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Ausgabe: | 1991 |
Spalte: | 136-137 |
Kategorie: | Christliche Kunst und Literatur |
Autor/Hrsg.: | Stähli, Hans-Peter |
Titel/Untertitel: | Antike Synagogenkunst 1991 |
Rezensent: | Thümmel, Hans Georg |
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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 2
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Die Reihe der Beispiele für solche Ungenauigkeiten ließe sich noch
vermehren. Auf S. 156 wird sogar von „mystischer Stimmung" in
einer Kapelle der Jesuitenkirche gesprochen. Das zeigt, daß es gerade
nicht um Anregung zu echter Andacht und Meditation geht, sondern
um unverbindliche Erbauung. Dem dienen auch Zitate, deren eigener
Ansatz ebenfalls nicht ernst genommen wird. So wird z. B. Rilke aus
dem „Stundenbuch" zitiert. Aber dessen Poesie und ein ihm zugeordnetes
Fresco Peruzzis von 1500 sind so verschiedene Dinge, daß sie
sich nicht gegenseitig interpretieren können (80). Noch problematischer
ist es, wenn Luther erwähnt wird (18, 166). Daß Luther ein
durchaus positives Verhältnis zu Maria hatte, ist bekannt, wenn auch
in protestantischer Tradition nicht recht wirksam geworden. Um so
wichtiger wäre eine echte Auseinandersetzung mit seiner Position gewesen
. - Es geht in dieser Rezension nicht um ein Infrage-Stellen
mariologischer Aussagen. Es geht auch nicht darum, von einem Buch,
das gläubigen Pilgern Hilfe zur Andacht sein will, wissenschaftliche
Diskussionen zu verlangen. Was die Rezensentin stört, ist die Undifferenziertheit
.
Berlin Gerlinde Strohmaier-Wiederanders
Kasack, Wolfgang [Hg.]: Die geistlichen Grundlagen der Ikone.
München: Sagneri. Komm. 1989.201 S. m. Abb. 8' = Arbeiten und
Texte zur Slawistik, 45. Kart. DM28,-.
W. Kasack „Ikonen in Deutschland 1986" fuhrt kurz, aber sehr
informativ in das Anliegen dieses von ihm hg. Bandes ein. R. Stichel
„Gedanken zur Wesensbestimmung der Ikone" polemisiert in angenehmer
Weise mit der Anwendung des Begriffes „Kultbild" durch
mich, ohne eine Alternative anzubieten. Auch zum Verhältnis Bild/
Text ist inzwischen von B. A. Uspenskij und mir einiges erschienen.
„Religiöse Grundlagen der Ikonenmalerei" durch Bischof Alipij
bleibt im traditionellen Rahmen („Die Ikonenmalerei ist Ausdruck
der Verherrlichung der Idee der Menschwerdung Gottes", 31), auch
wenn er dem Typus der „Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit in
Personen" einige interessante Aspekte abgewinnt. Wie vielseitig und
interessant auch traditionsbewußte Betrachtung der Ikone sein kann,
zeigt A. Backhaus „Zur Neurophysiologie und Theologie des Sehens
und der Ikonen": Es „werden die im Gehirn vorgebildeten Bildelemente
angeboten, und das Gehirn des Betrachtenden entscheidet
sich dafür, welche von den vorgeschlagenen Bildbruchstücken zu dem
jetzt mit den Augen gesehenen Bild passen. So entsteht das Bild, das er
sieht. . . Was wir als informatorisches Bild auf der Netzhaut sehen,
wird erst anschaubar, wenn in uns eine Bilderwelt klar strukturierter
Gestalten zum Vergleich angeboten werden kann. Darum wächst
unsere Einsicht und Einfühlung in die Ikone durch das Leben mit den
und durch die heiligen Schriften des Evangeliums." (51,530
Priestermönch Mark (Dr. Michael Arndt) referiert sorgfältig über
„Der Bilderstreit und das Siebte Ökumenische Konzil". Daß er die
Ikonoklasten vom „schweren Vorwurf der Häresie" (77) nicht freisprechen
kann, ist bedauerlich, um so mehr, als die nichtkonfessions-
fixierte Forschung (Beck, Thümmel, Schreiner u. a.) das seit längerem
getan hat.
N. Artemoff „Die liturgische Funktion der Ikonostase" beschreibt
einfühlsam das liturgische Umfeld des Ikonostas. In seinem, wie
immer poetisch sehr schönen, hier aber auch sehr subjektiven Beitrag
„Die Ikone der heiligen Dreifaltigkeit" bietet P. Evdokimow gegen
eine Wolke von Interpreten (Lazarev, Lebedeva, Alpatov, Bo-
brinskoy, Vzdornov, Mainka u. v. a.) eine Deutung der „Troica" an,
der widersprochen werden dürfte. Die „syrjänische Troica" gibt im
übrigen eine Reihe noch lange nicht gelöster Fragen auf.
F. Scholz schrieb den gehaltvollen Beitrag „Die Engel im kirchlichen
Raum", A. Martini-Wonde „N. S. Leskows Entdeckung der
Ikone", den man sich wegen seines Gehaltes etwas länger gewünscht
hätte. W. Schriek arbeitet zu: „Die Ikone im Werk von Iwan S.
