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Ausgabe:

1991

Spalte:

930-932

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Trigo, Pedro

Titel/Untertitel:

Schöpfung und Geschichte 1991

Rezensent:

Althausen, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 12

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'■»mergleichen" (38/39). Es entw.ckeln sich Rechtsstrukturen Schatztruhe begreift und die Einzigartigkeil; der - weiblichen -

u"d die Frage nach Gerechtigkeit, die Freiheit des Menschen Person zum Ausgangspunkt selbstbewußter Relecture nimmt.

a"ch Gott gegenüber, sowie die Befreiung vom Zwingenden der

Natur. Allerdmgs erfahren die Polaritäten der früheren Stufe zu- Zür.ch

Sfe'ch eine Wertung, der weibliche Pol wird zum Negativen, zur

bloßen Materie, die gebändigt werden muß, um benutzt werden

Zu können (41/42). Trigo, Pedro: Schöpfung und Geschichte. Aus dem Span, von J.

Ausgehend von diesem Befund will die Autorin nun weiter- Kuhlmann u. J. Ludwig. Düsseldorf: Patmos 1989. 319 S. 8 =
schreiten zu einer „ integralen Struktur" (46ff), indem sie das ge- Bibliothek Theologie der Befreiung. Die Befreiung in der Gerichtlich
Vorangehende einzubeziehen sucht, um es zu „ über- schichte. Kart. DM 44,80.
formen" und „neu zu deuten", was sie die „legitime Art jedes .

^eiterdenkens" nennt (140). Sie hält zunächst fest, daß mit der Trigo will kerne Schopfungstheo.og.e en wickeln• - Un*r Auj-
Verweil die Personwerdung des Menschen ebenso verbunden gangspunkt, zugle.cn unser hermeneufscher Ort. ist die Erfahrt
wie die Gottwerdung Gottes, der eben anders ist als die Welt rung der Schöpfung heute ,n Latemamenka. ohne sie wurde
«3). Die Frau .st grundsätzlich ,n diese Personalität einbezogen, unser Reden über Schöpfung auf Le,t,deen oder auf d.e funda-
"nd Gerl beruft s.ch dazu auf Genesis 1 und Galater 3,28. Es geht mentalistische Hinnahme von etwas Esoter.schem verengt,
darum, dies festzuhalten, „daß das Ansprechen des Geistigen Wenn es in der Geschichte - und ,n unserer Geschichte - Schop-
auch immer die Frau anspricht", denn das Geistige meint „Frei- fung gibt, dann verwandelt d.e Schöpfung s.ch ,n den Horizont
heit und und ungesonderte Menschlichkeit" (61). des Befre.ungsprozesses. d.h. u. dessen Gehalt und Ziel, und be-
Wie aber umgehen mit der anderen Seite der Medaille, m.t der einflußt insoweit ebenso d.e Kampfmethoden wie auch d.e GeAbwertung
von Frau und Weiblichkeit und der daraus resultie- fühle und Einstellungen, m.t denen man d.esen Prozeß ebt.
«nden Geschlechterhierarchie? In d.esem Zusammenhang greift (20/21). In diesem Sinne .st dieses Buch e.n Musterbeispiel kon-
Gerl auf die Psvchoana.yse bzw. die Entdeckung des Unbewuß- textue.ler Theologie. Die in den Basisgeme.nden wachsenden
*n zurück, wo nach CG.Jung die früheren Stufen gleichsam als Aktivitäten des Befreiungskampfes; der-Christen ,n Latemame-
Sediment „gespeichert" sind. Integral heißt für die Autorin, daß rika wie Protest, Gebet und Prophetie stellen die Fragen, die den
Inders der Mann, dem die Tradition die geistige Existenz Diskurs des Buches bestimmen

mehr zuspricht als der Frau, jenes Sediment in der menschlichen Zunächst: Nach dem Grund des Seienden zu fragen, g.bt in Laiche
wahrnimm,, was nicht bedeutet, dahin zurückzufallen, temamenka kernen rechten Sinn. Wie aber kann man an den
Und umgekehrt muß d.e Frau „nicht als Gattungswesen, son- Gott des Lebens .ne.ner S.tuat.on glauben, d.e vom Tod geze.ch-
dem als Mensch durchsichtig" werden können (52). net ist?" (25) Und wie kann es zu Entschafrungen kommen?

