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Ausgabe:

1991

Spalte:

912-913

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lehne, Susanne

Titel/Untertitel:

The new covenant in Hebrews 1991

Rezensent:

März, Claus-Peter

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911

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 12

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ling. 143, 146ff) stehe unserem Text nahe, nicht jedoch
Weish 7,22ffoder Sir 24 (113, 188ff). Die Exegese ergibt darüber
hinaus, daß ,Paulus' sich in Auseinandersetzung mit einer gegnerischen
Lehre befindet, welche die Kolosser zur Einhaltung von
„asketischen Praktiken" veranlaßt, um hierdurch einen „mystischen
Zustand" zu erreichen. Demgegenüber wird Christus als
„Gottes höchste Offenbarung" dargestellt (1280- Christus ist ein
„exemplar" nicht in dem Sinn, daß die kolossische Gemeinde
aufgerufen würde, in ihrem Verhalten Christi schöpferische und
erlösende Aktivität nachzuahmen, vielmehr geht es darum, daß
sie ihren Standort in einer analogen Beziehung zu der „Fülle"
findet, wie diese in Christus gegeben ist. Der Verfasser meint, daß
erst mit 2,6ff, in der Auseinandersetzung mit der gegnerischen
Philosophie, der Zusammenhang mit der „Christusgeschichte"
von 1,15-20 erkennbar wird (131). Jedoch wirken hier auch andere
Traditionen ein (vgl. 2,12), und die Vermutung, die Ausführungen
in 2,16ff seien voll von paulinischer Ironie (148), unterschätzt
die sprachliche und sachliche Ausducksstärke des
deuteropaulinischen Dualismus.

Zu lTim3,16b wird die chiastische Struktur erkannt und zu
Recht die Vermutung abgewiesen, der Text lasse sich in ein „ Re-
velationsschema" einordnen. Nicht unbegründet ist auch die
Skepsis gegen E. Nordens Vorschlag, das Textstück sei auf ein
„Inthronisationsschema" zurückzuführen. Dagegen mag man
fragen, ob feSiKcucöiDn den Sinn von „vindication" als „ Beschreibung
für die himmlische Annahme dessen, der im Fleisch offenbart
wurde" (164), hat. Hierzu sollte nicht übersehen werden,
daß im deuteropaulinischen Schrifttum Einwirkungen der pauli-
nischen Rechtfertigungsterminologie, wenn auch christologisch
verfremdet (vgl. Joh 16,10), wahrscheinlich sind. Der religionsgeschichtliche
Vergleich wird auch hier mehr angedeutet als entfaltet
(zu S. 171: nicht Asc. Jes 11, sondern eher Erniedrigungs- und
Erhöhungstexte der neutestamentlichen Umwelt sollten wie zu
Phil 2,6ff für die Interpretation ausgewertet werden). Ausgeführt
wird der Kontextbezug. In Konfrontation zur Weltverneinung
der Häretiker argumentiert .Paulus', Christi fleischliche Existenz
sei Beweis für die Tatsache, daß Gottes Schöpfung gut ist (180
u.ö.). Andererseits: Wie Christi fleischliche Existenz von Gott
„freigescprochen" wurde, so wird unabhängig von asketischen
Praktiken gleiches für die Glaubenden erwartet (187 u. ö.). Christus
selbst ist die Brücke zwischen Schöpfung und Schöpfer
(192). - Die Rekonstruktion von Christologie und Soteriologie
ist in sich wiedersprüchlich; dem Schöpfungsgedanken, der in
3,16 nicht ausgesprochen ist, wird zu Unrecht eine zentrale
Funktion eingeräumt. Insbesondere vermißt man eine deutlichere
Rekonstruktion des komplexen Gegnerbildes der Pastoralbriefe
.

Anzuerkennen ist der im Schlußabschnitt (III, 195-211) zusammenfassend
dargestellte Versuch, zwischen den hymnischen
christologischen Texten und der ethischen Forderung des Kontextes
Verbindungslinien herzustellen, auch wenn er nicht immer
überzeugend durchgeführt ist. Die Titelangabe "story of Christ"
ist zumindest mißverständlich; von einer „narrativen Kasuistik
" (201) läßt sich bestenfalls in einem uneigentlichen Sinn
reden; denn das Bekenntnis zur Erniedrigung und Erhöhung des
Präexistenten ist mit der evangelischen Erzählungstradition
nicht gleichzusetzen. Der „ Geschichtscharakter" des christologischen
Materials hätte eine eingehendere Untersuchung verdient.
Bedauerlich ist vor allem, daß der Vf. zu Problemen keine Stellung
bezieht, deren eindeutige Beantwortung unverzichtbar ist:
die Frage nach dem Autor des Kolosserbriefes und der Pastoralbriefe
und nach dem Verhältnis von Tradition und Redaktion,
einschließlich der Rekonstruktion der vorgegebenen hymnischen
Überlieferungseinheiten. Daß viele Urteile in der Schwebe bleiben
, ist der Überzeugungskraft des Ganzen abträglich, auch
wenn man einräumen wird, daß besonders die exegetischen Abschnitte
zahlreiche lehrreiche Informationen enthalten und d'e
äußere Form des Buches (umfassendes Literaturverzeichnis. Bi-
beistellen- und Autorenregister) ein besonderes Lob verdient.

