Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1991

Spalte:

942-944

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Grimm, Benno

Titel/Untertitel:

Die Ehelehre des Magister Honorius 1991

Rezensent:

Stein, Albert

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

941

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 12

942

,Cn messe dieser Arbeit auch deshalb erhebliche Bedeutung zu, Fazit: „ In seiner höchsten Form ist das Charisma (.Urcharisma')

eil das Thema auf der Grundlage einer aktuellen Erfahrung be- eine besondere Gabe des heiligen Geistes, welche Gläubigen

( ""eben wird, die die katholische Kirche mit anderen Kirchen jeden Standes gespendet wird, um sie durch eine besondere Weise

? • u"d die in allen betroffenen Kirchen gravierende Auswir- der .sequela Christi' geeigneter und bereiter zu machen, die

u"gen auf das jeweils geltende Recht und die in Geltung ste- kirchliche .communio-, die auf dem Gotteswort und den Sakra-

ende Verfassung auslöst. Denn es ist für jede Kirche eine offene menten gründet, aufzubauen, indem sie ein beispielhaftes pro-

""d zugleich sehr schwierig zu beantwortende Frage, sie sie mit phetisches Zeichen für die Kirche darstellen." (210; vgl. auch

Regungen und Vereinigungen umgeht, die auf ihrem Boden 108)
"'stehen. Kirchen erfahren dieses Phänomen, weil der Geist Diese Erkenntnis zieht die Rechtserheblichkeit von Charis-
- bläst, wo er will", (Jh 3,8). men nach sich und löst den konstruierten Widerspruch zwischen
Der Autor beschreibt die Ausgangssituation für sein Werk mit Charisma und Recht in spannungsgelade Korrelationen auf.
rastischen Worten: „Während beinahe überall die neuen kirch- Denn auch heute wird das Recht in der Kirche als etwas Negativen
Bewegungen - wie dies bereits bei den alten Orden und an- ves empfunden. (Vgl. 115) Außerdem steht jede Kirche stets in
eren religiösen und laikalen Bewegungen der Fall gewesen ist - der Gefahr, die Auswirkungen von Charismen auf ihr Recht und
hSufig als Störfaktoren in den verschiedenen Teilkirchen be- ihre Ordnung zu blockieren. (Vgl. 1130 Die Verrechtlichung
/achtet werden - und zwar nicht nur von Pfarrern und Bischö- einer institutionalisierten Kirche kann schrittweise nur dann
en- sondern auch und vor allem von journalistischen und politi- überwunden werden, wenn sie sich selbst nicht nur als hierar-
Schen Zentren, welche die herrschende laizistische Kultur chisch verfaßte Institution begreift, sondern als Werk Gottes, das
Propagieren-, hat die siebente ordentliche Generalversammlung durch das Wehen des heiligen Geistes permanent umgestaltet
er Bischofssynode die kirchlichen Bewegungen offiziell gebil- wird. In diesem dynamischen Gestaltungsprozeß von Kirche ist
■8t- Dadurch werden sie als gleichwertig mit den anderen schon und bleibt das Charisma ein konstitutives Element der Gemein-
^'stierenden Formen des gemeinschaftlichen Lebens in der Kir- schaft der Gläubigen. Unter dieser geistlichen Voraussetzung
c"e anerkannt. "(17) Und am Ende des 2. Kapitels hebt er noch braucht auch die katholische Kirche keine Angst vor neu entste-
e'nmal hervor: „Die kirchliche Autorität, und besonders der Bi- henden Gemeinschaften zu haben. Sie sind eine Bereicherung für
Vof. hat nicht nur die Pflicht, die Echtheit des Charismas zu be- die Kirche als „communitas fidelium". (Vgl. 252ff)
Uneilen. sondern auch und vor allem die, es nicht auszulöschen. Das Verfassungsrecht geht heute ganz andere Wege als nach
Aus der Sicht des Verfassungsrechts bildete dies einerseits den 1917. Dennoch bleibt für jede verfaßte Kirche immer eine
Anstoß zu der vorliegenden Untersuchung über die rechtliche Schwierigkeit fast unüberwindbar. Sie hinkt mit ihrem Recht
Bedeutung des Charismas." (226) und ihrer Verfassung dem Wehen des heiligen Geistes hinterher.

