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Ausgabe:

1991

Spalte:

119-120

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Winton, Alan P.

Titel/Untertitel:

The proverbs of Jesus 1991

Rezensent:

Karrer, Martin

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119

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 2

120

anderen Phasen: "it is for him all one Störy of one person, and he
seems to have been blissfully unaware of the Problems of the relation-
ship of the eternal and preexistent to the incarnate that were so to
exercise later theologians" (188) - eine Sicht von Geschichte und
Mythos, die in der Antike nicht ohne Analogie ist, wie je ein Seitenblick
auf Philo und Plutarch zeigt. Bemerkenswert ist nun aber, daß
bei Paulus nicht nur die irdische Phase der "story of Jesus" in Jesu
Tod am Kreuz „zusammengefaßt und konzentriert" (181) ist, sondern
die ganze story darin ihren "central point" hat: "Christ's identity is
decisively shaped by Jesus' historical existence in poverty and weak-
ness" (178). Die "other-worldly parts of the story" sind "in large
measure projections backwards and forwards of the patterns of actions
and attitudes of the earthly Jesus" (188).

Der Sammelband kann eine neue Monographie zum Thema nicht
ersetzen, die vor allem der Spannung zwischen (hoher) Sachkontinuität
und (wirklich so geringer?) Überlieferungskontinuität noch weiter
nachzugehen hätte. Er bietet indes eine erfreulich konstruktive Diskussion
mit interessanten exegetischen Impulsen auf hohem methodischen
und theologischem Niveau.

Tübingen Karl Theodor Kleinknecht

Winton, Alan P.: The Proverbs of Jesus. Issues of History and
Rhetoric. Sheffield: JSOT 1990. 236 S. 8° = Journal for the Study of
the New Testament. Suppl. Series 35. Lw. £ 25.-.

Seit einiger Zeit wächst das Interesse an den weisheitlichen Zügen in
der Überlieferung der Verkündigung Jesu. W. knüpft daran an. In vorliegender
, unter Betreuung von B. Chilton und nachfolgend D. Hill in
Sheffield entstandener Dissertation (1987; zum Druck 1988 begrenzt
überarbeitet) setzt er einen doppelten Akzent. Zum einen sucht er die
sprachliche Untersuchung der ,,proverbs" in der synoptischen Überlieferung
voranzutreiben (Kap. 2,5; Joh stellt er zurück), zum anderen
die historische Nachfrage weiterzuführen (Kap. 3,4,6).

Der Einführung dient das Kap. 1 über Aspekte der Weisheit in den
synoptischen Evangelien. In dessen Mitte (22IT) stellt W. die Frage der
sozialen Identität: Läßt sich Jesus nach gewichtigen Teilen der Überlieferung
(vgl. auch Josephus, ant. 18,63) als weiser Mann ("Wise
Man") sehen? Für die Antwort ausschlaggebend wäre eine Bestimmung
der sozialen Rolle von Weisheitsträgern im Palästina des 1. Jh.
(25). Doch sieht W. dazu unser sozialgeschichtliches Wissen "extre-
mely limited" (ebd.) und stellt eine Vertiefung zurück.

Sein Interesse richtet W. ab dem Ende des 1. Kap. auf die sprachliche
Analyse der Spruchweisheit nach den Syn., für die er auf
D. Zellers Studie zu den weisheitlichen Mahnsprüchen (1977) zurückgreift
und gewichtig weitergehend literaturwissenschaftliche und
linguistische Literatur fruchtbar macht (in Kap. 2 bes. A. Dundes,
The Structure of the Proverb, in: ders. e. a., The Wisdom of Many
[...}, 1981, 43-64, in Kap. 5 bes. N. R. Norrick, How Proverbs
Mean. Semantic Studies in English Proverbs, 1985). Demnach sind
(nach Dundes) beim Spruch Bild, Botschaft und Formelbau zu
analysieren. Die Grundstruktur verbindet Gegenstand und Stellungnahme
("topic" und "comment"). Wo sie übereinstimmen, entstehen
"Non-oppositional proverbs" (Paradigma „Geschäft ist Geschäft";
ntl. kein reines Beispiel, aber primär von daher bestimmbar Mt 11,8c;
24,28 u. v. a.: 44-47), wo sie kontrastieren, "Oppositional proverbs"
(Paradigma „Bös und Böse wird nicht gut"), letztere linguistisch
unterteilbar in die Kategorien antithetisch widersprechende (z. B.
Mt 5,14b), wegnehmend („privational") widersprechende (Paradigma
„der Mob hat viele Köpfe, aber keine Gehirne"; Jesusüberlieferung
meidet diese Struktur!) und ursächlich („causal") widerspre-
~~ chende (nach W. Mt 23,11; Mk9,35 u.a.) Sprüche, für Jesusüberlieferung
(Gesamtbelege 47-50) noch in weiteren Momenten differenzierbar
(Kontrast-Identifikation-Verbindung Mt 12,30 u.a.). Als
drittes entsteht eine Gruppe mit gemischten Zügen (Mt 12,37;
Mk 4,25 u. a.: 50ff). Da die Form immer wieder komplex ist und eine

Tendenz zu gehobener, teils poetischer Sprache besteht, läßt sich zu
wissenssoziologischen Fragen weiterleiten (bes. 55ff; wiederstellt W.
vertiefte Behandlung zurück).

