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Ausgabe:

1991

Spalte:

111-113

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Fander, Monika

Titel/Untertitel:

Die Stellung der Frau im Markusevangelium 1991

Rezensent:

Lührmann, Dieter

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 2

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Der 4. Teil („Auslegung von Thr 1 -5"; 99-180) enthält nach Übersetzungen
, Bemerkungen zum Text und Überlegungen zum Aufbau
jedes Klageliedes dessen Einzelauslegung. Die Besonderheit von Thr 1
erkennt der Vf. in dem Gewicht, das auf zwei einander polar entsprechenden
Motiven liegt: dem Ausdruck des Schmerzes mit dem
Leitmotiv der Trostlosigkeit und dem mehrfach wiederkehrenden
Motiv des Schuldbekenntnisses.

Thr 2 finde seine Eigenart darin, daß die Intensität des Redens vom
Zorn Gottes und „dem entgegen die Intensität der Aufforderung zur
Klage so wie hier kaum sonst begegnet, jedenfalls nie beides miteinander
" (136).

Thr 3, literarisch geschickt komponiert aus verschiedenen, ehemals
selbständigen, wenn auch heute fragmentarisch vorliegenden Hauptbestandteilen
(Klage d. E. 1-25, Schluß in 64-66; Klage d. V. 42-51;
Lob d. E. 52-58) enthält mit 26-41 und 59-63 zwei Erweiterungen,
die von demjenigen verfaßt wurden, der 3,1 -66 komponierte und den
Abschnitt 26-41 als dessen Mitte hervorhob. Seine Absicht war es,
eine lange Zeit nach der Katastrophe von 587 zu einer Haltung demütigen
Ausharrens im Leid, zum Erkennen der eigenen Sünde und zur
Umkehr zu Jahwe aufzurufen.

Für Thr 4 ist einmal charakteristisch, daß das Gewicht auf der Wir-
Klage liegt, die nach Menschengruppen gegliedert ist, und damit auf
dem Verlust, dem Leiden und Sterben der Menschen. Zum anderen
begegnet die Einfügung des Berichts von der Gefangennahme des
Königs in 17-20 („Art von Geschichtsschreibung" wie Jer 40-44).

Zu Thr 5 erwägt der Vf., ob nicht ein aus vorexilischer Zeit stammender
Volksklagepsalm hier nach 587 für den Gebrauch in den
Klageliedern um 2-18 und 22 erweitert und dadurch den Threni um
den Fall Jerusalems angeglichen wurde. Das könnte sich darin bestätigen
, daß hier ein verhaltenes Gotteslob zu hören ist und die Bitte um
Gottes helfendes Eingreifen neu gewagt wird.

Der fünfte Teil („Die theologische Bedeutung der Threni";
181-192) basiert in seinen Schlußfolgerungen ausdrücklich auf dem
gesamten Textbestand von Thr 1 -5. Das Zeugnis der Klagelieder liege
folglich auch in ihrer Bezeugung „einer Geschichte der Klage" und
damit zugleich einer „Geschichte des Gebets durch das ganze AT hin"
(189).

Die Gerichtsankündigung der vorexilischen Propheten erfährt nun
in den gottesdienstlichen Klagebegehungen eine Anerkennung durch
den „Rest" des Volkes. Allerdings wird die Geschichte der Volksklage
durch den Eindruck der völligen Vernichtung dahingehend beeinflußt
, daß kein Rückblick auf Gottes früheres Heilshandeln mehr gewagt
wird. Die Kontinuität des Heilshandelns scheint zerbrochen.

Das Mittelstück Thr 3,26-41 tritt hingegen aus der Psalmensprache
und damit aus der Klage heraus. Es mahnt zu geduldigem Tragen des
Leidens, zur Selbstprüfung, zur Umkehr mit Jahwe und belehrt (VV
33-38), wie das Leid des Menschen mit Gottes Wirken vereinbar
sei.

Der Vf. schließt mit einem Ausblick auf Jesu Klage um Jerusalem
(Mt 23,37-39 par), das jüdische Gedenken an die Zerstörung der Stadt
sowie mit einer Anfrage an den Ort der Klage im christlichen Gebet.

Berlin Dieter Vieweger

Neues Testament

Fander, Monika: Die Stellung der Frau im Markusevangelium. Unter
besonderer Berücksichtigung kultur- und religionsgeschichtlicher
Hintergründe. Altenberge: Telos 1989. XI, 395 S. 8" = Münsteraner
Theologische Abhandlungen, 8. Kart. DM 49,80.