Die starke Ambivalenz zwischen der Kirche und den kirchli- Dieser Gefahr kann sie wirkungsvoll nur begegnen, indem sie

c"en Bewegungen. - Vereinigungen und - Gesellschaften reflek- kirchlichen Gemeinschaften und Vereinigungen Räume in der

'iert der Autor in drei spannenden Kapiteln: Kirche öffnet, und sie selbst bereit bleibt, sich durch das Priester-

I« Was ist das Charisma? tum aller Gläubigen umfassend erneuern zu lassen. Folgerichtig

2- Das Charisma als konstitutives Element der „Communio" wurde in der katholischen Kirche das „Konzessionssystem"

3- Das Charisma und die theoretischen Grundlagen des kano- durch das „Inskriptionssystem" (Vgl. 238) ergänzt, damit
"'sehen Rechts über die Vereinigungen in der Kirche existierende kirchliche Vereinigungen in die katholische Kirche

Innerhalb dieser drei Kapitel gibt Libero Gerosa auf dem integriert werden können, obwohl ihnen keine Rechtspersönlich-

Boden der durch das II. Vatikanische Konzil entwickelten „com- keit zukommt.

rnunio"-Ekklesiologie vorläufige Antworten auf Fragen, ohne die Libero Geros durchsetzt sein Werk abschnittsweise mit auflese
konziliare Kirchenlehre der katholischen Kirche nicht zu schlußreichen Zusammenfassungen, diedem Leserdiegute Mög-
verstehen ist. Er formuliert: „Was ist ein Charisma? Welche ist lichkeit eröffnen, das gerade Studierte noch einmal gut zu durch-
seine spezifische ekklesiologische Rolle? Hat das Charisma auf- denken.

8rund dieser ekklesiologischen Rolle auch eine rechtliche Bedeu- Die umfangreichen Anmerkungen, das Abkürzungs- und Lite-

tung? Welche Tragweite hat diese rechtliche Dimension des Cha- raturverzeichnis eröffnen viele Zugänge der konzentrierten Ver-

nsmas für die Erarbeitung sowohl der theologischen Begründung tiefung. Am Ende der Habilschrift gibt der Autor selbst Auskunft,

des kanonischen Rechtes als auch des Verfassungs- und Vereini- wie die Weiterarbeit am Thema „Charisma und Recht" auszuse-

gungsrechtes in der Kirche?" (19) hen nat-

Natürlich werden diese Fragen beantwortet, indem die Ergeb- Selbst wenn evangelische Theologen die Korrelation zwischen

"isse des kirchengeschichtlich-ekklesiologischen Streites zwi- „Charisma und Recht" anders bestimmen als Libero Geros, weil

sehen A. Harnack und R. Sohm interpretiert werden. Der im sie dieser Zuordnung andere Kirchenbegriffe, andere Sakra-

'9. Jh. postulierte Widerspruch zwischen Geist und Recht mentsverständnisse und auch andere Kirchenrechts- und Kir-

(-Charisma und Recht") hatte einschneidende Auswirkungen chenverfassungsbegriffe zugrunde legen, so ändert das nichts

auf das Recht, die Verfassung und die Theologie der evangeli- daran, daß dieses Werk ein bedeutender ökumenischer Beitrag

sehen Landeskirchen und die katholische Kirche. Auch in ihr zur Klärung strittiger Kirchenrechts- und Verfassungsfragen ist.

wurde noch zu Beginn des 20. Jh.s davon ausgegangen, daß Cha- Die Arbeit verdient es, von vielen intensiv studiert zu werden,

rismen rechtsunerheblich sind für die Gestalt und die Verfassung Wer sich an diese Empfehlung hält, begreift, warum Theologen

der Kirche. (Vgl. 58ff) Erst der Rückgriff auf die Charismenlehre darauf angewiesen bleiben, sich bei der Klärung schwieriger

des Neuen Testaments hat in einer dramatischen Entwicklung theologischer Sachverhalte auch mit Rechts- und Verfassungsfra-

zur durchschlagenden Korrektur des kirchlichen Rechts und der gen zu beschäftigen.

Kirchenverfassungen geführt. Im vorliegenden Werk wird diese Satow

Entwicklung durch den Rechtsvergleich des Codex Iuris Cano- Ulnch Müller

nici 1917(CIC/1917)mitdemCodexIurisCanonici I983(CIC/ r • „

1983) nachvollzogen. Die Wiederentdeckung des Agape-Begriffs Tr^h^Tn Eh^lenre des Master Honorius. Ein Beitrag
als Ordnungspr,nz,p der Charismen ha, die Entgegensetzung

zwschen Geist und Rech,, Kirche und Recht, unmöglich ge- Honorius. Rom: „Summa feSS? d«THonorrus Rom

macht. So zieht der Autor mit Recht nach vielen Analysen das LSA 1989. XXI. 387 S. gr. 8 = Studia Gratiana 24