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Ausgabe:

1991

Spalte:

75-76

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Wittig, Andreas Michael

Titel/Untertitel:

Die orthodoxe Kirche in Griechenland 1991

Rezensent:

Döpmann, Hans-Dieter

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Seite 1

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7?

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 1

76

Apostolische Orthodoxe Kirche deutlich abweicht. Gelegentlich werden
ihre Anhänger sogar als „Altgläubige" (113) bezeichnet, wobei unklar
ist, wie der Autor zu dieser Bezeichnung kommt. Insgesamt wird
ein durchgehend negatives Bild der Armenisch Apostolischen Kirche
gezeichnet als einer geistlich erstarrten, ja toten Kirche, deren Klerus
den evangelischen deutschen Hilfsbemühungen weitgehend ablehnend
gegenüberstand. Gelegentlich tritt auch schlichte Unkenntnis des armenischen
Ritus zutage, wenn z. B. von einer durch die armenische Geistlichkeit
befürchteten „Vernachlässigung der Bilderverehrung" die Rede
ist (20). Hier fehlt eine aus heutiger ökumenischer Sicht dringend notwendige
kritische Distanz zu den zeitgenössischen Darstellungen evan-
geliumsbewegterChristen, auf denen das hier gezeichnete Bild beruht.

Aufmerksamen Leserinnen wird nicht entgehen, daß der Vf. in
seiner Untersuchung die Begriffe „evangelisches Deutschland" und
„christliches Deutschland" bisweilen synonym verwendet. Zwar finden
hie und da auch Reaktionen katholischer Christen Erwähnung,
doch geschieht dies nur am Rande. Da diese Thematik ebensowenig
wie die Haltung des jüdischen Deutschlands Thema dieser Untersuchung
ist, sei hier auch nur am Rande auf den - wohl unbedachten -
Gebrauch verschiedener Begrifflichkeiten verwiesen. Da es ja selbst
unter den evangelischen Christen jener Zeit nur eine sehr beschränkte
Zahl gab, die die aufopferungsvolle Hilfsarbeit mittrug, es jedoch bis
heute eine erschreckend große Zahl evangelischer deutscher Christen
gibt, die nicht einmal von den Ereignissen der damaligen Zeit Kenntnis
hat, sei hier nur im Zusammenhang einer solchen Darstellung für
mehr Fingerspitzengefühl in sprachlichen Wendungen plädiert.

Insgesamt sollen diese kritischen Bemerkungen allerdings nicht das
Verdienst des Autors schmälern, diese äußerst diffizile Problematik
einer wissenschaftlichen Öffentlichkeit ins Gedächtnis gebracht zu
haben. Es bleibt zu hoffen, daß dieser Thematik weitere Untersuchungen
gewidmet werden.

Halle Friederike Stockmann-Köckert

Wittig, Andreas Michael: Die orthodoxe Kirche in Griechenland. Ihre
Beziehung zum Staat gemäß der Theorie und der Entwicklung von
1821-1977. Würzburg: Augustinus-Verlag 1987. 191 S. 8'= Das
östliche Christentum, N. F. 37. Kart. DM48,-.

Die Untersuchung des Augustinerpaters ist Ergebnis eines vom
Ökumenischen Patriarchat gewährten zweijährigen Studienaufenthalts
in Griechenland. Sie stützt sich auf eine zielgerichtete Auswertung
der in griechischer Sprache vorliegenden Fachliteratur.

Mit dem Aufstand der Griechen gegen die Türken von 1821 entstand
ein selbständiger Staat Griechenland, dessen Kirche das Ökumenische
Patriarchat 1850 die - faktisch bereits bestehende - Autokephalie zuerkannte
. Die Arbeit befaßt sich mit den unterschiedlichen Lösungen für
die kirchliche Zugehörigkeit der in fünf Phasen zu Griechenland gekommenen
Gebiete. Insbesondere aber fragt sie nach dem Zusammenleben
der Orthodoxen Kirche mit dem griechischen Staat: ob und inwieweit
die Vorstellung der „Synallilie". des engen Miteinanders von Kirche
und Staat, der tatsächlichen Entwicklung entsprach.

Kap. 1 (13-47) beschreibt die Entstehung des heutigen griechischen
Staates. Kap. 2 (48-74) befaßt sich mit den von AT, NT, den Kirchenvätern
, den Kanones und dem Beispiel von Byzanz ausgehenden
theoretischen Vorstellungen griechischer Theologen vom Verhältnis
von Kirche und Staat. Kap. 3 (75-115) schildert, wie sich dieses in
den Verfassungen des Staates und den Grundordnungen der Kirche
von Griechenland widerspiegelt. In Kap. 4 (116-136) wird durch
konkrete Beispiele illustriert, welche Unklarheiten bzw. Unterschiede
zwischen den Gesetzestexten und der Umsetzung in die Wirklichkeit
zu erkennen sind. Das kurze Kap. 5 (137-140) faßt die Ergebnisse
zusammen, in denen sich die vorliegende Untersuchung von den griechischen
und anderen Arbeiten unterscheidet.

