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Ausgabe:

1991

Spalte:

936-939

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Hemel, Ulrich

Titel/Untertitel:

Ziele religiöser Erziehung 1991

Rezensent:

Schmidt, Heinz

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 12

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nicht länger als „Laien" eingestuft werden, sondern mit ihrer
theologischen Bildung mitten in der Kirche zu deren Bestem wirken
dürfen.

Kirchnüchel Hermann Peiter

Praktische Theologie:
Katechetik und Religionspädagogik

Fleckenstein, Wolfgang: Außenseiter als Thema und Realität des
katholischen Religionsunterrichts. Inhaltsanalyse religionsdidaktischer
Unterrichtsmaterialien und ihre innovatorischen
Konsequenzen orientiert am Beispiel Gastarbeiter. Würzburg:
Stephans-Buchhandlung 1989. XVI, 651 S. 8° = Studien zur
Theologie, 4. Kart. DM 38,-.

„Gerade angesichts tradierter Abgrenzungstendenzen zwischen Christentum
und Islam erwächst dem Religionsunterricht eine besondere Verantwortung
, um nicht unterschwellig-vorurteilhaft den Segregationsdruck
zwischen In- und Ausländern zu verstärken. So läßt sich aufgrund zentraler
theologischer Positionen einer jesuanischen Zuwendung zu Randexistenzen
und Außenseitern fragen:

- Wird der Religionsunterricht dieser seiner Aufgabe und Verantwortung
angesichts der aktuellen Herausforderung durch islamische Gastarbeiter
, die in unserer westlichen Gesellschaft als marginalisierte Außenseitergruppe
(sie!) gelten, gerecht?

- Gelingt es ihm von seinem theologisch-anthropologischen Selbstverständnis
her zukunftsweisende, innovatorische Impulse für ein real geleb-
tes Christsein zu geben, das sich trotz vieler Widersprüche auf die Seite
eines jeden Benachteiligten zu stellen versucht; oder grenzt der Religionsunterricht
selbst unbewußt bestimmte Außenseitergruppen bereits in seinen
thematischen Differenzierungen aus?" (1)

Besser als es der Autor einleitend mit diesen beiden Fragen tut,
können Aktualität und Dringlichkeit der vorliegenden Untersuchung
- einer von der Kath.-theol. Fakultät der Universität
Würzburg angenommenen Dissertation - nicht deutlich gemacht
werden. Zugleich markieren sie die theologische und religionspädagogische
Position bzw. das Interesse, das die Untersuchung
leitet.

Durchgeführt wird sie in zwei jeweils umfangreichen Teilen:
Im 1. Teil nimmt der Vf. eine umfassende Bestandsaufnahme
vor, und zwar in Form einer Inhaltsanalyse der relevanten Vorlagen
für den Religionsunterricht an Grund- und Hauptschulen,
nämlich von Lehrplänen und Schulbüchern, exemplarisch auf
den katholischen Raum beschränkt. Der Zeitraum ist dabei auf
die Jahre 1967-1985 eingegrenzt worden, wobei hypothetisch
Mitte der siebziger Jahre eine besondere Bedeutung zugeschrieben
wird; die Frage ist nämlich, ob und in welcher Weise sich der
1973 erlassene Anwerbestop in den untersuchten Materialien
niedergeschlagen hat. Die Lehrplan- und Schulbuchanalyse fördert
eine Reihe von Defiziten in der Behandlung der Außenseiterproblematik
im Religionsunterricht zutage; diese aufzuarbeiten
und daraus sich ergebende religionsdidaktische Leitlinien an
die Hand zu geben, ist Anliegen des 2. Hauptteils.

Es ist unmöglich, die in der inhaltsanalytischen Auswertung der religionsdidaktischen
Materialien gewonnenen Befunde hier detailliert zu referieren
. Bemerkenswert ist, daß die vermutete Zäsur Mitte der siebziger
Jahre in der Tat gegeben ist. Das bis dahin schon nicht gerade im Mittelpunkt
stehende Thema „Gastarbeiter/Ausländer" kommt seitdem nochmals
weniger zur Sprache. Ob dafür die gesellschaftlich-politischen Vorgänge
allein ausschlaggebend sind, kann allerdings bezweifelt werden.
Denn in der gleichen Zeit setzt ja eine stark lehramtlich beeinflußte Umak-
zentuierung des Religionsunterrichts zugunsten einer stärkeren Orientierung
an der „eigentlichen "Glaubenslehre ein. Insgesamt darf man dem Vf.
bescheinigen, daß er die Untersuchung der Materialien sehr sorgfältig vorgenommen
hat. Das hat übrigens zur Folge, daß man auch sehr viel zur allgemeinen
religionspädagogischen und -didaktischen Anlage der Lehrpläne

und Schulbücher erfahrt, die Untersuchung also über die im Mittelpu"1"
stehenden Aspekte hinaus sehr informativ ist.