Mühsam ist über weite Strecken die Lektüre dieses Buches; eine
Vereinheitlichung in methodischer wie in stilistischer Hinsicht wäre
dringend geboten gewesen. Nach einer kurzen Einleitung werden in
Teil I. alle „Erzählungen von Frauen im Markusevangelium"

(17-180) analysiert, und zwar nach dem etwas starren Schema der
Trennung von Tradition und Redaktion, zumeist mit einer wörtlichen
Rekonstruktion der von Mk aufgenommenen Quelle in deutscher
Übersetzung. Durchsetzt sind diese Analysen mit sehr stark
applikativen Passagen, bei denen mir weithin unklar bleibt, auf
welche Textebene sie sich jeweils beziehen. Methodisch wie stilistisch
wirkt dieser erste Teil unausgeglichen. Von den im späteren Verlauf
der Arbeit relevanten Texten fehlt hier Mk 3,31-35 (vgl. dazu
323-326); Mk 6,17-29 wäre als „Frauengeschichte" ganz anderer Art
doch wohl auch einer kurzen Erwähnung wert gewesen.

Für die Arbeit insgesamt wichtiger ist Teil II. „Die Stellung der
Frau im Urchristentum" (181-383), in dessen erstem Abschnitt
„kultur- und sozialgeschichtliche" Zusammenhänge der vormarkini-
schen Tradition untersucht werden, und zwar zum Menstruationstabu
(182-199) wie zum Verständnis von Ehescheidung als Ehebruch
im Sinne des Dekaloggebotes (200-290). Was F. ausgehend vom Buch
Leviticus und der Mischna für das Menstruationstabu zusammenträgt
, gehört in den Zusammenhang jüdischer Traditionen über Reinheit
bzw. Unreinheit bei Frauen wie Männern; ob man diese von
„magischen" Erklärungen absetzen kann (185), ist wohl eher eine
Frage der Definition. In Mk 5, 25-34 (und den synoptischen Parallelen
) fehlt nun freilich jeder Bezug auf diese Thematik sowie auf
dämonologische Deutungen (vgl. demgegenüber z. B.: Die Heilung
des Aussätzigen, Mk 1,40-45). Ungesichert ist daher die öfters wiederholte
Interpretation von Mk 5,25-34 als Mißachtung der Reinheitsvorschriften
des Gesetzes. Ungleich wichtiger scheint mir angesichts
von 5,26 der S. 195-197 herangezogene Hintergrund in der antiken
Medizin. Das läßt auf eine Entstehung der Geschichte im Horizont
griechischer Traditionen schließen, gerade nicht in Auseinandersetzung
mit dem jüdischen Gesetz.

Zur Frage der Ehescheidung (200-257) hat Bernadette Brooten eine
lebhafte Diskussion entfacht mit ihrer These, im antiken Judentum
sei die Einleitung des Scheidungsverfahrens keineswegs allein den
Männern vorbehalten gewesen. F. stellt die Belege noch einmal zusammen
und ergänzt sie um Ps.-Philo, LibAnt. Meines Erachtens ergibt
sich daraus aber doch nicht mehr, als daß es Ausnahmen von der
Regel gegeben hat. Zu prüfen wäre weiterhin, inwieweit die Texte tatsächlich
juristische Normen zeigen; das jüdische Familienrecht
scheint ein komplexer Zusammenhang zu sein. Mit Recht nimmt F.
aber auf S. 256 Brootens eigentliche Intention auf, daß ein Verbot der
Ehescheidung noch nicht als solches eine besondere Frauenfreundlichkeit
signalisiert.

In dem im wesentlichen Küchler referierenden Abschnitt zum
„Verhältnis zur Sexualität" (257-290) stehen einzelne jüdische Texte
nebeneinander. Das Ergebnis, ein allmählicher Gesinnungswandel
der gesamten Antike, wirkt wenig überzeugend, wenn Plato und
Hippokrates als Zeugen bereits des Endes der Entwicklung genannt
werden (283).

Von der Analyse der Hintergründe lenkt F. dann über zur „Stellung
der Frau in der Jesusbewegung und in den ersten Gemeinden"
(291-340). Wichtig wird hier vor allem die antike Konzeption des
„Hauses". Das leitet über zur Zusammenfassung der Ergebnisse der
Arbeit unter der Überschrift „Redaktion" (341-383). Die ganze Arbeit
hindurch kommt immer wieder Mk 15,41 in den Blick. F. interpretiert
diesen Vers als redaktionell, sieht ihn also nicht als Aussage
über Jüngerinnen Jesu bereits zur Zeit seines Wirkens, sondern als
aktuell in der Gemeinde des Mk, eventuell im Blick auf Martyrien von
Frauen. Unsicher ist ihre Interpretation des „Dienens", das sie zunächst
in der Analyse von Mk 1,29-31 als „Nachfolge" verstanden
hatte, später aber immer mehr differenziert. Es liegt durchaus nahe,
hierin mit Theißen die Versorgung durch Sympathisantinnen zu
sehen; weniger überzeugend scheint mir andererseits ein direkter
christologischer Bezug auf 10,45. 9,35 und 10,43 sowie 10,45 nehmen
doch wohl das Beispiel der „Versorgung" auf, lassen sich nicht systematisieren
auf Nachfolge überhaupt, es sei denn, wie F. es später sieht,
als Neubestimmung unter dem Vorzeichen des Hauses. Weniger ein-