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Ausgabe:

1991

Spalte:

71-73

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Frostin, Per

Titel/Untertitel:

Liberation theology in Tanzania and South Africa 1991

Rezensent:

Althausen, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 1

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Ökumenik: Allgemeines

Arx, Urs von [Hg.]: Koinonia auf altkirchlicher Basis. Deutsche
(iesamtausgabe der Gemeinsamen Texte des orthodox-altkatholischen
Dialogs 1975-1987 mit franz. und engl. Übersetzung. Bern:
Stämpfli. 229 S. gr. 8' = Beiheft zur „Internationalen Kirchlichen
Zeitschrift" 79. Jahr, 1989.4. Heft.

Über die in „Dokumente wachsender Übereinstimmung" (1983)
enthaltenen Texte hinaus sind hier alle enthalten, die der altkatholisch
-orthodoxe Dialog bis zu seinem Abschluß verabschiedet hat -
von der Gotteslehre über die Ekklesiologie und Sakramentenlehre bis
zur Eschatologie. Als hilfreich erweist sich, was in dem umfassenden
Dokumentenband nicht möglieh war, daß den Texten eine Einführung
in die Geschichte des orthodox-altkatholischen Dialogs von 16
Seiten und eine Charakterisierung der Dialogergebnisse von 18 Seiten
vorangestellt worden sind. Ein Verzeichnis der patristischen Zitate
schließt die Ausgabe ab.

Zunächst möchte ich als katholischer Rezensent bekennen: Es ist
eine Freude, eine Gesamtdarstellung des Glaubens der Kirche zu
lesen, die nicht nur durch Zitate der Hl. Schrift belegt wird und nicht
durch scholastische Theologen, sondern ausführlich durch Zitate aus
dem Urgestein der Vätertheologie. Es wird die Kanonizität der deu-
terokanonischen Schriften festgestellt. Die Frage des filioque wird in
einer der Orthodoxie entgegenkommenden Weise besprochen. Im
Abschnitt über „Die Einheit der Kirche und die Ostkirchen" steht der
Satz: „Dabei beachtet jeder von ihnen die Regel der Nichteinmischung
und des Nichteingreifens in die inneren Angelegenheiten
der anderen." Für diese Aussage wird kein Kirchenväter zitiert. Sie
ähnelt wohl auch mehr dem Selbstverständnis moderner Nationalstaaten
. ..Das höchste Organ der Kirche, ihren Glauben unfehlbar
auszusprechen, ist. .. allein das ökumenische Konzil." Ein Petrusdienst
wird nicht erwähnt. Über die Notwendigkeit der apostolischen
Sukzession wird Folgendes festgestellt: „Die Handauflegung mit
Gebet in der Gemeinschaft der ganzen Kirche ist das einzige von der
Schrift und der Überlieferung bezeugte sakramentale Mittel zur Weitergabe
der Gnade des geistlichen Amtes. Die Notwendigkeit der
apostolischen Sukzession im obigen Sinne hebt die orthodoxe Kirche
des Ostens von alters her und auch jetzt besonders hervor und stellt
die Frage nach ihr bei jeder Bemühung zur Wiederherstellung der
christlichen Einheit. An dieser Notwendigkeit hält auch die Altkatholische
Kirche fest." Im Schlußabschnitt heißt es: „Wo die Gemeinschaft
zerbrochen ist, da kann auch das Herrenmahl nicht mehr
gemeinsam gefeiert werden. Die Wiederherstellung der eucharisti-
schen Gemeinschaft bei fortdauernder Getrenntheit im Glauben ist in
sich ein Widerspruch, weil man trotz gemeinsamem Eucharistieempfang
in weiterhin voneinander getrennten Kirchen lebt."

Im Gegensatz zu diesen Aussagen steht die auf S. 24 zitierte Vereinbarung
über eine gegenseitige Einladung zur Teilnahme an der Feier
der Eucharistie, die von der Evangelischen Kirche in Deutschland und
von der deutschen altkatholischen Synode von 1985 verabschiedet
worden ist. In dieser Vereinbarung wird die apostolische Sukzession
des Amtes nicht beachtet. Es ist verständlich, daß Stimmen aus der
orthodoxen und anglikanischen Kirche nach diesem Vorgang den
Sinn weiterer theologischer Dialoge in Frage stellten. Es ist erfreulich,
daß die altkatholische Internationale Bischofskonferenz die Vereinbarung
der deutschen altkatholischen Synode nicht gebilligt hat. Hoffen
wir, daß es ihr gelingt, ihre Teilsynoden von der Notwendigkeit zu
überzeugen, die mühseligen theologischen Klärungen durchzuhalten
und nicht einem oberflächlichen Pragmatismus zu verfallen.

Dresden Michael Ulrich

Frostin. 'Per: Liberation Theology in I anzania and South Africa. A

First World Interpretation. Lund: Lund University Press 1988. X,
283 S. 8° = Studia Theologica Lundensia, 42. Kart. SEK 220.-.

