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Ausgabe:

1991

Spalte:

871-873

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Mackin, Theodore

Titel/Untertitel:

The marital sacrament 1991

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 11

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mierungen immer geringer, kirchliche Lehrmeinungen, wie sie
etwa in „humanae vitae" zum Ausdruck kommen, werden weitgehend
abgelehnt, und dem neu ernannten Churer Bischof Haas
wird die Gefolgschaft verweigert. Will die Kirche auf ihrer im
19. Jh. entwickelten Form einer Sondergesellschaft bestehen, so
muß sie sich für eine Existenz in Gestalt einer Sekte entschließen;
gibt sie dem Modernisierungsprozeß statt, so muß sie ein „Auswahlchristentum
" zulassen, welches dem einzelnen die Kompetenz
zugesteht, aus dem religiösen Angebot der Kirche das auszuwählen
, was er für gut findet. Und dieses Angebot ist durchaus
attraktiv, wie verschiedene Revitalisierungstendenzen zeigen.

Die Auflösung der katholischen Sondergesellschaft (bzw.
deren sektenhafte Redimensionierung) bedeutet, daß der Katholizismus
sich der funktional ausdifferenzierten Gesellschaft und
deren Regeln angepaßt hat. Dies meint, etwas vereinfacht ausgedrückt
, eine Protestantisierung; denn der Protestantismus hat
diesen Schritt längst vollzogen.

Altermatt betont ab und zu, daß der Pluralismus dieses modernisierten
Katholizismus in gewisser Weise eine Rückkehr zum
vormodernen Zustand darstelle. Das ist gewiß richtig. Aber der
vormoderne Pluralismus war nicht bewußt und stellte damit kein
Problem dar; den Theologen war gewissermaßen lebenspraktisch
klar, wie weit die Bandbreite gelebter Religion war, sie mußten
nicht darüber nachdenken. Heute ist das Problem bewußt; es
muß den Theologen zu denken geben. Wie diese Denkleistung in
die Tradition integriert wird und ob sie überhaupt gelingt, ist eine
offene Frage, die allerdings nicht nur für den Katholizismus von
Belang ist. sondern auch für den Protestantismus, der sich zwar
an die Probleme gewöhnt hat, ohne aber allzuviel in deren Bearbeitung
zu investieren.

Zürich Fritz Stolz

Mackin, Theodore: The Marital Sacrament. New York-
Mahwah: Paulist 1989. XI, 701 S. gr. 8' = Marriage in theCa-
tholic Church. Kart. $ 24.95.

Der voluminöse Band ist der dritte und letzte Teil einer weit
ausholenden Arbeit über die Theologie und die pastorale Praxis
der Ehe in der römisch-katholischen Kirche. Der erste Band
(Marriage in the Catholic Church: What is Marriage? 1982, in
der ThLZ seinerzeit nicht besprochen) bedachte das Wesen der
Ehe, der zweite (Marriage in the Catholic Church: Divorce and
Remarriage, 1984, s. ThLZ 111, 1986, 616-619) galt den besonders
heiklen und immer wieder neu diskutierten Möglichkeiten
bzw. Unmöglichkeiten von Ehescheidung und Wiederverheiratung
. Der jetzt vorliegende dritte Teil nun ist dem sakramentalen
Charakter gewidmet, dem Kern also der römisch-katholischen
Ehelehre. Schon hier läßt sich natürlich fragen, ob es angemessen
ist, die verschiedenen Aspekte der einen Materie so auseinanderzunehmen
, daß - von römisch-katholischem Standpunkt aus -
über die Natur der Ehe nachgedacht werden kann, abgesehen von
der Tatsache, in ihr ein Sakrament zu erkennen, wie andererseits
auch Sakramentalität und Dauerhaftigkeit der ehelichen Verbindung
einander bedingen. So kommt es denn auch regelmäßig zu
Querverweisen auf schon in den anderen Bänden vorliegende
Kapitel. Ob der Versuch dennoch geglückt ist, wäre nur aus
Kenntnis aller drei Bände zu entscheiden. Der hier allein relevante
dritte Teil bietet jedenfalls eine abgerundete Studie, und
das sicher dank ihrer zentralen Thematik.