D.eses alle Essays durchziehende Grundkonzept Gerls steht, Was .st Leben? D.e An wort der ersten Kapitel .st das'Bekenntnis
-enn auch von ihr selbst nicht direkt ausgesprochen, dem Ge- derer d.e „an der, solidarischen Schopfer und an d.e Welt als
*hichtsverständnis Hegeis als „Fortschritt im Bewußtsein der Entfaltung seiner Liebe glauben (84) und die daraus die Folge-
Freiheit" nahe und verdient im weiten Felde feministischer Lite- rungen ziehen, daß der Kampf zwischen Chaos und Kosmos
ratur besondere Beachtung. Im einzelnen läßt sich gewiß noch nicht „den ursprünglichen Zustand der Wirklichkeit darstelle

ri,w .. , . . , „ .,, . H1„pm erkenntnis- (a.a.O.). Deshalb dürfen wir uns „auch nicht zu einem seiner so

v'eies diskutieren, und daß das geschieht, ist diesem erKenmiio v° » / ,

reichen Buch sehr zu wünschen beschriebenen Pole halten. (a.a O.) In der Prophetie des AT und
Nicht sehr deutlich, aber eingewoben in den Text, f.ndet sich in Israels Schopfungsglauben der mit einer sehr schonen Be-
die kritische Linie der Autorin gegenüber verschiedenen Positio- trachtung von Genesis l weitestgehend auf v. Radschen Internen
fem.nistischer Theologie, so z. B. daß es nicht darum ginge. pretat.onen auftauend, beschneben wird, findet auch der Schop-
in d.e Welt der Mütter zurückkehren (53), auch nicht darum, fungsglaube heute se.nc Grundlagen Gott schafft durch Wort
Mütterlichkeit zu verweigern (52) oder Besonderheit auszulö- und Geist. So werden fremde Schopfungsmythen uberwunden,
sehen (9). Hier zeigt sich Gerl als Philosophin aus der Schule Gottes Plan .st Gute. Der Befre.ungsprozeß muß sich - so also
Guardinis, die weder linear noch im Gegensatz denkt, sondern in auch heute - als Versohnungsprozeß vo enden. (110)
Unterscheidungen innerhalb eines Ganzen (87). Dabei darf nicht Die zweite Frage schließt logisch an. Was ist es m.t dem Bösen?
übersehen werden daß es der Autorin nicht nur um die Ge- Auch hier g.lt w.eder: „Themat.sch w.e method.sch muß die
Schlechterproblematik geht, sondern um Gott und den Glauben, Theologie zur Hölle n.ederste.gen. n.cht nur zur begrifflichen.
*as besonders in den Essays V und IX zum Ausdruck kommt. mystischen und jenseitigen, sondern zu den .Verdammten der
Erst wo Gott über den Geschlechtern" neu wahrgenommen Erde' in .diesem Tale der Tranen'." (114) Dort freilich w.rd dem
wird, kommt für sie eine Anthropologie in den Blick, die für vor Gott Lebenden bewußt, daß das Schuldbekenntnis unerläß-
beide Geschlechter das schmerzhafte Annehmen der eigenen lieh ist, um zu einem angemessenen Verständnis des Bösen zu
Halbheit" bedeutet (8-95*) Deshalb hält Gerl nicht viel von einer kommen. Teilweise strukturiert sich selbst die Geschichte als
lamentierenden Haltung, die „damit unfruchtbar gerät" (55), Mysterium des Bösen. „Dank Ostern (ist) das Böse und damit die
und wirkt so ermutigend. Sünde überwunden. Uberwunden in der Wurzel... Doch bleibt
Bedenklich bleibt an manchen Stellen der Umgang mit der zi- im Geschöpf als solchem, auch im Menschen als Kulturwesen,
tierten Literatur, indem Gerl Einzelaspekte aus dem Zusammen- die Dimension des Ohne-Gott als Möglichkeit zu Übel und
hang nimmt. Sie übersieht z.B. (153). daß Wolffs Jesusbild von Sünde; deshalb gibt es weiterhin Strukturen und Situationen, die
der Denunzierung des Judentums als krankmachender Gesetzes- von diesen Mächten des Bösen geformt sind." (140) Der Weg
religion lebt, während Gerl doch selbst - zu recht - urteilt, im Ju- vom Mysterium zum Paradox ist der Alltag des Christen. „Am
dentum sei die Einzigartigkeit der Person gegenüber dem „ein- Anfang dieses Kapitels hat uns die Unmenge der Übel erschüt-
zig-persönlichen Gott" befreiend zu Bewußtsein gekommen (111 tert, die auf dem lateinamerikanischen Volk lasten: die Unterent-
u.ö.). Mehr kritische Distanz wäre auch gegenüber C. G. Jung, wicklung der Menschen, Produktivkräfte und Institutionen; die
Eugen Drewermann und dem Frauenbild der Romantik zu wün- Sünde der (inneren und äußeren) Unterdrückung und andere
sehen. Sünden. Im Verlauf des Kapitels haben diese „Übel sich uns als
Doch dies ist nicht das Wesentliche an diesem Buch, das die radikal erwiesen, als unausrottbar, solange die Geschichte währt,
christliche Tradition nicht als Kriminalgeschichte, sondern als Ist das aber nicht ein unerträglicher Skandal? Die einzige Ant-