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Ausgabe:

1991

Spalte:

115-117

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Nebe, Gottfried

Titel/Untertitel:

Prophetische Züge im Bilde Jesu bei Lukas 1991

Rezensent:

Ernst, Josef

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 2

116

Hinweis auf Gen. lf beweist doch nichts, weil der entscheidende Vers
(5, 31) generell vom Mann, der die Eltern verläßt, aber nicht speziell
von Adam spricht. 2) Der Sprung zur Gleichung „Kirche = Neue Eva"
ist noch gewagter. Hierfür gibt es weder paulinische noch gar jüdische
Voraussetzungen, weshalb H. Schlier seinerzeit gnostische Hintergründe
anzunehmen empfahl (was vom Autor nicht diskutiert wird).
Ob man diesen Graben mit "theological transfer" überbrücken kann?
3) Vom Kolosserbrief übernehme der Epheserbrief die Haustafel. Ist
damit die Beobachtung abgewertet, daß beide Briefe über die gemein-
hellenistische Haustafel insofern hinausgehen, als sie die Mahnungen
paarweise bündeln, wobei jeweils vom sozial schwächeren Teil ausgegangen
wird? Diese „partnerschaftliche Struktur" kann darauf
aufmerksam machen, daß den Frauen zwar verbal („unterordnen")
mehr abverlangt wird, inhaltlich aber den Männern weitaus Gefährlicheres
, nämlich die Selbstaufopferung des Gekreuzigten! Daß "the
husband's headship ... represents the role of Christ on the cross"
(111) ist demgegenüber eine Verharmlosung.

Das sauber aussehende Heft enthält leider arge Druckfehler: Partikel
erscheinen häufig doppelt, einmal (8, Anm. 9) mehr als eine ganze
Zeile, griechische Buchstaben sind verdruckt (öfter Chi als Kappa);
zweimal (68, Anm. 5; 106, Anm. 9) gibt es den Forscher „Scha-
nackenburg"; das Inhaltsverzeichnis nennt fast nur falsche Seitenzahlen
; die Spitze ist die Literaturangabe: „STAERK, W. Der Erlösererwartung
in den Östichen Regligionen." Muß unsere schnell-
lebige Zeit dazu führen, daß die Umbruchkorrekturen ausfallen?

Borsdorf Gottfried Schille

Nebe, Gottfried: Prophetische Züge im Bilde Jesu bei Lukas. Stuttgart
-Berlin-Köln: Kohlhammer 1989. 302 S. gr. 8° = Beiträge zur
Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, 127. Kart.
DM 64,-.

Daß die Prophetentradition in der lk Christologie eine wichtige
Rolle spielt, ist hinreichend bekannt. Das Problem liegt in der Bestimmung
des Prophetentyps und in der Zuordnung zu den christolo-
gischen bzw. theologisch-heilsgeschichtlichen Leitlinien der lk Redaktion
. Die Bochumer Habilitationsschrift stützt sich bei diesem
Vorhaben auf die Titel verwendung im lk Doppel werk, die natürlich
eine Art Wegweiserfunktion hat, aber als alleiniger Indikator nicht
ausreicht. Das spezifisch Neue des hier vorgelegten Forschungsprogramms
ist die Einbeziehung der Bildreden, speziell der Gleichnis-
und Parabelreden. Die Arbeit gliedert sich gemäß diesem Programm
in die Abschnitte „Jesus als .Prophet' {IJPO<J>HTH£) bei Lukas:
Selbstaussagen Jesu, Äußerungen des Volkes, der Jünger/Apostel
u. ä." (C) und „Prophetische Dimensionen der ,Gleichnis-Parabel-
rede' Jesu (D). Vorausgeschickt ist eine Einleitung „Der Problemhorizont
(A) und „Die Hinführung zur Jesusdarstellung bei Lukas"
(B). Das Werk wird abgeschlossen mit einem Resümee und Ausblick
(E). Wegen des unverhältnismäßig großen Umfangs sei auch noch auf
das Literaturverzeichnis (trotzdem erkennbare Lücken) und das
Register hingewiesen (S. 214-302).

Ich beginne mit dem Abschnitt (C) der Untersuchung, der traditionell
auf die Verwendung des Prophetennamens eingeht. Zur Sprache
kommen die Erzählung von der Ablehnung Jesu in seiner Heimatstadt
(4,16-30), Volksmeinungen über Jesus in Form der Fama und der
Gerüchte (7,16.39; 9,7f.l9), die einen Bezug zu atl. Propheten, zu
Johannes d. T. als dem jüdischen Propheten der Zeitenwende und zu
zeitgenössischen Messias-Prophetenprätendenten implizieren. Einen
Schritt weiter führt die Emmausperikope (24,19-21), welche mit der
Jüngeraussage „ein Prophet mächtig in Tat und Wort" einen Leittext
für das Prophetenverständnis abgibt. Die Texte in den Reden der Apg
(3,22-23; 7,37.52) sind wegen ihrer literarischen, formgeschichtlichen
und redaktionstheologischen Unsicherheit ein besonderes
Problem. Der Vf. kommt nach einer ausgewogenen Analyse zu dem
Ergebnis: Jesus ist für Lk in beiden Reden „der verheißene Mosetyp-

