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Ausgabe:

1991

Spalte:

865-867

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Grethlein, Christian

Titel/Untertitel:

Abriss der Liturgik 1991

Rezensent:

Bieritz, Karl-Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 11

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Slnn (135, 17-26) festgelegt. Im Blick auf das ewige Leben wird
Glicht die „consideratio finis" (390, 20-25) als meditativ-
seelsorgerliches Hilfsmittel empfohlen.

Den Mitarbeitern des vorliegenden Bandes ist es durch archi-
valische Recherchen u.a. in der Staats- und Stadtbibliothek
^ugsburg sowie der UB Gießen gelungen, die literarische Hinter-
lassenschaft des JvP zu erweitern bzw. durch neue Funde abzurunden
.

So ist der Sermo „De adventu domini ad iudicium" nur in
einer Sammelhandschrift des 15.Jh.s erhalten, die über einen
^orbesitzer in die Bestände der Gießener UB gelangte. Sie enthält
weiterhin Synodalansprachen des Mainzer Dompredigers
Johannes de Lutrea (+ 1479), von denen eine bislang in der Forschung
übergangen wurde (385), und des Theologen Sebastian
^inman. der 1488 mit einer Ansprache an den Klerus eine Syn-
°de in Erfurt eröffnete. Diese ist „bisher nicht als Werk Winmans
bekannt gewesen " (385, Anm. 7). Dadurch wird ohne Zweifel un-
^re Kenntnis von Paltz' geistigem und kirchlichem Umfeld bereichert
.

Die Abhandlungen „ De cautelis ..." (4-36) und „Collectiones
funerales I et II" (412-434)geben schließlich Einblick in den literarischen
Prozeß des Entstehens der „Coelifodina", in die sie fast
vollständig eingearbeitet wurden, und die geistigen Anregungen,
die JvP von seinem Lehrer J. Bauer von Dorsten (siehe 498-517)
empfangen hatte.

Zum Teil sehr ausführliche Einleitungen (so zur HF mit der
Wiedergabe von 21 kolorierten Abbildungen des Meisters des
Bartholomäusaltars aus der .Handschrift j Köln 1508), die die
Vorhandenen Drucke und Handschriften verzeichnen, Angaben
2lJr Entstehung und zur Verfasserfragc machen, die Grundsätze
der Textgestaltung erläutern, die Apparate zum Text und drei Regster
(zu Bibelstellen. Quellen und Namen) belegen schließlich
eindrücklich die Sorgfalt, mit der die Herausgeber gearbeitet
haben. Ihnen gebührt dafür Dank.

Hofgeismar Wolfgang Rochier

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Grethlein. Christian: Abriß der Liturgik. Ein Studienbuch zur
Gottesdienstgestaltung. Gütersloh: Mohn 1989. 278 S. 8".
Kart. DM 48,-.

Gegenwärtig kann Liturgik dort - und nur dort - auf ein breiteres
Interesse hoffen, wo sie zwei Bedingungen erfüllt: Sie muß
zum einen erfahrungswissenschaftliche Verfahren und Einsichten
in ihre Arbeitsgänge integrieren; und sie muß zum anderen
'hre Ergebnisse und Vorschläge im umfassenderen Kontext von
Gemeindeaufbau und Kirchentheorie formulieren. Beiden Bedingungen
genügt das vorliegende Studienbuch, das nunmehr bereits
in 2. Aufl. erscheint, in vorzüglicher Weise. Daß der Vf. zugleich
religionspädagogische und kybernetische (Kybernetik als
Lehre von Gemeindeleitung und -aufbau!) Interessen verfolgt,
daß er sehr präzise Vorstellungen davon hat, was empirische Forschung
bedeutet, kommt seinem Buch auf Schritt und Tritt zugute
. Es leistet damit zugleich einen Beitrag zur Integration der
Teildisziplinen Praktischer Theologie: Nicht nur am Beispiel der
-auf die Lebensgeschichte bezogene(n) Gottesdienste" (167ff)
kann der Vf. zeigen, wie fruchtbar es ist, wenn man liturgische,
poimenische. kybernetische, pädagogische, soziologische, psychologische
u.a. Aspekte nicht voneinander isoliert, sondern sie
im Zusammenhang behandelt.

Man merkt es dem Buch an. daß es aus Vorlesungen hervorgegangen ist
und - wie jede gute Vorlesung - mit dem Stoff und den Hörern ringt:
Immer wieder sieht sich der Vf. genötigt, den Gang der Darstellung zu unterbrechen
, um zu kleineren oder größeren Exkursen auszuholen (vgl. zum
Beispiel die Exkurse zur Sinnespsychologie, zur Gebärdensprache, zum liturgischen
Tanz 31 ff, zum Symbolverständnis 39fT, zur Romantik 60. zur
Ehescheidung I83IT. zum Verhältnis von Kirche und Schule 2221T).