Die Analyse setzt Kap. 5 fort, nun unter sprachpragmatischem,
performativem Aspekt. Während frühere Sicht den ordnenden Charakter
von Weisheit hervorhob, analysiert W. die Sprüche als nichtdirekte
, gewisse Offenheit gebende Sprechakte (1301T; nach Norrick).
Besonders bewähren sie sich, wo es um die Lösung von Konflikt-,
zugespitzt Doppelbindungssituationen gehe (ntl. 132f: s. den
Sprüchediskurs in Mk 7,24-30 par. aber auch Mk 6,1-6 par). In
zweiter Strategie zielten sie auf den Einbezug der Hörer/Leser in die
Verantwortlichkeit für die Spruchinterpretation (133ff; hierher gehörten
die Worte zum Status - bes. Lk 9,46-48 - und die von Niedrigkeit
und Erhöhung - Lk 14,11 usw. für die W. Eschatologie strikt
zurückdrängt). In solcher Analyse erhalten kontextuelle Faktoren,
Situationen, besonderes Gewicht; daß die Sprüche im NT - oft verschiedene
- Situationen an sich ziehen, erhellt sich (vgl. 138 ff).

Von letzterem Gesichtspunkt aus könnte, bliebe man in der analytischen
Orientierung, die historische Nachfrage einsetzen. Doch wählt
W. für diese einen anderen Ausgangspunkt: Kritik der Forschung. In
Kap. 3 überprüft er die Forschung zu den syn. Weisheitssprüchen, die
bes. nach R. Bultmann Skepsis für deren Zuordnung zum irdischen
Jesus zeigte, um Kap. 4 eine Kritik der historisch-kritischen Prinzipien
(Gewichtung des historischen Hintergrunds - für Jesus bes. der
Apokalyptik -, Unableitbarkeits- und Kohärenzkriterium) anzuschließen
. Die Linie dieser Kap. - kein Kriterium führt zu Sicherheit
des historischen Urteils - könnte zu noch weitergehender Skepsis
führen. Doch Anliegen W.s ist der Umbruch zu neuem Zutrauen, das
die Teile der Jesusüberlieferung unter Zurückdrängung apokylyp-
tischer Eschatologie und Belassen von Inkongruenzen zu einem
Ganzen zu integrieren habe; Jesu Handeln und Reden - samt weisheitlichem
, eine Kontinuität zu alter Weisheit schaffendem Reden -
verbinde vielfältige theozentrische Orientierung (Kap. 6).

W. bricht vor der Ausführung dieses Vorschlags an einer kritischen
Analyse der Texte ab. So werden die forschungskritischen Kap. überlastet
und wird der Umbruch zum neuen Zutrauen nicht abgesichert
. Hier muß die Forschung die Aufgabe also erst noch leisten. W.s
Studie trägt vor allem zur genaueren sprachlichen Analyse der
Spruchüberlieferung Jesu bei.

Wuppertal Martin Karrcr

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Bienert, Wolfgang A., u. Guntram Koch: Kirchengeschichte I -
Christliche Archäologie. Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer
1989. 124 S., 16 Taf. 8'= Grundkurs Theologie, 3. Urban-Taschenbücher
, 423. Kart. DM 20,-.

Die vom Kohlhammer-Verlag hg. Reihe „Grundkurs Theologie"
will einen „allgemeinverständlichen Einblick in die Probleme und
Aufgabenstellungen" bieten, „die sich für die wissenschaftliche Theologie
heute ergeben". Nach diesem Programm sind bei dem anzuzeigenden
Band Kirchengeschichte I (bis 1500) und Christliche Archäologie
in einer Ausgabe vereinigt. Das bedeutet bei der Fülle des sehr
umfangreichen Materials eine Straffung und Kürzung, die dann doch
schon zur Verknappung führt. Es wäre zu fragen, ob nicht, als die auf
10 Bände angelegte Reihe konzipiert wurde, andere theologische Teilbereiche
sich auf Kosten der Kirchengeschichte zu weit ausdehnen
konnten.

Dennoch gelingt es Wolfgang A. Bienert im Großen und Ganzen,
einen guten Überblick über wichtige Probleme zu geben. Er setzt sich
zuerst mit Karl Barths Definition der Kirchengeschichte als einer
„Hilfswissenschaft der Theologie" auseinander und widmet dann
einen ganzen Abschnitt dem Thema, Kirchengeschichte als theolo-