Wie bereits angedeutet, beläßt der Vf. es nicht bei einer religionsdidaktischen
Bestandsaufnahme. Sondern sein Bestreben ist es. die

festgestellten

Defizite so aufzuarbeiten, daß sich daraus innovative - sowohl inhaltliche
als auch didaktisch-methodische - Impulse für den Religionsunterricht ge-
winnen lassen. Die entsprechende Palette der im 2. Teil behandelten Themen
ist sehr groß: Sie reicht von einer Aufarbeitung der vernachlässigte"
historischen Dimension des Themas über das Einbringen von sozialpsychologischen
und soziologischen Deutungsmustern und weiterhin über
biblisch-theologische Vertiefungen bis hin zu der Erwähnung von relevanten
kirchlichen Verlautbarungen aus der neueren Zeit. Eine

Schlüsselstellung
nimmt nach Meinung des Vf.s der „Sündenbockmechanismus" ei"-
dem er darum ein weiteres eigenes Kapitel widmet und in der er die - S*-*
religionspädagogisch relevante - Ergiebigkeit einer Re-Lektüre biblischer
Texte von dieser Perspektive her aufzeigt. Natürlich bleibt es bei einer solchen
Themenvielfalt nicht aus, daß Desiderate zu finden sind. Aber was
behandelt worden ist. ist jeweils sehr solide aufgearbeitet, so daß der Leser
zu den verschiedenen angesprochenen Themen bedeutsame Einsichten gewinnt
.

Sieht man von den wenigen gelungenen Ausnahmen ab. ist es
erschreckend, feststellen zu müssen, wie wenig die gesellschaftliche
Realität des Außenseiters offensichtlich für ein religionspädagogisch
bedeutsames Thema angesehen wird und wie sehr
es, wenn sie thematisiert wird, im Rahmen von zu Schablonen erstarrten
Theologumena (z. B. Gott liebt alle Menschen) behandelt
wird. Eine dem Thema angemessene strukturelle und politische
Dimensionierung wird, folgt man den untersuchten
Materialien, im Religionsunterricht so gut wie nicht vorgenommen
. Entsprechend gelingt es auch nicht, die prophetische Kraft
des christlichen Glaubens zur Geltung zu bringen. Die Chance,
genau hier zu erweisen, was Korrelationsdidaktik sein kann,
wenn sie Erfahrungen der Gegenwart und Traditionen des Glaubens
kritisch-produktiv aufeinanderbezieht, wird verpaßt.

Dies zu Bewußtsein zu bringen und deutlich zu machen, daß
die Außenseiterproblematik keineswegs nur ein sozialkundliches
Thema ist, sondern von seiner Sache her zentral auch den Religionsunterricht
angeht, ist das verdienstvolle Bemühen der vorliegenden
Arbeit. Dabei zeigt der Vf., daß an den vorliegenden
Lehrplänen nicht einmal viel geändert zu werden braucht, daß sie
vielfach nur um die Perspektive des Anderen, des Femden. insbesondere
des Marginalisierten in den verschiedenen Bereichen
bewußter erweitert werden müßten. Das setzt allerdings ein ausdrücklich
diakonisches Selbstverständnis des Religionsunterrichts
voraus, für das der Vf. abschließend wirbt. Zu fragen ist
nur, ob dann nicht die Realität des Außenseiters noch viel konsequenter
in den Religionsunterricht selbst hineingeholt werden
müßte - und zwar nicht nur inhaltlich, sondern auch personal -.
als es der Vf. vorschlägt. Damit jedoch ist eine neue Frage angesprochen
, nämlich die, ob und inwiefern der Religionsunterricht
in seiner bisherigen Verfassung der Herausforderung einer interkulturellen
und -religiösen Erziehung gerecht zu werden vermag
.

Paderborn Norbert Mette

Hemel, Ulrich: Ziele religiöser Erziehung. Beiträge zu einer inte-
grativen Theorie. Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris: Lang
1988. XII, 769 s. 8° = Regensburger Studien zur Theologie. 38.
Kart. DM 136,-.

Die Regensburger Habilitationsschrift ist dem „ Wozu" religiöser
Erziehung angesichts der Brüchigkeit traditionellen Lebenswissens
gewidmet. Die Klärung dieser Zielproblematik soll der
(religions-)pädagogischen Theoriebildung und der (religiösen)
Erziehung im Alltag dienen. Zu diesem Zweck hat der Vf. die gesamte
pädagogische und religionspädagogische Zieldiskussion
sehr gründlich aufgearbeitet. Der erste Hauptteil stellt dar. wie