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Ausgabe:

1991

Spalte:

908-912

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Fowl, Stephen E.

Titel/Untertitel:

The story of Christ in the ethics of Paul 1991

Rezensent:

Strecker, Georg

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 12

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Lambrecht 183-205). - Eine rhetorische Analyse der eschatolo-
gischen Abschnitte ITh 4,13-18 und 5,1-11 zeigt, daß Paulus
noch mit Worten und Konzepten ringt, wobei seine Rhetorik expressiv
und konativ zugleich ist und der Präzision in weiteren
Briefen bedarf (R. Kieffer 206-219). - Hinter ITh 4,13-5,11
steht (gegen P. Malherbe) nur sehr begrenzt das Muster des hellenistischen
Trostbriefes, direkt nur hinter 4,18 und 5,11, vielmehr
jüdische Tradition, wie sie 2Makk 7,5.14.20 greifbar ist (J. Chapa
220-228). - Die ITh 5,10 begegnende Sterbensformel hat ihren
Ursprung nicht, wie oft angenommen, in der eucharistischen Liturgie
, auch nicht in der allgemeinen Katechese, sondern in der
Mahnrede, die sich auf das „Schon" des Heils gründet, wie die
Kontexte der Formel bei Paulus zeigen (J. de Jonge 229-234). -
Die Gattung von ITh 5,23f läßt sich als „Benediktion" bestimmen
, die das vielfache Reden von Gottes Intervention im ganzen
Brief zusammenfaßt und theologisch auf das Hauptthema „Heil
durch Gnade" abhebt (P.-E. Langevib 236-256).

Die dritte Gruppe der Beiträge bezieht sich auf die Gedankenwelt
der Briefe. Charakteristisch für beide Briefe ist die Rede von
„Erwählung" und „Berufung". Ihre Analyse zeigt, daß sie die
Leser in ihren mancherlei Bedrängnissen ermutigen soll und
nicht im Sinn individueller Prädestination gemeint ist (I. H.
Marshall 259-576). - Die von beiden Briefen vertretene Imitatio
Pauli hat drei Gegenstände: die Kooperation mit der Gnade im
Werk, das Leiden für die Sache des Evangeliums und die Entwicklung
der Gemeinde. Spätere Briefe entwickeln dieses Muster
weiter (M. A. Getty 275-283). - Die offensichtliche Spannung
zwischen der Gerichtsaussage ITh 2,15f und der Heilsaussage
Rom ll,25f läßt sich auflösen, wenn man sieht, daß ITh 2,15f
nur den gegenwärtigen Status der ungläubigen Juden beschreibt,
der die Möglichkeit zukünftiger Bekehrung und Rettung nicht
ausschließt, auch wenn letztere erst Rom ll,25f ausformuliert
wird (T. Holtz 284-294). - Vergleicht man die Ethik des ITh mit
der Ethik der späteren Briefe, so erweist sich der 1 Th auch in dieser
Hinsicht als „frühpaulinisch", insofern entscheidender Begründungshorizont
der Ethik die Parusieerwartung ist und nicht
Rechtfertigungslehre, AT-Zitate, Sarx-Pneuma-Dualismus oder
Rückgriff auf eine vergangene Heilstat bzw. einen ihr entsprechenden
Heilsindikativ (U. Schnelle 295-305). - Die Paränese
ITh 4,3-8 hat, in engem Anschluß an synagogale Tradition, nur
ein durchgehendes Thema, das korrekte sexuelle Verhalten der
Heidenchristen im Unterschied zur verbreitetenn heidnischen
Promiskuität. „Skeuos" meint den Leib im Sinn sexueller Selbstkontrolle
(G. P. Carras 306-315). - Eine andere Exegese bezieht
das strittige „Skeuos" auf die Frau und sieht Paulus auf den konkreten
Fall der Brautwerbung anspielen, für die er unlautere Methoden
ablehnt (N. Baumert 316-339). - Vergleicht man ITh
4,13-18 und IKor 15,51f nach Inhalt und Kontext, so ergibt sich
nicht nur ein jeweils unterschiedlicher „ Sitz im Leben ", sondern
auch die Unmöglichkeit, eine gemeinsame „Quelle" zu rekonstruieren
(J. Delobel 340-347). - Das hapax legomenon „Söhne
des Tages" ITh 5,5 ist als originalpaulinische Wortschöpfung zu
beurteilen, angestoßen durch die klassische Rede vom „Tag des
Herrn" und den „Söhnen des Lichtes" (C. Focant 348-355). -
Der Vergleich des Verbums zäö in ITh 1.9f und 5.10 mit dem jo-
hanneischen Sprachgebrauch führt zu der Annahme, daß im Hintergrund
eine vorpaulinische christliche Denktradition steht,
von der Paulus und Johannes unterschiedlichen Gebrauch machten
(J. G. van der Watt 356-369).