Ganz wichtig ist schon die verhältnismäßig knappe "Introduc-
tion" (5-23). Sie bietet einen "expanded catalogue of'quaestio-
nes et dubia' concerning the theology of the marital sacrament"
(20), wobei vor allem ein spezifisches Sakramentsverständnis
eingeführt wird, aufgrund dessen eigentlich überhaupt erst das

ganze Buch geschrieben werden konnte bzw. geschrieben werden
mußte. Denn von ihm her rechtfertigt sich nicht nur ein neues
Nachdenken darüber, sondern begründet sich ein neuer Entwurf-
Schön die ersten Sätze des Vorwortes steuern direkt darauf zu-
wenn sie betont vom "sacrament in marriage" sprechen (1. Hervorhebung
vom Rez.).

Sogleich wird erläutert: "In favoring the formulation "The Marital Sacrament
' Over, for example. The Sacrament of Marriage'. I have followed
St. Augustine's methodoiogic lead. He did not say forthrightly that mar-
riage is a sacrament. nor even that Christian marriages are sacraments of
the new law of Christ. He said that in all marriages there ist a 'sacramen-
tum'." (ebd.) Damit öffnet sich schon ein weiter Raum, dessen Strukturen
im Folgenden definiert werden. Nur einige bezeichnende Sätze: "The refe-
rence of the word 'sacrament' does include ceremony. but it reaches further
to include a Situation, a relationship among persons. an intcraction of Per'
sons. with the interaction expressing the relationship and perhaps doing so
in a designed ritual. In this fuller sense Christ is called a sacrament: so too
is a Community of Christians. Where a marriage is sacramental this is not
because it was created in a religious ceremony. although it may have beeil
and the ceremony may have helpcd at its creation to makc it sacramental
As a Situation a sacrament is a setting for interaction between God and
human beings: as a relationship the substance thereof is this interaction.
(7) Und weiter: "Saying that Christ instituted sacraments in his Community
of followers is not lo say also that he innovated cithertwoor seven religious
ceremonics, that he invented new religious rituals and commandcd
their repetion by Christians down through the centuries. The human sub-
stractum, the matrix of every onc of the seven sacraments claimed by the
Catholic churches, was in practice centuries before Christ's public minist
ry. Hisown Jewish pcople had blessed. broken and shared bred for centuries
, had confessed their sins. asked God's forgiveness. had laid handson in
blessing to call down God's spirit on the blessed. Christ continued thesc.
meant for his disciples to continue them but now with their meaning and
their power taken into the meaning and power of his own work in the
world." (100 Angewendet auf das spezielle Thema der Ehe: "All thisistrue
of marriage. Howeverthey have construed the marital relationship-wether
as monogamous or polygamous, wether as lifelong or tempory-men and
women have bcen marrying since before recorded hislory. The Catholic
claim says that Christ took up marriage's meaning and its power to help in
his work in the world. The intent ofthis volume istofind out why Catholics
believe Christ did this. and what they believc this makes of marriage
among themselves as Christians." (II)

Von da her ergeben sich die Grundfragen: "In what ways have
the Catholic teachers and scholars understood God to reveal him-
self and his will in marriage, and especially in the marriage of
Christian spouses? In what ways have they understood this self-
revelation of God, his Intervention in human affairs through
marriage to be an effort at rescue from sinfulness? In what ways
have they understood him to call men and women to belief, trust
and love through their marriages? The same question in other
words: In what ways have they understood marriage as a setting
for and an instrument of holiness? In what ways have they understood
God to use marriage as a means of reconciliation among
men on one side and women on the other?" (21)

Der Vf. sucht diese Fragen zu beantworten mit einem Gang
durch die gesamte Geschichte dieses Gottes mit den Menschen.
Das bedeutet: Das vorliegende Buch ist eigentlich gar kein systematisch
-theologisches Werk über das Sakrament der Ehe. sondern
von Anlage und Zielrichtung her historisch: "The intent of
this volume is to trace the history." (ebd.) Aber: "While bowing
to the axiom that any recording of history is inevitably an Interpretation
of it, I hope to let as best I can the development of the
Catholic understanding of the sacrament in marriage speak for
itself."(ebd.)

Entsprechend diesem Ansatz beginnt Kap. 2 folgerichtig, wenn
auch für das allgemeine Verstehen etwas überraschend, mit der
Überschrift "The origin of the sacrament in the Hebrew scriptu-
res" (24-48), d. h. die Grundlegung wird schon in der Schöpfung
gefunden, und diese Geschichte ist schon durch das ganze Alte
Testament zu verfolgen. Erst danach wird Schritt für Schritt der