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Ausgabe:

1991

Spalte:

113-114

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kirchschläger, Walter

Titel/Untertitel:

Ehe und Ehescheidung im Neuen Testament 1991

Rezensent:

Schulz, Hansjürgen

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 2

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leuchtend sind die durchgehende Betonung der kyrios-Amede durch deutlich, daß die römisch-katholische Kirche zwar die Weisung Jesu

die Syrophönizierin Mk 7,28 und die daraus gezogenen Folgerungen. bewahrt hat, ihre Lehrüberlieferung aber in der Praxis restriktiv und

Es handelt sich hier wohl kaum um ein Bekenntnis, das dem des eben- starr interpretiert werden kann (90). Die pastorale Praxis jedoch hat

falls heidnischen Hauptmanns Mk 15,39 vergleichbar ist. So steht für die „innere Weite Jesu, seine Grundsätzlichkeit und seine vergebende

Mk wohl auch kaum diese Frau für die Heidenkirche, deren Symbol Liebe zugleich zu vermitteln" und das Defizit zwischen Botschaft und

leiblich ist. gelebter Verwirklichung auf dem Weg eines „dynamischen Vollzuges

Die Behandlung dieses Themas braucht in der Tat keine besondere der Gottesherrschaft"auszuhalten (920- Eine einseitig als Rechts-
Eegitimation (3). Verwunderlich ist eher, daß sich in den Stapeln von Satzung verstandene Botschaft Jesu würde keinen „Bewältigungs"-
Literatur zum Markusevangelium bisher keine monographische Dar- und Freiraum lassen (94). Brautpaare dürfen nicht nur die Rechtsstellung
findet. Als männlicher Rezensent eines Buches im Zu- normen kennenlernen. Geschiedenen ist zu helfen, weil sie „Gottes-
samrnenhang feministischer Theologie sehe ich mich zunächst ent- herrschaft nicht oder eben noch nicht verwirklichen" konnten (96).
lastet als protestantischer Exeget durch den zunehmend römisch- Schlechtes Gewohnheitsrecht der Kirche ist veränderbar. Die Sakra-
katholischen Kontext der Auslegung. Nur historisch verständlich sind mentsunterweisung muß vertieft werden. Die Praxis, Katholiken
m,r applikative Passagen über Hierarchie und Mariologie. Solche durch Sakramentszulassung oder-Verweigerung in zwei Klassen ein-
Distanz schwindet gegenüber dem Anspruch einer historisch- zuteilen, kann sich kaum auf Jesus berufen. Jesus hat „Sünder nicht in
Kritischen Exegese der relevanten Stellen. Die reklamiert im Kontext die zweite Reihe gestellt, sondern mit ihnen Tischgemeinschaft gekatholischer
Theologie eine Legitimation in den Ursprüngen. halten". Darum hat Kirche „heilende Größe" zu sein (102). Die Viel-
Uberaus bedenkenswert sind die grundsätzlichen Bemerkungen der falt neutestamentlicher Gemeindeordnungen könnte ihr nahelegen.

m- zu feministischer Exegese und zur Rolle von Männern und heute auf globale Regelungen zu verzichten (1030-Die klare Weisung

Erauen in den Texten. Vielleicht ist darüber eine Verständigung zu er- Jesu ist zugleich mit der Würde der Betroffenen festzuhalten,

reichen, jedenfalls auf der Ebene historisch reflektierter Interpretation Im Schlußwort regt der Vf. einen interkonfessionellen Lernprozeß

der neutestamentlichen Texte. an. Mit einem knappen Literaturverzeichnis und einem Bibelstellen-

Marburg/L DieterLührmann register schließt das Buch. Seine Grundaussage ist klar und weithin

einleuchtend. Aber die Exegese ist reine Gedankeninterpretation. Die
Untersuchung der sozial-kulturellökonomischen Bildungszusam-

Kirchschläger, Walter: Ehe und Ehescheidung im Neuen Testament. menhänge b.blischen und heutigen Ehe- und Scheidungsverständ-

Uberlegungen und Anfragen zur Praxis der Kirche. Wien: Herold nisses la8 nlcht im Interesse des Autors< ebensowenig die doch auch

1987. 111 S. 8"öS 148,-. durch neutestamentliche Impulse mitbestimmte Emanzipation der

Frauen. Trotz dieser Begrenzungen gibt das Buch Kirchschlägers

E>er Luzerner Neutestamentier möchte Denkanstöße für die Institu- nötige und wichtige Anstöße.

