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Ausgabe:

1991

Spalte:

948-949

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Ökumenische Perspektiven theologischer Ausbildung 1991

Rezensent:

Krüger, Hanfried

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 12

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Als Newman dann am Ende eines langen Weges zur römisch-
katholischen Kirche übertrat, da war das eine große Erschütterung
für die Oxford Bewegung, aber sie überlebte, weil sein Weggang
die Kernpunkte der Bewegung nicht betraf.

„Das Schwinden des Einflusses in der Lehre wurde nicht verursacht
, weil die Lehrer den Glauben an ihre eigenen Lehren verloren
. Es wurde verursacht durch das Auftauchen neuer Sterne
am Firmament christlicher Theologie - die neuen Wissenschaften
, Darwin, die neue Geschichtswissenschaft, die Bibelkritik."
(56)

Die Bewältigung dieser Aufgaben gelang noch nicht den ersten
Schülern der Traktarianer. Aber in der zweiten und dritten Generation
kam es zu einer Öffnung, die Chadwick so umreißt: „Obwohl
sie nicht länger die Bibel für inspiriert im alten Sinne
hielten, schauten sie doch danach aus, das Wort Gottes in der
Bibel zu finden. Obwohl sie die alte und ungeteilte Kirche nicht
länger für irrtumslos hielten, glaubten sie dennoch an ihre Autorität
. Obwohl sie nicht länger Kebles Definition der Lehre von
der Tradition annehmen konnten, hielten sie es für den christlichen
Glauben für notwendig, das Neue Testament als ein Dokument
oder Dokumente, adressiert von Glaube zu Glaube, dem
Glauben der ersten Christen, zu betrachten." (51)

Zusammenfassend sagt Chadwick über den „Einfluß der
Oxford" Bewegung: „Die Oxford Bewegung veränderte das
äußere Gesicht und den inneren Geist des englischen religiöse
Lebens. Sie war erfolgreich, weit über die Erwartungen vieler
hinaus, die Atmosphäre der englischen Frömmigkeit umzuformen
, den Inhalt des englischen Gebetslebens zu vertiefen,
die Augen der Engländer emporzuheben, nicht nur zu ihrer
eigenen insularen Tradition, sondern zu den Schätzen der
katholischen Jahrhunderte, der alten und der modernen."
(49)

Die anderen vierzehn Artikel, von unterschiedlicher Länge,
bringen wertvolle Ergänzungen, geben Aufschlüsse über führende
Männer der Bewegung wie Keble, Pusey, Liddon, Newman
oder die ersten Darstellungen der Oxford Bewegung. Für die
Kenner und Freunde Newmans ist ein Porträt des Mannes besonders
interessant, dessen Angriff auf seine Redlichkeit die „ Apolo-
gia pro vita sua" auslöste: „Charles Kingsley in Cambridge."
(105-134)

Die schon im ersten Kapitel auffallende Formulierungskunst
des Autors hält sich bis zum Schluß durch und gewinnt in Abschnitt
15 „Katholizismus" noch einmal einen Höhepunkt
(307-18). Aus dem Axiom „Ein ,Katholischer Geist' ist ein
Christlicher Geist mit einem Sinn für Christliche Geschichte"
leitet Chadwick diese Folgerungen ab:

1. „Ökumenismus" im landläufigen Sinne des Wortes und
„Katholizismus" sind nicht dasselbe. „Die Welt um uns herum
kann schwer verstehen, warum es für Christen nicht einfach ist,
sich zu vereinigen. Sie denkt, alles was man braucht, ist ein bißchen
Geben und Nehmen: gib eine Glaubenslehre hier und nimm
eine Glaubenslehre dort. Glaubenslehren aber sind nicht von dieser
Art, noch ist es der Glaube. Ein Mensch empfängt seinen
Glauben als eine Verbindung von .Assoziation und Kommunion
'." (308) „Das Wort .Ökumenismus' legt etwas Zeitgenössisches
nahe, das Wort,Katholisch' etwas Geschichtliches ... Eine
Kirche kann nicht so einfach Glaubensformeln bewußt und öffentlich
aufgeben, die so eng mit profunden Momenten in ihrem
religiösen Leben und Ihrer Entwicklung verbunden sind. Kirchen
können ihrer eigenen Vergangenheit nicht den Rücken zuwenden
. "(312)

2. „.Katholizismus' kann nicht an ein .religionsloses Christentum
' glauben und ,katholisch' bleiben." Als ein Vierteljahrhundert
nach Newman eine Gruppe von Anglikanern. darunter Michael
Ramsey, der spätere Erzbischof von Canterbury, eine
Schrift „Katholizität" veröffentlichten, stehen sie in seiner

Nachfolge." Katholizismus sieht die ganze Welt als Gottes v
und als sein Licht widerspiegelnd." (214)

Berlin Josef Mann

Engel, Lothar, u. Dietrich Werner [Hg.]: Ökumenische Perspektiven
theologischer Ausbildung. Frankfurt/M.: Lembeck 1990-
231 S. 8° = Beiheft zur Ökumenischen Rundschau. 60. Kart-
DM 28,-.

