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Ausgabe:

1991

Spalte:

853-855

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Kreiml, Josef

Titel/Untertitel:

Die Wirklichkeit Gottes 1991

Rezensent:

Keil, Günther

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 11

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n°ch mentalistischen. sondern dritten intentionalistischen Weg dert sich in zwei Teile: „A: Die Potentialität der Vernunft und die
Vor-der ralisiert. daß wir in einer symbolisch organisierten Welt Wirklichkeit Gottes (Schellings Metaphysik)" (13-109). Hier
"•ben. Kenny setzt bei einem anderen Aspekt des Werks von v. zielt die Untersuchung vornehmlich auf Schellings Umkehrung
r'ght ein. bei dessen Unterscheidung zwischen Erklären und des ontologischen Gottesbeweises hin. „B: Die Wirklichkeit
erstehen. Und er versucht sie neu zuzuweisen, indem er das Er- Gottes und die Religion (Schellings Religionsphilosophie)"
k|ären dem zuordnet, was mit Leben ("origin of life") zu tun hat, (110-251). Hier wird Schellings Aufweis Gottes aus der Reli-
und das Verstehen allem, was den Ursprung des Universums be- gionsgeschichte, also seine positive Philosophie behandelt. Ob-
^hn- zumindest eine formale Möglichkeit, den positivistischen wohl das die maßgeblichen Themata, ja weithin sogar die Dispo-
Ansatz zu retten. Etwas näher an tagtäglichc Fragestellungen sition der Schrift Schellings selbst sind und damit ihr gegenüber
ruckt der Beitrag von Winch. selbst wo er über den Umweg eines gar kein neuer Interpretationsgesichtspunkt eingerührt zu sein
neutestamentlichcn Gleichnisses geht; denn erstellt eine im All- scheint, sind doch die Schwerpunkte anders gesetzt (so ist z.B.
'ag mit entscheidende Frage, wer ein Nachbar sei. Und hier ar- die Für Sendling so tragende Schöpfungstheorie hier weithin beiztet
er heraus, daß es bei einer Zurechnung (z. B. „ist dies ein seite gelassen worden).

Mensch?") nicht auf biologische oder physiologische Klassifika- Vor allem aber begegnet man in dieser Arbeit dem späten
t'onen ankommt, sondern darauf, wie wir gewohnt sind, einan- Sendling in einem neueren Sprachstil unter modernen Denkho-
er und andere zuzurechnen. Dies wäre nicht nur eine Möglich- rizonten. Von daher bringt sie eine neue Begegnungsmöglichkeit
e't. die Rassismusdiskussion neu zu beleuchten, sondern auch mit der Schellingschen Spätphilosophie. Für die man dankbar ist.
e>n Weg. die Ausgangsdiskussion auf praktische Weise fortzufüh- Da diese Philosophie auch religionsphilosophisch und - besonnen
. In eine ganz andere Richtung zielt der Beitrag von Nagel. ders in ihrer supralapsarischcn Christologie - auch theologisch
em es darum geht, die moralischen Grundlagen politischen interessant ist. dürfte die Arbeit auch für diese Disziplinen von
"andelns. das liberalen Positionen verpflichtet ist, aufzudecken Interesse sein.

Und nach deren Kohärenz und Begründbarkeit zu fragen - dies In Teil A zeigt der Vf.. daß Für Sendling vom reinen Wesen (=
'"sbesondere angesichts z. B. religiös fundierter Positionen, die, bloßer Möglichkeit) Gottes kein Weg zur Existenz Gottes Führt
gemäß liberaler Überzeugung toleriert, ganz präzise Einstellun- und Führen kann. Hierin zeigt sich die Ohnmacht der Vernunft,
gen des Staates etwa gegenüber der Abtreibung einfordern. In Erst wenn in der Ekstase (= im Außer-sich-Setzen der Vernunft)
eine bloß vordergründig ähnliche Richtung zielt Wellmer, der die Wirklichkeit Gottes (= die Urbejahung des Seins) gesichert
a°er in Anschluß an Habermas eine eigene Plattform Für derar- ist, kann nun umgekehrt die Vernunft sagen, daß das in der Ek-
t'ge Fragestellung installiert, nämlich den Diskurs, und dann hier stase gegebene Wirkliche wirklich Gott als die Idee des Seienden
■e Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Dimensionen selbst ist. Das aber bedeutet die Umkehrung des ontologischen
^on Wahrheit unter der Perspektive eines gemeinsam verpflich- Gottesbeweises: Nicht wird aus dem Begriff Gottes auf dessen
tenden Lebens wünscht. Wirklichkeit geschlossen, sondern die ekstatisch gegebene Wirk-
Fürwahr spannende Beiträge - aber in zuviele verschiedene lichkeit Gottes wird von der Vernunft als identisch mit dem Beachtungen
weisend, auch wenn sich gewisse Diskussionslinien griff Gottes erwiesen, so daß nun Gott als der universale Gott von
a°zeichnen. Aber es gibt auch einen roten Faden, nämlich eine der Vernunft ausgesagt werden kann.