Im Osmanischen Reich war die Orthodoxe Kirche für die Griechen
Hüterin ihrer nationalen Identität. Doch betont der Vf. die unterschiedlichen
Interessen der kirchlichen und weltlichen Stände und
Schichten. Da manche von ihnen zu Mitträgern und Stützen des
Osmanischen Reiches wurden, läßt sich der Aufstand von 1821 nicht
schlechthin als „Kampf des Kreuzes gegen den Halbmond" bezeichnen
. Er wurde besonders von den einfachen Geistlichen und jenen
Teilen des griechischen Volkes getragen, auf denen die größten Lasten
lagen. Auch wollten z. B. die katholischen Griechen nicht durch den
Aufstand die Unterstützung durch die französische Schutzmacht verlieren
. Rußlands Forderung, der im selbständigen Staat zu installierende
Monarch müsse orthodox sein, wurde von den Griechen als
Einflußnahme abgelehnt.

Der Versuch griechischer Systematiker, aus der Theologie im allgemeinen
und der Ekklesiologie im besonderen den Bezug der beiden
gott-gesetzten Größen Kirche und Staat exakt zu erfassen, ist nicht
gelungen. Entsprechendes gilt für die rechtlichen Bestimmungen.
Nach der mit dem Aufstand verbundenen Loslösung vom Patriarchat
baten griechische Bischöfe die politische Gewalt, die Organisation des
kirchlichen Lebens in die Hand zu nehmen. Nur wenn die Hierarchie
einig und die Regierung schwach war, konnte die Kirche ihre Angelegenheiten
eigenständig regeln. Erst die Grundordnungen von 1943
und 1977 erlauben, von „der Möglichkeit zur Synallilie" zu sprechen.
Es zeigt sich, daß mit der Synallilie eine Idealvorstellung bezeichnet
werden kann, nicht aber ein fest umrissenes System.

Da sich der Vf. auf die griechische Literatur beschränkt, bleiben
manche Momente unberücksichtigt. So hätte erwähnt werden können
, daß die Phanarioten ihre begünstigte Stellung im Osmanischen
Reich zur Gräzisierung der Bulgaren mißbrauchten. Und bei den
S. 17 erwähnten Janitscharen handelte es sich keineswegs nur um
Griechen. Doch insgesamt erweist sich die Monographie als ein
brauchbares Arbeitsmatcrial für die Beschäftigung mit der Orthodoxen
Kirche Griechenlands.

Berlin Hans-Dieter Döpmann

Von Personen

Bibliographie Ernst Rüdiger Kiesow
zum 65. Geburtstag am 9.1.1991

(zusammengestellt von Franz-Heinrich Beyer, Kavelstorf)

I. Selbständig erschienene Schriften

/ Dialektisches Denken und Reden in der Predigt. An Beispielen aus der
Predigtliteratur untersucht. Inauguraldissertation. Theol. Fakultät der
Humboldt-Universität Berlin, 1955 (Maschinenschrift).

2 dass. in überarbeiteter Form gedruckt. Berlin 1957.

3 Katholizismus und Protestantismus in der Sicht C. G. Jungs. Habilitationsschrift
, Theol. Fakultät der Humboldt-Universität Berlin, 1962 (Maschinenschrift
).

II. Aufsätze und Beiträge

4 Der Protestantismus in der Sicht C. G. Jungs. MPTh 47 (1958)
445-450.

5 Das Vaterproblem in der Biographic Friedrich Rittelmeyers. In: Kiesow.
E.-R. u. J. Scharfenberg (Hg.): Forschung und Erfahrung im Dienst der Seelsorge
. (FS Otto Haendler), Berlin (EVA) und Göttingen (V & R) 1960.
114-128.

6 Bemerkungen zu C. G. Jungs Selbstdarstellung. WzM 17 (1965)
146-150.

7 Bericht über das Studium der Praktischen Theologie. ZdZ 21 (1967)
427-431.

8 Zur Theologie und Praxis der Seelsorge. In: Kulicke. G. u.a. (Hg):
Bericht von der Theologie. Berlin 1971,302-321.

9 Autorität und Tradition in Gottesdienst und Seelsorge. ThLZ 97 (1972)
706 f.

10 Gottesdienst zur Eheschließung. ZdZ 27 (1973) 378-381.

// Taufe und kirchliche Mitgliedschaft. In: Schott. E. (Hg.): Taufe und neue
Existenz. Berlin 1973, 149-158.

12 Methodische Einführung und Modell I zur „Handreichung zur seelsorger-
lichcn Gcsprächsführung. In: Amtsblatt der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens.
Dresden 1974, 19, B 71 f und 20, B 74-B 76.

IS Evangelium und Religion bei den Kasualien. WZ(G). GS 24 (1975)
213-217.