Die vierte und letzte Gruppe der Beiträge gilt den speziellen
Problemen des 2. Thessalonicherbriefes. Die Analyse seines Aufbaus
zeigt, daß er aus drei Hauptteilen besteht (1,3-12; 2,1-17;
3,1-16), wobei die Teile 1 und 3 in mehrfacher Hinsicht zusammengehören
und Teil 2 das zentrale Textstück bildet - insgesamt
ein sorgfältig konstruierter Brief, dessen Teile je für sich eine konzentrische
Struktur zeigen (M. J. J. Menken 373-382). - Untersucht
man den syntaktischen Stil des 2Th und vergleicht ihn mit
anderen Briefen, so zeigt sich eine auffällige Nähe zu Eph und
Kol. Sie betrifft die Komplexität der Satzkonstruktionen, die Genitivkonstruktionen
, die Häufigkeit koordinierender und subordinierender
Konjunktionen, die geringe Zahl von Adverben
(D. D. Schmidt 383-393). - Als zusätzliches Argument zugunsten
der Unechtheit des Briefes hat zu gelten, daß Pseudonymita1
ein konstituierendes Element apokalyptischer Literatur ist (G. S-
Holland 394-402). - Setzt man mit der Mehrheit der Gelehrten
die Unechtheit des Briefes voraus, so muß man konsequenterweise
die Abfassungsintention darin sehen, daß der echte 1 Th eliminiert
und der Pseudonyme Brief als der Thessalonicherbriet
ausgewiesen werden soll. Der ITh wird als Fälschung erklärt, die
Autorität des Paulus damit geradezu mißbraucht (F. Laub 403-
417). - Der pseudopaulinische 2Th setzt die Autorität des Apostels
gegen die Häresie in einer dem ITh unbekannten Weise ein-
wobei die paulinische Soteriologie vollständig fehlt (A. G. van
Aarde 418-425). - Vergleicht man 1 und 2Th hinsichtlich der
kerygmatischen Sprache und der retrospektiven Perspektive, so
zeigt sich, daß diese im ITh wesentlich stärker ausgebildet sind
als im 2Th, so daß von einem Paradigmenwechsel gesprochen
werden kann, der die Unechtheit des 2Th zusätzlich begründet
(R. F. Collins 426-440). - Nicht heidnischer Millenarianismus
oder heidnische Religion stehen hinter 1 und 2Th (so R. Jewett)-
vielmehr wird apokalyptische Tradition in beiden Briefen sehr
unterschiedlich interpretiert (H. Koester 441-458). - Eine schon
1967 vorgelegte Katechon-Interpretation wird unter der Voraussetzung
der Pseudonymität des Briefes erneut erläutert: gemeint
ist ein pseudocharismatischer Geist, der die Thessalonicher ergriffen
hat (C. H. Giblin 459-469). - Primärer Hintergrund der
Eschatologie des 2Th ist nicht eine enthusiastische Naherwartung
, sondern die Situation von Leiden und Verfolgung für die
Gemeinde, die eschatologisch interpretiert wurde und die auch
hinter Kap. 2 steht (L. Hartman 470-485). - Zum Verständnis
der „apokalyptischen Christologie" des 2Th eröffnet sich ein
neuer Zugang über die griechisch-römische Wohltäter-Tradition
und deren Sprache, die auch für Thessalonich bezeugt sind. Jesus
ist danach der „apocalyptic benefactor" (F. Danker - R. Jewett
486-498). - Struktur und Terminologie des Traditionsmotivs in
1 und 2Th stehen nahe beieinander, wobei der 2Th dem IKor
sogar noch näher steht, was sich freilich als sekundäre Nachahmung
erklären läßt (C. Vander Stichele 499-504). - Der nach-
paulinische Brief vertritt eine apokalyptische Theologie und
Christologie, die die verfolgte Gemeinde auf die v ergeltende Gerechtigkeit
Gottes verweist, deren Agent der endzeitliche Jesus
ist (E. Krentz 503-515).

Greifswald Günter Haufe

Fowl, Stephen E.: The Story of Christ in the Ethics of Paul. An
Analysis of the Function of the Hymnic Material in the Pauline
Corpus. Sheffield :JSOT Press 1990.235S.8 = Journal for the
Study of the New Testament. Suppl. Series 36. Lw. £ 25.-.

Diese am Department of Biblical Studies der Universität Sheffield
entstandene Dissertation untersucht die „Funktion" des
hymnischen Materials im Corpus Paulinum. wobei der Ausdruck
„Funktion" die Bedeutung der diskutierten Texte im gegebenen
literarischen Zusammenhang bezeichnet. Das Buch ist in drei
Großabschnitte gegliedert. In einer vorangestellten Einleitung
wird die Forschungsgeschichte skizziert. Dieser Abschnitt dient
zugleich als Hinführung zu einer im folgenden mehr implizit als
explizit vorgetragenen Kritik an der Formgeschichte. Der Vf.
wird sich zwar der Frage nach den Formen der Texte stellen,
nicht aber den historischen Hintergrund erfragen, der ihnen vorausgeht
. Das Ziel ist, "these passages within the context of the