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Ausgabe:

1991

Spalte:

863-865

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Opuscula 1991

Rezensent:

Rochler, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 11

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Minderheit" in einer Umwelt mit praktiziertem Atheismus und
Konsumismus erweist.

Das Handbuch formuliert nützliche Vorschläge und zahlreiche
Erwartungen an den Prediger, die einerseits zum Gelingen der
Predigt beitragen wollen, andererseits den Erwartungsdruck erhöhen
. Als entlastend empfinde ich neben den grundsätzlichtheologischen
Erwägungen die Hinweise auf die Einbettung der
Predigt in die Gemeinde, der die Verantwortung für die Verkündigung
(und nicht dem Prediger allein!) aufgetragen ist. Auch aus
der Liturgie erwachsen Kräfte, die den Prediger tragen. Leider
kommen die Bezüge zwischen dem Predigen und dem liturgischen
Handeln (auch bei den Kasualhandlungen) zu kurz.

Ansatzweise ermutigt das Handbuch zu „elementarisicrender
Verkündigung", um „das Verwickelte einfach zu machen" (Pestalozzi
, vgl. 196). Die missionarische Grundsituation erfordert
eine solche „katechumenale" Predigtweise, die religiöses Wissen
nicht voraussetzen kann. In einer Zeit der perfektionierten elektronischen
Medien wird im Blick auf die Hör- und Sehgewohnheiten
die persönliche und situationsbezogene „Ansprache" als
kleine homiletische Form an Bedeutung gewinnen. Von dem, was
zur „Andacht" (436ff) gesagt wird, lassen sich die Linien daher
weiter ausziehen: Die Andacht sollte nicht länger als reduzierte
(Kümmer-)Form der gottesdienstlichen Predigt verstanden werden
. Nicht die Reduktion eines umfangreichen Predigtgebildes,
sondern die aus einem „Kern" entfaltete, sich beschränkende
Predigt könnte spontane Kreativität und Freude am Predigen
und Predigthören neu wecken.

Das Handbuch ist unter den schwierigen früheren DDR-
Bedingungen - nicht nur was Fristen angeht - entstanden. Die
Veränderungen der Situation haben dieses Predigthandbuch
nicht überholt, weil es in wesentlichen Partien prägnante Hilfestellungen
für die Predigt in einer zunehmend säkularisierten
Umwelt bietet. Der Dialog, den sich die Autoren erhoffen, erhält
wichtige Impulse, sei es für die persönliche Lektüre oder für die
Besprechung einzelner Abschnitte in Konventen. Seminaren
oder auch Gemeindegruppen. Der übersichtliche Aufbau und die
Literaturhinweise erleichtern die Benutzung und Weiterarbeit.
Das aus einer Arbeitsgemeinschaft entstandene Buch zielt auf die
Gemeinschaft derer, die predigen, und sich für diese Aufgabe gegenseitig
ermutigen. Den Autoren, dem Verlag und seinen Mitarbeitern
, besonders P.-P. Sängerais Lektor, ist deshalb herzlich zu
danken. Es bleibt der Wunsch, daß viele die Hilfen und Anregungen
dieses Handbuchs aufnehmen und mit Freude predigen.

Dresden Christoph Münchow

Paltz, Johannes von: Werke. 3: Opuscula. Hg. u. bearb. von C.
Burger, A. Czogalla, J. Marius, J. Lange von Ravenswaay, H.
Laubner, V. Marcolino. W. Simon, F. Stasch, W. Urban u. C.
Windhorst. Berlin (West) - New York: de Gruyter 1989. VIII,
555 S. m. 10 Abb. u. 21 Farbtaf. gr. 8 = Spätmittclalter und
Reformation. Texte und Untersuchungen, 4. Lw. DM 235,-.

Mit den „Opuscula" ist die Gesamtausgabe der Werke des Erfurter
Augustinereremiten Johannes von Paltz (= JvP) abgeschlossen
. Dieser dritte Band der Paltz-Edition (vgl. die Rez. der
beiden anderen Bände in ThLZ 111 [ 1986], 48-51), der im jahrelang
von Heiko A. Oberman betreuten Sonderforschungsbereich
8: .Spätmittelalter und Reformation' entstanden ist, erfaßt thematisch
ein breites Spektrum der Frömmigkeitstradition des ausgehenden
Mittelalters.

Da die gcistesgeschichtlich motivierte Kontinuitätshypothese
(„Augustinerschule") an Überzeugungskraft verloren hat, wird
jetzt eine differenzierte Betrachtung seines Werkes in der Verflechtung
kirchenhistorischer, pastoraler, germanistischer und
homiletischer Forschungsinteressen möglich sein.