Die in dieser Untersuchung vorgelegte Interpretation der Ujamaa-
Theologie in Tanzania sowie der Schwarzen Theologie der beiden
Südafrikaner Alain Bocsak und Manas Buthelezi vermag durch sorgfältige
Analyse einschlägiger Texte und in gut geprüfter Anwendung
korrekt ausgewählter Kategorien deutlich zu machen, daß in der Befreiungstheologie
ein neues Paradigma entstanden ist. Drei Linien
werden dabei besonders ausgezogen.

Wer einen Dialog will, muß zuerst und vor allem die Fragestellung
des anderen verstehen lernen. Der Vf. nennt seine Arbeitsweise eine
demokratische Methode. Er untersucht Texte, geht dabei aber streng
induktiv vor. Ihm liegt mehr an der „epistemologica ruptura" als an
der traditionellen europäischen Epistemologie (3, 9, 1 1 u. ö.). Aber
eine lange Auseinandersetzung über Sinn und Bedeutung einer „kon-
textucllen Theologie" ist für ihn auch nicht wichtig. Der Kontext ist
präsent, wenn ich die Fragestellung des anderen ergründen möchte -
eine hermeneutischc Selbstverständlichkeit. Der Kontext der
EATWOT-Befreiungstheologie sind die gesellschaftlichen Konflikte
(8). Ujamaa ist vor allem zu sehen als ein Versuch, afrikanisches
Familienleben und -denken in einer konfliktgeladenen Entwicklung
neokolonialistischer Herausforderungen zu erhalten, ähnlich in der
Schwarzen Theologie die Würde des Menschen in der Apartheids-
Situation. Was theologisch zur Debatte gestellt werden muß, ist die
Frage von Gemeinschaft, Versöhnung, Partizipation und Solidarität
in Gesellschaft und Kirche. Das sind die Grundfragen der Menschen
unseres Jahrhunderts überhaupt.

Die Frage nach Gott wird in der Ujamaa-Theologie als Hilfe für ein
neues Verständnis von Gemeinschaft diskutiert. Auch die Schwarze
Theologie sieht den Neuanfang in der Umkehr (metanoia) der Menschen
von der Götzenanbeterei (idolatry) Apartheid. Eine sorgfältige
Analyse der Rede von Gott in der Befreiungstheologie Afrikas muß
sich mit Anfragen aus verschiedenen Richtungen auseinanderset/en.
Liberale werfen ihr Resakralisierung des Lebens oder eine fundamentalistische
Haltung vor. Andere kritisieren umgekehrt einen zu stark
anthropologischen Ansatz. Wie kann für die Rede von Gott eine Sprache
gefunden werden, die auf die wirklichen Fragen des Lebens glaubwürdige
Antworten gibt? Der Vf. fordert im Lichte der Konflikt-
Erfahrungen der Armen und auf der Basis ihres ganzheitlichen Weltverständnisses
eine Methodologie jenseits von Postmoderne, von
Liberalismus und von neuer, konservativer Religiosität. In diesem
Zusammenhang setzt er sich ausführlich mit dem Marxismus-Vorwurf
auseinander. Dazu weiter unten noch eine Bemerkung.

Unter anthropologischen Gesichtspunkten muß die Frage nach der
afrikanischen Identität ausführlich untersucht werden. Um sie geht es.
wenn die Ujamaa-Theologie das Thema Gemeinschaft in den Vordergrund
stellt. Ausgehend von black experience definiert afrikanische
Befreiungstheologie afrikanische Identität im Lichte biblischer Schöpfungstheologie
und als ganzheitlich verstandenes Menschsein. Hier ist
auch der Schlüssel für Situations- und Konfliktanalysen. Hier entwickelt
sich eine neue Sprache, die falsche Gegensätze überwindet,
„materiell und supranatural", „säkular und religiös", „profan und
sakral" (50). Das ist schließlich auch das Gegenargument gegen den
Vorwurf des Anthropozentrismus. Im Rahmen der konkreten Befreiung
finden die Gegensätze eine Einheit in dialektischer Zuein-
anderordnung.

Die Arbeit ist 1988 fertiggestellt worden. Seither hat sich für die
Beschreibung des „neuen Paradigmas" manche Perspektive verschoben
. Das Scheitern des Sozialismus in Osteuropa könnte die ausführliche
Auseinandersetzung mit den marxistischen Denkansätzen in der
Theologie der Befreiung als übertlüssig erscheinen lassen oder manchen
Anti-Marxisten in seinem Ideologie-Vorwurf bestätigen
(Instruktion 1984!). Um der Menschen und um der Theologen in der
dritten Welt willen sei es dem Rez. gestattet, dringend davor zu warnen
. Frostin, der sich in anderen Untersuchungen ausführlich mit der
Marxschen Rcligionstheorie befaßt hat (vgl. besonders in den
Studia Theologica Lundensia Band 37), kommt seinerseits jedenfalls
zu dem Schluß, daß in Ujamaa-Theologie und Schwarzer Theologie