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Ausgabe:

1991

Spalte:

855-857

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

God and being 1991

Rezensent:

Schüßler, Werner

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 11

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lieh macht und deshalb einer Offenbarung aus der Transzendenz
bedarf), um die dritte Stufe, die philosophische Religion, nur zu
erwähnen. Die reine Nachzeichnung der Schellingschen Religionsphilosophie
nimmt man dem Vf. ab.

Dagegen verliert hier die SchellingArn/f'fc des Vf.s erheblich an
Niveau. Das zeigt sich schon argumentativ: „Nach Überzeugung
der Theologie ist der Glaube - verstanden als personaler Akt des
Menschen - die der Offenbarung allein gemäße Antwort des
Menschen." (246) Gibt es die die Theologie? Und gibt es sie als so
fragloses Gebilde, daß von ihr aus so ohne weitere Argumente
gegen eine argumentativ-kritische Philosophie Einspruch erhoben
werden kann? Inhaltlich wird gegen Schelling eingewendet:
„ Eine Untersuchung des religiösen Aktes (als eines mit Wille und
Vernunft vollzogenen Aktes)" - die dem Vf. bei Schelling angeblich
fehlt - „ist in einer Religionsphilosophie somit unverzichtbar
. " (250) Diese Kritik setzt in Erstaunen, da der Vf. auf S. 243
selbst eine Analyse des Glaubensaktes bei Schelling aufzeigt!
Aber man versteht, was der Vf. meint, denn Glaube ist - anders
als bei Schelling - bei ihm Werk: „ Da allein der Glaube über Heil
und Unheil des Menschen entscheidet, ... muß sich der ganze
Mensch im Akt der Glaubensentscheidung in jenem innersten
Kern seiner Person engagieren, ..." (247) Hier denkt Schelling
freilich anders, da für ihn Glaube nur eine Gabe des transzendenten
, in ontologischer Differenz zum Menschen stehenden Gottes
sein kann und nicht menschliches Werk, menschliches Engagement
. Dabei ist die Position Sendlings begründet, die des Vf.s
nur behauptet. Man gewinnt den Eindruck, daß hier die katholische
Dogmatik, wie sie der Vf. versteht, kritiklos gegen die kritische
Religionsphilosophie Sendlings ausgespielt wird.

So hat die Arbeit ihre Schwächen. Dennoch hat sie der Rez.
gern gelesen, gerade wegen ihrer Möglichkeit einer neuen Begegnung
mit Sendlings Spätphilosophie; und sicher wird es vielen
Lesern ebenso ergehen wie ihm.

Marburg Günther Keil

Systematische Theologie: Dogmatik

Hummel, Gert [Ed.]: God and Being/Gott und Sein. The Problem
of Ontology in the Philosophical Theology of Paul Tillich/Das
Problem der Ontologie in der philosophischen Theologie Paul
Tillichs. Contributions Made to the II. International Paul Tillich
Symposium held in Frankfurt 1988/Beiträge des II. internationalen
Paul-Tillich-Symposions in Frankfurt 1988. Ber-
lin-New York: de Gruyter 1989. XI, 269 S. 8 = Theologische
Bibliothek Töpelmann, 47. Lw. DM 98,-.

Der Band enthält, wie der Titel schon sagt, die Beiträge des II.
Internationalen Paul-Tillich-Symposions, das vom 27.-29. Mai
1988 in Frankfurt stattfand. Dieses Symposion, das seit Tillichs
100. Geburtstag 1986 alle zwei Jahre stattfindet - Veranstalter
sind die Professoren Carl Heinz Ratschow (Marburg) und Gert
Hummel (Saarbrücken) -. ist inzwischen zu einem Forum internationaler
wissenschaftlicher Arbeit an der Theologie Paul Tillichs
geworden. Von den über 50 Teilnehmern und Gästen aus
sieben europäischen und außereuropäischen Ländern haben 17
Referate gehalten, die hier abgedruckt sind.

Der Band ist in drei thematische Teile gegliedert. Teil I enthält Beiträge
zum Thema „Möglichkeiten derontologischen Rede von Gott". (G. Wcnz.
Tillichs Kritik des Supranaturalismus. 3-29: V. L. Nuovo. Fablcs of iden-
tity. 30-47: Ch. E. Winquist. Hcterology and ontology in the thought of
Paul Tillich. 48-58; P. Steinacker. Passion und Paradox - Der Expressionismus
als Verstehenshintcrgrund der theologischen Anfange Paul Tillichs.
Ein Versuch, 59-99: R. P. Scharlemann. Ontologie: Zur Begriffsbestimmung
bei Tillich in den zwanziger Jahren. 100-107; H. Jahr. Der Begriff
der „Gestalt" als Schlüssel zur Metaphysik im Frühwerk Paul Tillichs.