Die in diesem Heft vereinten mehr als zwanzig verschiedenartigen
Aufsätze, Dokumente und Erfahrungsberichte wolle"
daran erinnern und veranschaulichen, daß die Reform theologischer
Ausbildung aufs engste mit der ökumenischen Erneuerung
der Kirchen insgesamt verknüpft ist und darum nur unter „ökumenischen
Perspektiven" geschehen kann und darf.

Freilich: „Im Gegensatz zur intensiven Reformdebatte in den
sechziger und siebziger Jahren ist es gegenwärtig relativ still geworden
um die Fragen kontinuierlicher Reform theologischer
Ausbildung" (130). Doch heißt es im Vorwort von Konrad Ral"
ser, daß zum jetzigen Zeitpunkt „die Ausrichtung theologischer
Ausbildung auch in den evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik
Deutschland neu ins Gespräch gekommen ist" (5).

Wesentliche Anstöße für das vorgegebene Thema gingen
der gemeinsam vom Programm für Theologische Ausbildung des
Ökumenischen Rates der Kirchen, vom Evangelischen Studienwerk
Villigst und von der Evangelischen Akademie Iserlohn
1987 durchgeführten Tagung aus, die „den Zusammenhang zwischen
ökumenischer Erneuerung der Kirche und Ausbildungsreform
" untersuchte. Die dort erarbeiteten Thesen „Pia desideria
oecumenica" (130-141) bilden sozusagen den Kristallisationspunkt
für die vielfältigen Texte und Beiträge dieses Heftes V» ie
verschieden auch die Ansatzpunkte und Ausgangssituationen.
Konzepte und Bewertungen - nicht zuletzt im Blick auf die deutschen
Kirchen - sein mögen, so gibt Dietrich Werner als einer der
Herausgeber sicherlich die generelle Tendenz dieser Veröffentlichung
wieder: „... die Aufgabe, theologische Ausbildung auf eine
ökumenische Zukunft der Kirche auszurichten, bleibt dringend
und als vorrangige Aufgabe für die neunziger Jahre bestehen"
(68).

Dafür erschien es geboten - so der andere Hg. Lothar Engel -•
„auch Erfahrungen und Anstöße aufzunehmen, die Fachleute in
anderen Teilen der Ökumene gemacht bzw. weitergegeben
haben." Es gehe zunächst darum, „auf die Bandbreite solcher
Anstöße aufmerksam zu machen", „die oft verstreut und für
deutschsprachige Leser nicht direkt erreichbar sind" (6).

Indes: „Ein abgeschlossenes Konzept darüber vorzulegen, wie
die in den Texten angesprochene Erneuerung bei uns auszusehen
hätte, war nicht die Absicht dieser Veröffentlichung", sondern
ihr „wesentliches Ziel" sei, „das Gespräch über die Erneuerung
theologischer Ausbildung bei uns anzuregen " (10).

Die Untersuchung gliedert sich in drei Teile. Nach dem Vorwort
(Konrad Raiser) und der „Einführung in die Thematik"
(Lothar Engel) werden im ersten Teil (12-72) in fünf Artikeln
„Ökumenische Herausforderungen" dargestellt (darunter drei
von deutschen Autoren), zentriert um die grenzüberschreitenden
Studien des Programms für Theologische Ausbildung" (PTE) des
Ork und die seit 1965 von Kirche und Theologie im Raum der
EKD geleistete Arbeit der „Gemischten Kommission zur Reform
der Theologischen Ausbildung".

Besonders hervorgehoben sei die eine umfassende historische
und systematische Übersicht bietende Abhandlung von Dietrich
Werner „Theologische Ausbildung für eine ökumenische Zukunft
der Kirche. Hauptmotive in der deutschen und ökumenischen
Diskussion über theologische Ausbildung" (45-72). Hier