des
schöpferischen Handelns Gottes (240-282).

Der Vf. geht durchgehend von der Analyse des faktisch gegebenen
Sprachgebrauchs des christlich-religiösen Bewußtseins aus, um aufgrund
dieser Analyse die Frage zu beantworten, wie nicht nur der Ausdruck
„Gott", sondern auch die Rede von Gott als Person oder als
Handelndem verwendet werde. Auf diese Weise wird die Frage, ob
Gott existiere oder auf welchen Gegenstand oder Inhalt das Wort
„Gott" ziele, mit der Positivität der faktischen Verwendungsweise des
Ausdrucks „Gott" kurzgeschlossen. Das religiöse Sprachspiel wird zu
einem Spiel mit religiös gemeinten Ausdrücken, das sich allein dadurch
ausweist, daß es eben gespielt wird. Folglich behandelt der Vf.
die Frage nach der Existenz Gottes als Frage danach, ob und wie das
Wort „Gott" in der religiösen Sprache gebraucht werde (39 0- Damit
reduziert der Vf. die Frage der Existenz Gottes auf das Faktum, daß im
religiösen Sprechen der Ausdruck „Gott" faktisch verwendet werde.
Die Orientierung am faktischen Gebrauch des Ausdrucks „Gott"
führt zu keinem Erkenntnisgewinn, sondern allein dazu, daß die Positivität
der christlich-religiösen Rede umstandslos affirmiert wird. Das
von Wittgenstein entlehnte Verfahren zur Analyse des faktischen
Sprachgebrauchs dient also als Instrument, mittels dessen jedes beliebige
religiöse Sprechen allein deshalb gerechtfertigt werden kann, weil
es faktisch praktiziert wird. Aber was wird durch dieses Instrument
der Analyse religiöser Sprachspiele faktisch erreicht? Die Antwort
kann nur lauten: gar nichts, nämlich nichts, was über den faktischen
Gebrauch des religiösen Sprechens hinausginge. Die über die Positivität
des religiösen Sprechens hinausgehende Analyse, wie z. B. der
Ausdruck „Gott" verwendet werde, kann jedoch allein durch fortlaufende
Vergleiche des religiösen Sprechens mit anderen Sorten des
Sprechens z. B. wissenschaftlicher oder fiktiver Provenienz durchgeführt
werden. Aufgrund der Differenz der verschiedenen Sprachspiele
kann dieser Vergleich allein zu negativen Resultaten führen, durch die
die „Ungegenständlichkeit" Gottes betont wird: Der Ausdruck
„Gott" unterscheidet sich von dem Ausdruck für menschliche Personen
oder fiktive „Geister" dadurch, daß er nicht auf gegenständlich
gegebene Referenten bezogen werden könne. Der Vf. betont zwar
immer wieder, daß der Ausdruck „Gott" durch eine „logische Differenz
" von Ausdrücken für gegenständlich-welthafte Gegenstände
unterschieden sei. Aber wenn man fragt, worin diese Differenz besteht
, erhält man entweder nur negative Auskünfte oder die Antwort
, Gott sei als „geistige" Person, „geistiger" Handelnder etc. zu
verstehen. Da der Vf. nicht mehr erläutert, was mit einer „geistigen"
Person etc. gemeint sei, muß sich der Leser mit der Auskunft zufriedengeben
, der Ausdruck „Gott" funktioniere eben innerhalb des religiösen
Sprachgebrauchs anders als in anderen- Sprachspielen. Damit
schreibt der Vf. die an Glaubensweisen und Lebenseinstellungen
orientierte Positivität des christlich-religiösen Sprachgebrauchs fest.
Die Rechtfertigung dieses Sprachgebrauchs fällt mit seiner Faktizität
zusammen. Das führt allerdings zu der Konsequenz, daß jede Sorte
religiösen Sprechens, insofern sie einer eigenen Lebensform Ausdruck
verleiht, so gut wie jede andere zu goutieren ist. Der Vf. ist konsequent