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Ausgabe:

1991

Spalte:

108-110

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wagner, Renate

Titel/Untertitel:

Textexegese als Strukturanalyse 1991

Rezensent:

Körner, Jutta

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 2

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der Staat als Monarchie mit königlicher Zentralgewalt (67-119) und
die Tempelgemeinde oder der „Tempelstaat" in Israel und die
Diaspora bis 13 5 n. Chr. (120-173), die in den drei Hauptkapiteln des
Taschenbuches behandelt werden. Das Schlußkapitel „Der neue
Himmel und die neue Erde - Gottes alternative Gesellschaft" (174f>
faßt Suche und Scheitern nochmals zusammen und betont, daß die
Geschichte Israels sich jetzt gabelt in die Geschichte des Judentums
einerseits, in dem hauptsächlich die pharisäische Richtung überlebte,
und in die Geschichte der Jesusbewegung in den christlichen Gemeinden
andererseits. Ein Kapitel „Der Ausgangspunkt" (17-31) beschreibt
davor den Hintergrund des Geschehens, das Eingebundensein
Israels in Religion und Gesellschaft im Alten Orient und die politische
Situation in Syrien-Palästina in der 2. Hälfte des 2. Jahrtausends
v. Chr. Hier werden auch die Quellen für eine Geschichte Israels besprochen
: außerbiblische Urkunden, (stumme) materielle Überreste,
die durch die Archäologie aufbereitet werden, palästinensische Ortsnamen
und die „Bibel als Sammlung alter griechisch orientierter Erzählungen
und Nachrichten" (26) sowie die Notwendigkeit deren
methodisch kontrollierter Auswertung, auch für die Bibel als Geschichtsquelle
. Für letztere gilt dann, daß sie eine doppelte Information
bereithält: „zunächst einmal die Berichte über die Welt der Vergangenheit
, dann aber auch über die Erfahrungen der Jetzt-Zeit" (30),
d. h. über die Zeit der Entstehung der Texte. Gedacht ist das Büchlein
für den großen Kreis der interessierten Bibelleser.

Zu den einzelnen Abschnitten werden ihnen Bibelkapitel angegeben
, die von den entsprechenden Ereignissen berichten oder sich auf
sie beziehen: Außerdem finden sich weitere bibelkundliche Hilfen zu
den verschiedenen „Geschichtswerken" (29) sowie zu überlieferungsgeschichtlichen
Problemen (45). Für diesen Leserkreis hilfreich
ist auch, daß den einzelnen Geschichtsabschnitten in einem Kasten
Namen und Daten der jeweiligen Herrscher sowie die Namen der zu
jener Zeit wirkenden Propheten vorangestellt werden. Natürlich kann
das erste Kapitel: Israel als Stämmegesellschaft (vor 1000 v. Chr.) im
wesentlichen nur die Gesellschaft und die Entwicklung der Jahweverehrung
und religiösen Institutionen der Frühzeit beschreiben. Aber
auch in den beiden anderen Kapiteln, die die politische Geschichte
nachzeichnen, sind immer wieder Abschnitte eingestreut, die die gesellschaftlichen
Veränderungen darstellen: Umbruch zur Monarchie
und soziale Veränderungen (81-89); Prophetie in israel: Staats- und
Sozialkritik (102-106); die theologische Bewältigung des Exils
(125-139). Acht einfache, aber informative Karten sind in den Text
eingestreut. (Allerdings fragt man sich, warum die Karte „Ausbreitung
des Christentums" (163) beigegeben ist, passender wäre vielleicht
eine Karte, die die Schwerpunkte der jüdischen Besiedlung in der
Diaspora zeigt.) Ausgewählte deutschsprachige Literatur, eine Zeittafel
, ein Bibelstellenverzeichnis sowie ein Namen- und Sachregister
beschließen das Büchlein.

Es ist wirklich erstaunlich, wie auf knappem Raum und in kurzen
Abschnitten die Fülle an Stoff - wie N. Lohfink zu Recht in seiner
Einleitung bemerkt - wissenschaftlich zuverlässig verarbeitet und gut
lesbar niedergeschrieben ist. Wegen dieser Kürze und Knappheit wäre
eine Kritik an Einzelheiten unfair, da der Autor seine Darstellung
nicht begründen konnte. (Es gibt keine Anmerkungen.) So können
hier nur ein paar Tendenzen aufgezeigt werden.