Göttingen Georg Strecker

Lehne, Susanne: The NewCovenant in Hebrews. Sheffield: JSOT
Press 1990. 183 S. 8° = Journal forthe Study ofthe New Testament
, Suppl. Series 44. Lw. £ 27,50.

Schon der relativ häufige Gebrauch des Diatheke-Begriffs im
Hebr läßt dessen besonderes Interesse am Bundesgedanken erkennen
. Die Konzentration der Belege im Mittelteil des Schreibens
legt überdies nahe, daß der auetor ad Hebraeos im Interesse
seines speziellen christologischen Konzepts auf den Bundesgedanken
zurückgreift, die Vorstellung vom Neuen Bund also im
Zusammenhang mit der kulttheologisch entworfenen Hoheprie-
ster-Christologie verstanden werden muß. Schwieriger zu bestimmen
freilich ist die Funktion, die dem Diatheke-Begriff im
Rahmen des komplexen theologischen Entwurfs des Hebr zukommt
. Setzt der auetor ad Hebraeos den heilsgeschichtlich besonders
gewichtigen Bundes-Begriff ein, um bei aller Überbietung
auch die Kontinuität bzw. die Korrespondenz des neuen
Heilsgeschehen zum alttestamentlichen Bundesgedanken anzuzeigen
? Oder redet er pointiert von „Neuen Bund", um die Diskontinuität
, die Andersartigkeit, den Gegensatz, ja den Bruch
mit der alten Ordnung anzuzeigen? Die vorliegende Untersuchung
von S. Lehne setzt bei dieser Frage an: " ... how new is the
N(ew) C(ovenant)? Is its newness of such a drastic quality as to
turn it into something wholly other? Is it in fact no longer a "COVC'
nant" at all?" (13)

Schon in einem einleitenden I.Kap. (11-18) läßt die Vfn.
erkennen, daß sie eine zwischen den Extrempositionen vermittelnde
Lösung im Blick hat und deutlich machen möchte, daß
Hebr das Bundes-Moti v benutzt, um sowohl Kontinuität als auch
Diskontinuität zwischen altem und neuem Heilsgeschehen auszudrücken
. Angezeigt wird ebenfalls bereits zu Beginn, daß die
Untersuchung dieses nach beiden Seiten hin offene Verständnis
des Bundes-Gedankens wesentlich auf die spezielle Situation der
Adressaten und die von diesen bestimmten Intentionen des
Autors zurückführt: "This study will investigate the role of the
NC idea in Heb. from the Standpoint of the authorand of his first
readers. It is my syspicion that these Standpoints may very well
turn out to be distinet, and that the BC coneept has been chosen
by the writer ... in an attempt to respond to the Problems of his
adressess."(11) In den drei folgenden Kap. sucht die Studie
zunächst die spezielle Ausprägung des Bundes-Themas im Hebr
durch den Vergleich mit der Bundes-Tradition im AT. im Frühjudentum
und in den übrigen Schriften des NT zu profilieren: 2.
Kap.: "OT covenantal traditions in Hebrews"( 19-34): i. Kap.:
"The New Covenant in Judaism"(34-61); 4. Kap.: "The NewCovenant
in the NT (apart from Hebrews) and in the early fa-
thers"(63-91). Die auf den verschiedenen Ebenen vorgenommenen
Vergleiche lassen nach Meinung der Vfn. als Besonderheit
des Hebr dann in der Tat die deutliche systematische Verknüpfung
des Bundes-Motivs mit dem kulttheologisch geprägten Konzept
der Hohepriester-Christologie erkennen. Aufbauend auf
dieser Einsicht verdeutlicht ein 5. Kap. - "The funetion of the
New Covenant coneept in Hebrews"(93-117) - die spezielle
theologisch-christologische Zuspitzung der Bundes-Theologie im
Hebr. Die Vfn. versucht dabei v.a. die besondere Bedeutung der
Vorstellung des Neuen Bundes für die Theologie des Hebr. herauszuarbeiten
: Sie bewege hintergründig schon den offenbarungstheologischen
Ansatz der ersten Kapitel, bestimme dann
ganz ausdrücklich die kulttheologischen Entfaltungen des Mittel-