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Ausgabe:

1991

Spalte:

110-111

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Westermann, Claus

Titel/Untertitel:

Die Klagelieder 1991

Rezensent:

Vieweger, Dieter

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 2

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Kap. 4 faßt die „Diskussion der Ergebnisse in Auseinandersetzung wenden ist (vgl. K. Koch, die Propheten I, und C. Hardmeier, Jesaja-

mit Erklärungsversuchen in der Literatur" (185-210) zusammen, gibt forschung im Umbruch, VF 31 /1 [ 1986] 3-31).

a) -,Die Beurteilung von Jesaja 6 in der Literatur" (185-196), b) die Jena j Körner
-Wertung der Lösungsvorschläge anhand der eigenen Ergebnisse"
097-208) und c) „Zusammenfassung und Ausblick" (209-210)an.

D'e Behandlung der „Textstruktur" nach der Wortebene (49-62)

ergibt die Erkenntnis der Einheit des Textes durch ein ausgewogenes Westermanlli claus; Die Klagelieder. Forschungsgeschichte und Aus-

emaitms von Hauptwörtern zu Funktionswörtern (61). Die Lexeme )egurig Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 1990. 192 S. 8 Pb. DM

es Verbs MR lassen die Texteinteilung in verschiedene Rede- 29,80.
abschnitte erkennen. Die Beschreibung der „Wortfügungsebene"

(63-79) gibt Hinweise auf die satzsyntaktischen Funktionen der Der Vf. verbindet seine Auslegung der Klagelieder mit der Ge-
Worterverbindungen und damit auch auf die „Satzebene" (80-100), schichte ihrer Erforschung und stellt sie sogleich im 1. Teil seiner
m der es um die Satzarten, ihre Leistungs- und semantischen Funk- Untersuchung („Totenklage und Klage über den Tod einer Stadt".
'Ionen, die in ihren Verbformationen ausgedrückten Sachverhalte, 15-31) in einen größeren Zusammenhang: den Hinweis auf die
Aspekte und Zeiten geht. Die „Satzfügungsebene" (101-117) bietet Totenklage als ein menschheitliches Phänomen und die kurze Bedas
Gerüst der Erzählhandlung, die in den Redesätzen durch die aus- sprechung der Klage um die Stadt Ur. Dabei bestreitet er die These
gedrückten Zeiten und Zeitverhältnisse gegliedert sind, womit die von H. Jahnow (Das hebräische Leichenlied im Rahmen der Völker-
syntaktische Analyse der Ausdrucksseite des Textes nach Ebenen ge- dichtung; BZAW 36, 1923), die Thr 1; 2; 4 seien abgewandelte Toten-
geben 'st. Die „Syntaktische Synthese" (118-128) ergibt sich aus den klagen. Sie stellen ihrer Struktur nach vielmehr Klagen des Volkes
Beziehungen von vier Textebenen, die in 10 Szenen gegliedert sind, dar, die Motive der Totenklage in sich aufgenommen hätten. Diesen
^je die Einlieft der Struktur der Ausdrucksseite verdeutlichen. Jeweils Schluß legten auch die aufweisbaren Parallelen zwischen den Threni
unfSzenen gehören durch ihre aufgewiesene Kohärenz zusammen. und der Klage über die Stadt Ur aus der ersten Hälfte des 2. Jt. (vgl.
Die ersten fünf Szenen haben ihren thematischen Schwerpunkt in der Kramer, Sumerisches Klagelied über die Zerstörung von Ur) nahe.

'sion mit der Ich-Schilderung. Lokale wie zeitliche Präzisionen ver- Weiterhin folgert der Vf. aus den von ihm aufgezeigten Vergleichpreisen
auf die prophetische Legitimierung. Den Übergang zum 2. Teil punkten zwischen summerischen Klagen über eine zerstörte Stadt
"det die Einbeziehung des Ich-Erzählers - nunmehr passiv - in das (Auflistung S. 28 nach McDaniel, The alleged Sumerian Influence
Geschehen, das vom Dialog bestimmt ist. upon Lamentations, VT 18 [1968] 198 ff) und den davon literarisch
°ie „Struktur der Inhaltsseite" (129-184) läßt die Erzählung in nicht abhängigen Threni: „Es wäre möglich, daß die ersten Erfahrun-
ren einzelnen Stationen als einen planvollen Aufbau erkennen, der gen der Zerstörung von großen Städten ... in manchen Kulturkreisen
0111 dem Aktantenmodell korrespondiert. Die Methode, die die einen so tiefen Eindruck auf die davon Betroffenen machte, daß sie

■teile von innertextlichen Sacherwägungen ableitbar macht, ist not- dem Rang von Urerfahrungen der Menschheit nahekamen . .."