Für die Frühgeschichte Israels gibt der Vf. den neuesten Stand der
Forschung wieder, verarbeitet N. K. Gottwald, C. H. J. de Geus sowie
N. P. Lemche und folgt in seiner Darstellung den Arbeiten von N.
Lohfink, H. Engel und H.-W. Jüngling in: Bibel und Kirche 38, 1983.
Daß auch hier sich schon manches wieder geändert hat, so z. B. die
Beurteilung der Bedeutung von Eisenwerkzeugen und wasserdichten
Zisternen oder das Verhältnis von Stadt und Land (37), muß man
nachsehen. Die Darstellung der Stämmeverfassung nach dem sehr
schematischen Gottwaldschen Muster ist in dieser Kürze aber wenig
hilfreich. Nach diesem progressiven Einstieg ist es erstaunlich, wie
konservativ der Vf. mit der Urkundenhypothese umgeht, wie wenig
hinterfragt ihm J und E (JE) sind. Trotz der intensiven Dtr-Forschung,

auch von katholischer Seite, erscheint dem Vf. Salomo noch in all
seiner Pracht und Herrlichkeit als Vorreiter der Künste und Wissenschaften
(750- Auffällig ist auch, daß der Vf. an der Altschen These
vom dynastischen Königtum in Juda und dem charismatischen im
Nordreich festhält, obwohl nicht erst seit H. C. Schmitt, Elisa, 1972,
an dieser These kaum noch festgehalten werden kann. Ob der Grabfund
von Jerusalem aus dem 7. Jh. v. Chr. (136)-zwei Silberplättchen
mit Teilen des Priestersegens von Num 6,44 ff- wirklich die damalige
Geltung des priesterlichen Gesetzes belegt, ist auch sehr fraglich, da
Ansätze für'die Formulierung bereits 100 Jahre früher in Kuntillet
Ajrud belegt sind.

Die kurze und knappe Darstellung führt allerdings auch dazu, daß
manche Formulierung dann doch zu kurz und daher mißverständlich
oder verwirrend ist, so z. B. die Behauptung, daß Elija nach 1 Kön 18
ein auf dem Karmel befindliches Jahweheiligtum wiederhergestellt
habe. Oder: es ist nicht sofort klar, daß es sich bei Jakobus einmal um
den Herrenbruder (167), das andere Mal um den Sohn des Zebedäus
(169) handelt. - N. Lohfink erörtert in seiner Einleitung kurz die
Frage, ob auch ein treuer Bibelleser Bücher mit einer kritischen Geschichte
Israels braucht, und meint, daß das Büchlein von S. Bork
„sich jener .Geschichte Israels', die sich ein Bibelleser wünschen muß,
erfreulich annähert" (11). Dem beipflichtend wünscht man dem Buch
eine weite Verbreitung.

Marburg Diethelm Conrad

Wagner, Renate: Textexegese als Strukturanalyse. Sprachwissenschaftliche
Methode zur Erschließung althebräischer Texte am Beispiel
des Visionsberichtes Jes 6,1-11. St. Ottilien: EOS 1989. IX,
228 S. 8° = Münchener Universitätsschriften. Arbeiten zu Text und
Sprache im Alten Testament, 32. Kart. DM 45,-.

Die vorligende Arbeit wurde von der Phil. Fak. der Rheinisch-
Westfälischen Technischen Hochschule Aachen als Dissertation (vermittelt
durch Prof. J. Floß) angenommen, die auf den literaturtheoretischen
, methodologischen, grammatischen Arbeiten von Prof. W.
Richter basiert.

Dem Vorwort (V) folgt das Inhaltsverzeichnis (VII—IX), am Schluß
sind vier Verzeichnisse (211-222) - „Abkürzungen textkritischer
Termini", „grammatischer Termini", „zum Literaturverzeichnis" sowie
das „Literaturverzeichnis" selbst und drei Register (223-228)
über „Autoren", (Bibel)„Stellen" und „der hebräischen Wörter" (in
Umschrift) angefügt.

Die „Einleitung" (1-2) gibt die Begründung für die vorliegende Arbeit
angesichts der häufigen Untersuchungen zu Jesaja 6 an, die jedoch
„keine Einigkeit" in grundlegenden „Aussagen über den Visionsbericht
" (1) ergeben, vielmehr divergierende Meinungen und Grundsatzdiskussionen
über den Propheten Jesaja und seine Verkündigung
darstellen, die eine erneute Beschäftigung rechtfertigen.

„In erster Linie (wird) eine Arbeit am Text angestrebt und nicht
eine solche, die über den Text hinweggeht. Die Methode ergibt sich
aus der Überlegung .... daß . . . nur der schriftlich fixierte Text vorliegt
" (2). Die „Beschreibung des zu untersuchenden Textes" erlaubt
„ein Nachvollziehen der Ergebnisse" und objektiviert „die Kriterien
für die Entscheidungen". Durch die „Beschreibung der Elemente
seiner Ausdrucksseite und"... „der möglichen Funktionen kann"...
„dann auf den Inhalt geschlossen werden" (2).

Das 2. Kap. „Sprach-, Literatur- und Textwissenschaft als Bezugs-
feid für Texte" (3-30) beschreibt die „kognitiv orientierte Analyse"
wie „die sprachwissenschaftlich orientierte Analyse von Texten nach
Richter".

Den Hauptteil der Arbeit enthält Kap. 3 „Analyse der Textstruktur
Jes 6,1-11" (31-184), das sich in die „Struktur der Ausdrucksseite"
(31 - 128)- mit einem Exkurs „Zum Dual im Hebräischen" (75 - 79)
- und in die „Struktur der Inhaltsseite" (129-184) gliedert.