Prophet, der die Heilszeit heraufbringt und insofern auf den Hintergrund
einer eschatologischen Prophetengestalt verweist. . . Diese
Prophetengestalt erfährt auch das Ablehnungsgeschick ... und deutet
zugleich weiter auf den messianischen Vorstellungskreis" (105). Zur
Gesamtkonzeption der lk Prophetenreflexion vermutet der Vf. eine
heilsgeschichtlich konzipierte Staffelung, die dem literarischen Verfahren
der „Blockbildungen" entsprechen soll. Die hiernach konzipierte
Entwicklungslinie vom Messianischen zum Prophetischen über
3,2lf; 4,1 und 4,16ff und dann in Passion und Auferstehung wieder
zurück zum Messianischen (1080 klingt zunächst spitzfindig und
willkürlich. Sie erhält in dem Augenblick einen guten Sinn, wo man
sie dem für Lk typischen Verständnis von Evangelium zuordnet.
Haben wir hier eine Überschneidung judenchristlich-hellenistischer
und hellenistisch-christlicher Modelle der Christologie vorliegen? Ist
Lk der Mann, der das prophetische und das christologische bzw. das
heilsgeschichtliche und das kerygmatische Verkündigungsmodell
zusammengebracht hat? Weiterführende Überlegungen in dieser
Richtung würden sich sicher lohnen.

Im zweiten Hauptteil (D) werden zunächst breit angelegte Hintergrundinformationen
zu Parabel- und Gleichnisdeutung, angefangen
bei A. Jülicher bis hin zu den modernen hermeneutischen Ansätzen,
geboten. Es werden die Beziehungen zwischen den antiken und
modernen Denkhorizonten untersucht - alles im Blick auf die vermuteten
prophetischen Elemente in den lk Parabeln/Gleichnissen.
Nach den für den Laien schwer verständlichen Methodenreflexionen
(116-158) folgt endlich die Sache selbst, d. h. prophetisch bemerkenswerte
Äußerungen Jesu in Form von Gleichnis- und Parabelrede. Die
Einzelanalysen können hier nicht diskutiert werden, ich nenne nur die
entsprechenden Abschnitte und fasse die Auswertung zusammen.
5,33-39 (Bildwort vom Lappen und vom Kleid, neuer Wein, alte
Schläuche); 6,47-49 (Haus auf dem Felsen); 7,31-35 (spielende
Kinder); 8,4-18 (vom Sämann, Sinn der Gleichnisrede, Deutung des
Sämanngleichnisses, Worte vom Hören); 13,18-21 (Basileia-Gleich-
nisse); 20,9-19 (Gleichnis von den bösen Winzern). Obwohl direkte
Beziehungen zur Prophetie nicht so deutlich sind wie bei Mt, bietet Lk
doch Vergleichbares in der für ihn typischen Darstellungsform, d. h.
in der breiten Verteilung über die Blöcke. „Das dürfte nämlich einer
prophetischen Zeichnung Jesu im Rahmen der grundsätzlichen Aussage
von Lk 24,19 entsprechen" (198). Im einzelnen erkennt der Vf.
Bezüge zum Testament-Propheten-Typ, zur atl. Prophetie, zur
apokalyptischen Prophetie, zur charismatischen Weisheits- und
Botenthematik, zu einer geschichtlich deutenden und ankündigenden
Prophetie und zu einem Heilszeit-Propheten-Typ. Das Resümee
bietet interessante Durchblicke und traditionsgeschichtliche Querverbindungen
, die von mk-beeinflußter Messiaschristologie und von
Q angestoßener Prophetenchristologie bis hin zu dem Messias-
Prophetenkomplex bei den Ebioniten (Epiphanius) bzw. zur Prophetenvorstellung
bei PsCl und zu der in der modernen Forschung für Lk
reklamierten "proof from prophecy"-Theologie reichen. Die allgemeine
Auswertung greift sogar tief hinein in die Grundfragen des lk
Eschatologie-, Geschichts- und Evangelienverständnisses. Lk hat - so
wird vermutet - eine sich realisierende Eschatologie bewußt auf den
Zeitraum von Lk 4 bzw. Lk 1 bis zum Ende der Apg beschränkt, um
die geschichtliche Erfüllung endzeitlich-eschatologischen Heils aufzuzeigen
.

Ich fasse zusammen und gebe meinen Eindruck wieder: Am Anfang
stand Skepsis, nach einigen Seiten habe ich mit wachsendem Interesse
weitergelesen und weitgehend (bis auf einige Ausnahmen), die ich hier
nicht nennen will) zugestimmt. Das Buch ist mit allen Vorzügen und
Nachteilen einer wissenschaftlichen SpezialStudie befrachtet. Anerkennung
verdient die spekulative Durchdringung der im Grunde
simplen These. Es werden Zusammenhänge aufgezeigt, auf die der
„normale" Leser so schnell nicht kommt. Man müßte sie unbedingt
weiterverfolgen, vor allem die Anstöße zum Evangelienverständnis.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch Fragwürdiges, so etwa die
mehrfach angedeutete Anspielung auf den Ausbruch des Vesuv