Die vorliegenden Predigten, Traktate und Kompilationen, publiziert
etwa im Zeitraum zwischen 1484 und 1490, weisen Jvr>
als wirkungsvollen Ablaßprediger und Universitätslehrer (seit
1483 in Erfurt, nachdem sein Lehrer J. Bauer von Dorsten zwei
Jahre zuvor verstorben war) aus, der in einer starken Situations-
bezogenheit dogmatische Inhalte .laisiert' und homiletisch für
einen breiten Adressatenkreis fruchtbar macht.

Sein bis 1521 in 20 Druckauflagen verbreitetes Hauptwerk, die
„Himmlische Fundgrube" (= HF) (158-253 in oberdeutscher.
255-284 in niederdeutscher Fassung), ist ebenso wie die marianische
Abhandlung „De Septem foribus" (288-326) bzw. „Die
siben Porten" (328-353) auf Wunsch des sächsischen Kurfürsten
Friedrich des Weisen und dessen Bruders entstanden, denen er
wohl im Frühjahr 1490 in Torgau begegnete (161.293).

Aus Predigten, die der Ablaßverkündigung im sächsisch- thüringischen
Raum dienten, hervorgegangen, liegt mit der HF eine
deutsche Bearbeitung lateinischer Predigtentwürfe vor, die als
Urfassung der stark erweiterten, erst 12 Jahre später erscheinenden
lateinischen „Coelifodina" (1502) betrachtet werden muß-
Dennoch ist die HF ein Werk mit eigener Zielsetzung, das frömmigkeitsgeschichtlich
mit seiner Verbindung der Wundenmeta-
phorik aus der Passionsliteratur und dem Gebrauch einer religiösen
Bildsprache, die sich aus der persönlichen Anschauung des
Schneeberger Montanwesens entwickelte, unverwechselbare Akzente
setzt. Im meditativem Rahmen von contemplatio-
compassio-imitatio wird der Hörer bewegt, sich in die „golt-
grub" (= Leiden Christi; 204, 2) zu begeben, um die ,.himlisch
erze" (= Gnade Gottes; 201, 30 zu erlangen.

Die HF ist in vier Teile gegliedert, wobei der erste Teil überproportional
2/3 des Werkes umfaßt. JvP expliziert sechs Weisen der
Passionsmeditation, die sich auf die Werktage der Woche verteilen
lassen und somit den Charaktereines „Laienstundenbuchs"
erhalten.

Die nach dem Urdruck von Konrad Kachelofen (Leipzig 1490)
besorgte Textgrundlage der Edition (insgesamt gehören 10
Drucke der HF der Inkunabelzeit an, 11 Frühdrucke sind nach
1500 entstanden) läßt thematisch einen Diskurs von praxisorientierter
Passionshomiletik (so auch die „Oratio pervenusta":
438-452), Ars moriendi und sakramentaler Frömmigkeit in der
,Letzten Ölung' erkennen, wodurch die Verinnerlichung des individuellen
Glaubenslebens in die Institution Kirche hineinführt
.

Die auf das bildhafte Verstehen der Passion Christi („Buch des
Lebens";228, 1; 231, 10) ausgerichtete Predigtweise desJvPver-
stärkt ihre popularisierenden Intentionen im Kontext einer entfalteten
marianischen Frömmigkeit. Ausgehend von der unbefleckten
Empfängnis („De coneeptione"; 143-154) erhält Maria
durch ihre „Kreuzstellung (246, 4f) eine soteriologische Funktion
im Erlösungswerk, die die dogmatisch nicht unbestrittene
Qualifizierung als ,theotokos' (durchgehend in „De Septem foribus
" bzw. „Die siben Porten") bewußt aufgreift, um die herausragende
Stellung der „mater misericordiae" (323, 2) in ihrer Beziehung
zu den sieben wichtigsten Marienfesten zu
unterstreichen.

Wie JvP einen überzogenen Naturalismus in der Passionsdarstellung
vermeidet und seine kaum exaltierenden Positionen biblisch
und patristisch absichert, so sind auch seine Ausführungen
über die Endzeiterwartung („De Antichristo"; 40-138) und das
eschatologische Gerichtshandeln Gottes („De adventu domini
ad iudicium"; 384-408) ohne spekulative Anklänge.

Der Gerichtstag sei nicht „calculandus" (69, 4f; vgl. 72. 11).
die „multi antichristi" (vgl. Ilo 2, 18) werden weder im kirchlichen
noch im zeitgeschichtlichen Umfeld verifiziert, sondern mit
Nikolaus von Lyra letztlich auf einen spiritualisierenden Schrift-