Schmeljow" und F. Göbler zu: „Wladimir Solouchins literarischer
Beitrag zur Rehabilitierung der Ikone in der Sowjetunion", womit in
begrüßenswerter Werse die Beziehungen zwischen Ikone und Literatur
eingezeigt wurden.
H. Theissing: „Das Bildlicht in der byzantinischen Malerei" wurde
bereits vor Jahren, z. T. mit denselben Begriffen, von mir behandelt,
nur, daß Theissing auch den Kultusraum mit seiner Monumentalmalerei
einbezieht.
Im Verhältnis zu den aufwendigen Prachtbänden über Ikonen
anläßlich der 1000-Jahr-Feiern zur Taufe der Rus sollte sich niemand
durch das schlichte Gewand dieses Bandes täuschen lassen. Unter diesem
erwartet den Leser eine interessante, nicht selten auch eigene
Positionen zur Nachprüfung anregende wie auch Widerspruch provozierende
Lektüre.
Halle (Saale) Konrad Onasch
Stähli, Hans-Peter: Antike Synagogenkunst. Stuttgart: Calwer 1988.
112 S. m. zahlr. Abb. z. T. färb. 8 Pp. DM 29,80.
Das Büchlein führt Denkmäler der Synagogenkunst vor und gibt
damit einen Uberblick über das Wichtigste des Erhaltenen. Der Apparat
führt die Fülle der verarbeiteten Literatur vor. Naturgemäß gliedern
sich die Ausführungen unter zwei Themen: Die Synagoge als
Bauwerk und die Frage nach der jüdischen Bildkunst.
St. unterscheidet nach traditioneller Anschauung drei Phasen in der
Entwicklung der Synagoge, obwohl er zugeben muß, daß die Unterscheidung
„kein starres System" sein kann (22). So sind auch die
herangezogenen Kriterien wenig deutlich, und wenn gelegentlich von
Synagogen, die „von außen von ihrer baulichen Struktur her nicht erkennbar
" sind (45), oder von einer „Haussynagoge" (69) die Rede ist,
wird deutlich, daß die Möglichkeiten an benutzten Raumformen vielfältiger
waren. Der öfter gebrauchte Begriff „Basilika" soll wohl Drei-
schiffigkeit bezeichnen. So ist doch eher nach den funktionalen Anforderungen
zu fragen (Vorhof, Gebetsrichtung, Thora-Nische), wobei
die Änderung der Gebetsrichtung vom Eingang auf die Thora-
Nische hin von besonderer Bedeutung zu sein scheint (44).
In der Bilderfrage wird, wie heute oft üblich, betont, daß das Judentum
nicht so bilderfeindlich gewesen sei, wie früher angenommen
wurde, vielmehr erst eine spätere ikonoklastische Reaktion vieles zerstört
habe. Für diese kann dann sogar der christliche Ikonoklasmus in
Anspruch genommen werden, obwohl doch die Zeitgenossen die Verhältnisse
gerade umgekehrt darzustellen versuchten. Ein allgemeiner
Bildbegriff führt hier nicht weiter. Es müßte endlich einmal zwischen
Ornamenten, Tier- und Pflanzendarstellungen, Darstellungen von
Menschen, Kultsymbolen, biblischen Szenen und dem Gottesbild
unterschieden werden. Bei den Christen ging es um das Gottesbild, an
das biblische Szenen und Heilige angeschlossen wurden. Bei den
Juden geht es vor allem um das Tier- und Menschenbild. Als biblische
Szenen können nur das Abrahamsopfer in Beth Alpha, der Einzug in
die Arche in Gerasa, vielleicht Daniel in Naaran und die Szenen in
Dura Europos gelten. Diese Denkmäler sind gewiß seltene Ausnahmen
gewesen, unter denen Dura noch einmal eine Sonderrolle
spielt. Verbreitet war vor allem eine Kultsymbolik (Thora-Schrein,
Menora, Lulab und Etrog, Schofar-Horn), an die sich der Tierkreis
und andere griechisch-römische Motive anschließen konnten, bei
denen zu fragen ist, wieweit sie ihre ursprüngliche Bedeutung noch
beibehalten haben. Umstritten war, ob (in diesem Rahmen) Tier- und
Menschendarstellungen geduldet werden können. Nichts anderes
geben die von St. herangezogenen Texte her. Bei den Christen waren
solche Darstellungen unbestritten. Damit bezieht sich der jüdische
(wie der islamische) „Ikonoklasmus" auf einen völlig anderen Bereich
als der christliche. Dann ist aber auch eine Abhängigkeit voneinander
unwahrscheinlich. Ob dennoch die jüdische Bilderfeindlichkeit nur
Legende ist, bleibt weiterhin zu fragen. Vielleicht ist es doch kein Zufall
, daß Arbeiten wie die von Frey (Biblica 15 [1934] 265-300) und
Strauß(ZnW57[1966] 114-136) im Literaturverzeichnis fehlen.