^°n Ehe und für den Umgang der römisch-katholischen Kirche mit Hansjürgen Schul t

eschiedenen und Wiederverheirateten vorschlagen. Um die Ehe sei
es -nicht auf das beste bestellt" (Einführung, 10). Die offiziellen Verlautbarungen
Roms lassen manchen Gesichtspunkt unbedacht. ,„..,. „. , ^ „„ ... . „ „ . , „ „, ,
Darum OPh, „r a■ v u c u u u n in r u Miletic, Stephen, Francis: "One Flesh": Eph. 5.22-24, 5.31. Mar-

<*•um geht es „um die kritische Frage, ob hier schon a e Mog ich- . . .. L, ~ .. D „ CJ-, ■ „ .„ . .

keitpr,» ..... „ na8e and tne New Creation. Roma: Editnce Pontificio Instituto

en erwogen und bedacht sind" (12). BibIico ,9g8 v 136S gr 8- = Anaiecta BibHcai ,,5 üre

^s Eheverständnis Jesu und der jungen Kirche (15-54) wird im 30.000.
Ruckgriff auf Gen 1,26-31; 2,18-24; Ex 20,17; Dt 5,21 und prophetische
Texte an Mk 10,2-12 par, Mt 5,27-32; IKor 7; Rom 7,1-6 und Als Band 115 der Anaiecta Biblica (Rom) erscheint die Dissertation
en Haustafeln in Kol und Eph dargestellt. Ergebnis: Gleichberech- (unter Aufsicht von R. A. Wild, SJ, erarbeitet), deren Gegenstand
6te. mindestends „grundsätzlich gleichwertige Gemeinschaft" der brisant ist: die Unterordnung der Frau unter ihren Ehemann. Für den
artner und die Lebensform der Ehe sind „schon schöpfungs- und in Kanada lebenden Autor ist Ausgangspunkt die Deuteropaulinizität
n'cht erst entwicklungsbedingt" (43). Im NT kommt die Ehelosigkeit des Epheserbriefes (8, Anm. 10). Nach der Darstellung bisheriger
J^m Gottes willen als neue Lebensform dazu. Jesus insistiert auf der Lösungsvorschläge nennt er(l 7ff) die eigene These: Die Mahnung zur
riauflöslichkeit der Ehe „unter dem Anspruch der Verwirklichung Unterordnung (Eph 5, 22ff) sei aus der Christus-Kirche-Relation
er Gottesherrschaft" (46). So ist Ehe für Christen „ein Zeichen gött- V. 31 f abgeleitet. Kap. 2 (25ff) nennt die Phrase „er, der Retter des
^ en Heilswirkens" und darum auf Dauer angelegt (47). Angesichts Leibes" (23c) die Mitte des Textes. Die Unterordnung ist gramma-
r »Schnellebigkeit" in unserer veränderten Situation ist die Vor- tisch von der Kirche abgeleitet; bei den Frauen fehlt zweimal das
reitung von Christen auf die Ehe und die Begleitung bestehender Verb. In paulinischer Tradition (Kap. 3, 47ff) werde eine jüdische
en zu intensivieren. Adam-Spekulation aufgenommen. Kap. 4 (67ff) fragt nach dem Sinn
2. Ehescheidung - Rückfrage-an das Neue Testament (55-88): des Wortes „Haupt (des Leibes)". "Itshouldbe evident thattheauthor
^ ach Darstellung der jüdischen Scheidebrief-Praxis wird an Mt ofEphesians is a masterful theologian, weaving a number of Pauline
1 '~32 und Vergleichstexten herausgearbeitet, daß Jesus kom- themes into the fabric of a New Creation theology based in Pauline
Promißios die „Herzenshärte" als durch Gottesherrschaft der Liebe theological reflections about the eschatological Adam" (86). Hierbei
erholt verkündigt und Scheidung ablehnt (80). Das Eheverständnis gewinne die Kirche aufgrund eines "theological transfer" (94) "the
eibt anspruchsvoll (86). Gleichzeitig zeigt Jesus ein Verhalten der new role as the New Eve". Für die Frauen heißt das: Ihre eheliche
- Vollen Zuwendung zu in Not geratenen Einzelnen (Joh Unterordnung gleicht der geistlichen Unterordnung der Kirche unter
' 11). Diese Spannung zeigt sich auch in den Adaptionen der Christus" is a sign of knowing God's will and of being filled in the
rnpromißlosen Verkündigung Jesu an die verschiedenen Ge- spirit" (100). Durch ihre freiwillige Unterordnung wird die Frau zu
meindesituationen (Mt 5,32a; 19,9; IKor 7,12-16). Angesichts der einem "critical agent in the process of salvation" (110). So werde die
Wenigen konkreten Hinweise auf Ehe- und Scheidungspraxis im NT antike "androcentric" Ordnung von innen her entleert (116), und dies
ann vorsichtig „auf eine vielgestaltige Praxis der Handhabung von könne (so die "Hermeneutical Reflections", 118-120) für die Heilung
risenfällen in der Ehe geschlossen werden" (88). der "dehumanizing elements" auch unserer Tage genutzt werden.
■ Überlegungen und Anfragen (89-105): Der Neutestamentier 121-136 bringen nützliche Register.
d. nn nicr|t mehr als „biblisch abgeleitete ... Denkansätze" anbieten. Einige Fragen bleiben: I) Sieht der Epheserbrief Christus tatsäch-
le handlungsrelevant werden können (89). Wirkungsgeschichtlich ist lieh als „Neuen Adam"? Er verwendet nirgends diese Vokabel! Der