Mendig (196). Bei der Wertung der Lösungsvorschläge fragt die Vfn. Im zweiten Teil („Zur Geschichte der Auslegung"; 32-81) werden

zuerst danach, ob in Jes 6,1-11 wirklich ein Berufungsbericht vorliegt Arbeiten zum Buche Threni um die Jahrhundertwende (Budde;

nach W. Zimmerli ein durch das Wort oder die Theophanie domi- Lohr), aus der Zeit von 1920-1960 (Gunkel; Rudolph; Haller;

nierter). Zusammenhänge wie Unterschiede lassen sich zu 1 Kön 22, Nötscher; Gottwald; Albrektson; Meek; Kraus; Weiser; Dhorme)

~22 aufweisen. Es sind Begründungen in V. 5c und d, erweitert und den Jahren 1961-1985 (Gordis; Cothenet; Plöger; Childs;

urch V. 5e und f. die auf zwei Aussagen zielen: In Israel ist bekannt, Hillers; Albertz; Kaiser; Brandscheidt; Reemi; Boecker; Johnson)

aß Gott nicht ohne Gefahr für das eigene Leben zu sehen ist und daß besprochen. Daraufhin faßt der Vf. die bisherige Forschungsarbeit

esajas Unreinheit und Schuld als „Grundbefindlichkeit der eigenen unter Sachgesichtspunkten zusammen und artikuliert seine Kritik, die

x'stenz wie derjenigen der Volksgemeinschaft erfahren wird" (201). sich besonders nachdrücklich gegen die in der bisherigen Forschung

le Begründungen sind auf die Tatsache der Vision und auf das von ihm ausgemachte Abwertung der Klage (bes. 78-81) zugunsten

c Zeigen müssen des Propheten bezogen. Hinweise für die Be- einer Hervorhebung der Bedeutung des Mittelteils von Thr 3 (VV

j^fungsvision sind das „offizielle Jahresdatum", die „Beistands- und 26-41) als Mitte aller Klagelieder wendet. Das aber entspreche nicht

endungssicherheit" sowie die Ich-Erzählung. Welche Botschaft dem Tatbestand, daß die Threni zum größten Teil Klage seien und

*Urde dem Propheten aufgetragen, da Botenformel und Ankündi- Klage sein wollten.

gUrigsformeI fehlen? Die Vision ist Gerichtsvision, der Verstockungs- Im dritten Teil der Untersuchung („Zur Auslegung der Threni";

Auftrag ist gefälltes Urteil: Vernichtung des Volkes; denn der Prophet 82-98) untermauert der Vf. seine schon in den vorangegangenen

/agt nicht nach dem .Warum", sondern nach dem ,Wie lange' seines Kapiteln artikulierten Überzeugungen und beschreibt die Klagelieder

andelns (205). Die Tilgung der Schuld ist das notwendige Bindeglied nicht als „theologische Literatur", deren Ziel ein „gedanklich-

*w'schen der Vision des Propheten und dem dialogisch gestalteten Be- theologischer Ertrag" ausmache, sondern vielmehr als Klagen an

J^tungshandeln (2050- Es geht nicht um die Sendung zur Übermitt- Gott, entstanden als „Reaktion auf ein Ereignis", die erst mündlich,

ung einer Botschaft, sondern um den zeitlich begrenzten Auftrag an dann schriftlich zu einem Bestandteil der Überlieferung der Nach-

^ s Volk bis zur Vernichtung bzw. der Vollstreckung des Urteils, das geborenen geworden seien. Ausführlich reflektiert er über die Klagen

pS Handeln des Propheten Jesaja - abweichend von dem anderer und ihre Bedeutung für die Gottesbeziehung, den „Sinn der Anklage

""opheten - angegeben wird. Es ist Wahrnehmungshandeln (V. 9) Gottes" im AT (86f; in Situationen, in denen Menschen das Leid, das

ne die Konsequenzen des Verstehens und der Einsicht. Jesaja ist sie betroffen hat, nicht mehr als Wirken Gottes begreifen können) und

^!n<^eutig ein Prophet des Gerichts; denn er soll das Volk reif machen über die Klage im AT. Die äußere Form der Klagelieder als alphabe-

r die Vollstreckung des Urteils Gottes. tische Dichtungen erklärt der Vf. als spätere Formung des Autors, der

Die äußere Form des Berichts ist „Neuschöpfung" des Propheten, die Reaktionen, Gedanken und Empfindungen einer Gemeinschaft.

Se.ln Auftrag ist etwas Neues in der prophetischen Tradition. Die Er- an der er selbst mit seinem Denken und Klagen beteiligt war, auf-

Zahlung ist in ihrer sprachlichen Form darstellend und Fakten berich- schrieb.

d. Der Vfn. geht es in ihrer Dissertation über Jes 6,1-11 um die Den Kern der Sammlung bildeten die sich vielfach nahestehenden

rtifungsvision, nicht um andere Aspekte der Verkündigung Thr 1; 2; 4. Auch Thr 5, dem Klagelied des Volkes vergleichbar, füge

^Jas- sich ihnen gut hinzu. Alle seien im Bereich Juda/Jerusalem zwischen

^Angesichts der jetzigen Forschungslage bedarf das Problem weiterer 587 und 550 entstanden. Allein Thr 3 sei wahrscheinlich spät anzu-

apung. ob die Kategorie „Gericht" so ejndeutig auf Jesaja anzu- setzen.