Zum Inhalt: Das Buch gliedert sich in drei Hauptabschnitte;
im ersten geht es um die normativen Grundlagen des christlichen
Gottesdienstes - in biblischer, systematisch-theologischer und
historisch-theologischer Perspektive. Die Schlüsselworte, die
auch in der Folge immer wieder begegnen, lauten: Christusbezo-
genheit - Verständlichkeit und Gemeinschaftsdicnlichkeit - Lebensbezug
. Dabei wird die für den Gottesdienst wesentliche
Christusbezogenheit trinitarisch ausgelegt: Weil sie den „im
Menschsein Jesu gegebenen, zentralen Bezug auf Gott, den
Schöpfer" (29) in sich schließt, läßt sich aus ihr die Forderung
nach „ganzheitlicher" (31), alle Sinne in Anspruch nehmender
gottesdienstlicher Kommunikation unmittelbar ableiten. Damit
ist ein wesentliches Desiderat dieser Liturgik benannt: Der Vf.
wird nicht müde, immer wieder gegen die Dominanz des „auditiven
Sinns" (30) im evangelischen Gottesdienst, gegen „eine
Überbetonung der Predigt" (28), gar gegen die „Überbetonung
des Wortes bei Martin Luther" (37) zu Felde zu ziehen. Zu den
„drei wichtigen Stationen der Liturgik". die er für das historisch-
theologische Kapitel (49-78) auswählt, rechnet er die Liturgik
der Aufklärung, Schleiermachers und Peter Brunners. Daß einer
solchen Auswahl buchstäblich der Grund fehlt, zeigt sich daran,
daß er nicht darum herum kommt, einen Exkurs „zu Luthers liturgischem
Ansatz" (55ff) bei der Behandlung der Aufklärungsli-
turgik nachzuschieben - keine ganz überzeugende Lösung, wie
mir scheint. Auch wird der für Brunner wichtige Begriff der
„Christus-Anamnese" - mit seinen deutlichen Bezügen zur Mysterientheologie
Odo Casels - zwar erwähnt (71), nicht aber in
seiner zentralen liturgietheologischen Bedeutung gewürdigt.
Jeder, der eine Liturgik als Vorlesung oder als Buch entwirft,
steht vor der Frage, wie er Diachronie - die Gottesdienstgeschichte
- und Synchronie - gegenwärtige Gestalten und Funktionen
des Gottesdienstes - miteinander verbinden soll. Der Vf.
entscheidet sich für die Synchronie:

Im 2. Hauptabschnitt des Buches erörtert er - nachdem er den
„äußeren Rahmen des Gottesdienstes" (Ort. Zeit, Paramente.
Musik, 79ff) behandelt hat - die einzelnen gottesdienstlichen
Formen, wobei er keineswegs versäumt, am gegebenen Ort auch
liturgiegeschichtliche Informationen einzuflechten: Hauptgottesdienst
nach Agende I. Kinder- und Familiengottesdienst;
dann die bereits erwähnten lebenszyklisch bestimmten Gottesdienste
anläßlich von Konfirmation. Trauung. Bestattung;
schließlich den Tauf- und den Schulgottesdienst. Daß er dabei
immer wieder auf die Ergebnisse empirischer Erhebungen zum
religiös-rituellen Verhalten der Bundesbürger Bezug nimmt,
sorgt für eine beachtliche Wirklichkeitsnähe. In der 2. Aufl. wird
durchgängig auch der 1990 erschienene Vorentwurf einer „Erneuerten
Agende" mit bedacht.

Der 3. Hauptabschnitt des Buches erörtert „im handlungs-
orientierenden Sinne" die Perspektiven künftiger Gottesdienstgestaltung
. Hier fällt die „praktisch-theologische Grundentscheidung
" für „die bestehende volkskirchliche Situation (als) die
nicht hintergehbare Grundlage für kirchliches Handeln", auch
und gerade auf dem Felde des Gottesdienstes. Daß solche Entscheidung
- bildlich gesprochen - an allen Ecken und Enden
klemmt, daß es erheblicher Kapriolen bedarf, um eine biblisch
begründete, theologisch reflektierte Liturgik - etwa da. wo sie
vom Taufgottesdienst als „rituelle(r) Grundlage und Mittelpunkt
christlicher Kirche" (263) handelt - mit der genannten Situation
zu vermitteln, macht auch dieser Entwurf an mehr als einer Stelle
deutlich. Dadurch, daß er „kleine, unbedeutend scheinende