108-125), Teil II zum Thema „Gestaltweisen der ontologischen Rede von
Gott" (J. S. Boozer. Beingand history in Paul Tillich's theology. 129-146:
G. Keil, Die Wiedervereinigung des Getrennten und das Problem der Zeit.
147-155; G. Vahanian, Tillich's theology of culturc in the encounterbe-
tween East and West: ontology and utopia, 156-164; J. Ringlebcn. SymW
und göttliches Sein. 165-181; H. Schwarz. Opcn questions concerningä
personal God in Paul Tillich's Systematic Theology. 182-189; Z. Kucera.
Unser Reden von Gott zwischen Theismus und Atheismus. 190-198) und
Teil III zum Thema „Folgen der ontologischen Rede von Gott" (W. L
Rowe. Analytical philosophy and Tillich's views on freedom. 2OI-2l0:
J.-C. Petit. Wahrheit und Kairos beim frühen Tillich. 211-222: Ders.. Einige
Bemerkungen über die Bedeutung des Nichts in Tillichs Religionsverständnis
und für die religiöse Erfahrung der Moderne. 223-229: T. Thomas
. Paul Tillich, ontology and cultural boundaries. 230-249: M. A. Stenger
, The limits and possibilities of Tillich's ontology for cross-cultural and
feminist theology, 250-268).

Wie diese Übersicht zeigt, so sind hier verschiedene Beiträge
vertreten, die sich nur sehr schwer unter das Hauptthema oder
einen der drei Teilaspekte einordnen lassen. Aber das ist wohl
kaum zu vermeiden, wenn - wie in diesem Falle - die Referatsthemen
vom Veranstalter nicht vorgegeben werden. Und wie bei
so manchen Symposions-Akten, findet der Leser auch hier nicht
nur nova, sondern auch vetera.

Es ist mir im Rahmen dieser Rezension aus Raumgründen leider
nicht möglich, alle Beiträge genauer unter die Lupe zu nehmen
. Ich möchte mich darum hierauf einen Beitrag beschränken,
der m. E. entscheidend Neues für die Tillich- Forschung beisteuert
, nämlich den Beitrag von Gunther Wenz über „Tillichs
Kritik des Supranaturalismus" (3-29).

Tillichs Kritik am Supranaturalismus, die sich durch sein ganzes
Werk hindurchzieht, ist ja bekanntlich schon Thema seiner
Habilitationsschrift. Wenz kann überzeugend nachweisen, daß
Tillich selbst in der „Systematischen Theologie" „nur bereits in
der Habilitationsschrift gegebene Einsichten entwickelt" (22).
Und was der Lehrer Lütgert schon an der Habilitationsschrift kritisierte
, daß sie - entgegen dem ursprünglichen Titel - nicht historisch
sei, sondern „rein logisch, rein dialektisch" (14). trifft in
noch stärkerem Maße auf die „ Systematische Theologie" zu: Tillich
unternimmt hier „nicht einmal mehr ansatzweise den Versuch
seine Supranaturalismuskritik theologiegeschichtlich
auszuweisen " (22). In diesem Sinne ist der Supranaturalismusbe-
griff bei Tillich keine „theologiegeschichtliche Kategorie": sondern
das „Verdikt einer gewissermaßen zeitlos falschen Den-
kungsart" (23), nämlich der Denkungsart, die das Göttliche
vergegenständlicht: „Tillichs gesamte Supranaturalismuskritik
ist im Grunde sachlich auf diesen einen Aspekt beschränkt. Supranaturalismus
- das bezeichnet für ihn recht eigentlich nicht
mehr und nicht weniger als den unstatthaften Versuch einer Verabsolutierung
bedingter Sinnformen" (27). Damit nicht genug:
Wenz kann nämlich nachweisen, „daß der Supranaturalismus-
kritiker Tillich sich in der Frage der Verhältnisbestimmung von
Religion und Moral das Anliegen historischer Supranaturalisten
auf seine Weise durchaus zu eigen gemacht hat" (29).

Was kann der Tillich-Kenner - aber natürlich nicht nur dieser
- hieraus lernen? Ich denke an zwei Punkte: Erstens, daß man
nicht so schnell mit solchen „Schlagworten" (wie: „Das ist ja Supranaturalismus
!") bei der Hand sein sollte. Zweitens, daß Tillich
hier (wie vor und neben ihm anderen; ich denke z. B. an die
pauschale und so immer auch falsche Kritik des Aristoteles an
der Ideenlehre seines Lehrers Piaton oder Heideggers an der angeblichen
„Seinsvergessenheit" der abendländischen Metaphysik
) künstlich eine Gegenposition aufbaut, um den eigenen Ideen
stärkeren Nachdruck zu verleihen.

Was hier zu Tillichs Supranaturalismuskritik gesagt wurde,
trifft sicherlich auch auf seine Theismuskritik zu; beides hängt ja
auch eng zusammen. In seinem Beitrag „Unser Reden von Gott
zwischen Theismus und Atheismus" (190-198) folgt Zdenek