stets auf Wittgenstein zurückgreifende Auseinandersetzung mit Der Kritik des Vf.s an Sendling, daß hierbei Wesen (= Begriff)
<jem vielschichtigen Werk des Philosophen von Wright. Und und Potenz (= Möglichkeit) gleichgesetzt werden, stimmt man
damit ist auch deutlich, wen dieser Reader angeht: den an grund- gern zu: „ Die strikte Gleichsetzung von essentia und potentia erbenden
Fragen der Gesellschaftswissenschaften interessierten, laubt es. alle Wesen mit einem Schlag als endliche Wesen zu qualinterdisziplinär
ausgerichteten Forscher. Und dies schließt im fizieren" (weil sie alle bloß möglich sind). „Dies hat zur Folge.
Blick auf die Theologie - gerade auch den Sozialethiker ein, der daß der Begriff des höchsten Wesens problematisch wird" (95)
sich Für eine gesellschaftliche Anbindung und Vermittlung seiner (wei| auch es dann nicht bloß potentia = bloß Wesen. Begriff sein
Einsichten engagiert. kann und damit jenseits des Begriffes seine Wirklichkeit dargetan
werden muß). Aber liegt das eigentliche Problem, von Vf. unKöln
Wolf-Dietrich Bukow gesehen, nicht noch tiefer? Alle Wirklichkeit ist (auch Für Sendling
) nur kontingent; von ihr aus Führt deshalb kein Weg. auch
nicht mit nachträglicher Hilfe des Begriffes, zum notwendigen,
gar zum absolut notwendigen Wesen, wenn dieses nicht schon
Kreiml. Josef: Die Wirklichkeit Gottes. Eine Untersuchung über immer in der Notwendigkeit des Begriffes selbst gelegen hat. Der
die Metaphvsik und die Religionsphilosophie des späten ontologische Gottesbeweis läßt sich also nicht auf diese Weise
Sendling. Regensburg: Roderer 1989. XIII, 259 S. 8 = Theo- umkehren.

rie und Forschung, 71. Philosophie und Theologie, 7. Kart. Nebenbei: Das Grundproblem des ontologischen Gottesbeweises dürfte
DM 48,-. Joch woh| scjn 0b Sein ein Prädikat ist. das sich selbst zukommt, oder

nicht. Kommt es sich nämlich selbst zu. so ist im Falle des Seins selbst, also
Daß dem späten Sendling gegenwärtig wieder viel Beachtung Got(cs das Sejn cjn ana|yiischcs Prädikat (Sein kommt sich selbst zu und
geschenkt wird, versteht sich schon aus dessen Themen und Be- |äßt sjcn deshalb aus sich selbst erschließen: Dem Sein selbst [- Gott]
griffen: Ontologische Differenz: Seiendes und Seiendes selbst kommt Sein zu), und Kant hat sich geirrt. Kommt aber Sein sich selbst
(heute: Sein selbst): absolute Freiheit: Wesen und Existenz; nichtzu.dannsagtkcinScinsurtcilmehrdicSeinsgültigkcitscincscigcncn
u.a.m. Auch wenn bei Heidegger. Tillich. Sartre u.a. diese Be- Prädikats„Sein"aus(weilSeinsichselbst nicht zukommt), und kein Scins-
griffe nicht exakt in der Bedeutung wie beim späten Sendling ver- "«eil sagt damit letztendlich noch Sein aus.

wendet werden, so ist doch die thematische Verwandtschaft so Es bleibt dem Vf. zu danken, daß er selbst zwar nicht in solche
groß, daß sie das neue Interesse an diesem rechtfertigen. In diese Tiefen vorstößt, aber den. der sich über das von ihm Gesagte Geneue
Zuwendung zum späten Sendling gehört auch die hier zu danken macht, dazu anleitet.

besprechende Arbeit, eine Dissertation an der Katholisch- In Teil B analysiert dann der Vf. Schellings religionsgeschicht-
Theologischen Fakultät der Universität Regensburg. liehe Stufentheorie, die bei der Religion der Mythologie (= natur-

Die Arbeit, die sich vornehmlich mit Schellings „ Philosophie gegebener Religion) anhebt, sich dann breit der Religion der Of-
der Mythologie und der Offenbarung" beschäftigt und sie vom fenbarung zuwendet (der Religion also, die durch den
Thema der Wirklichkeit Gottes her interpretieren möchte, glie- Transzendenzbegriff eine natürliche Erfahrung Gottes unmög-