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Ausgabe:

1991

Spalte:

847-849

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Terray, László G.

Titel/Untertitel:

In königlicher Freiheit 1991

Rezensent:

Fónyad, Pál I.

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 11

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spruch erhebt, wenn dieser durchweg bemüht ist. bei Hirsch Kontinuität
herauszustellen und sich dabei auch auf meine Untersuchung
über Hirsch bezieht. Gleichwohl möchte ich die generelle
Behauptung einer geradlinigen, wenn auch gesteigerten Entwicklung
an einigen Punkten modifizieren. Vor allem glaube ich, daß
Reimer zu stark die Zwei-Reiche-Lehre zu einem von Anfang an
klar definierten Thema macht, wenn es auch wahr ist, daß Hirsch
ein damit zusammenhängendes Sachkriterium von Karl Holl
übernommen hatte.

J. Reimers Verdienst bleibt es aber, eine differenzierte Analyse
der zwei Schlüsselfiguren vorgelegt zu haben. In einem Teilergebnis
heißt es vergleichend: "There is no doubt, that Tillich's pro-
phetic-eschatological theology which put a premium on time and
emigration over space and rootedness, distinguished his theology
in a fundamental way from Hirsch's two-kingdom theology,
which made room for an unqualified allegiance to national
ethos" (111). Dies wird aber später ergänzt und weitergeführt im
Blick auf die große Konfrontation 1934-1935: "In short, one
might say, Hirsch turns Tillich's Charge of heresy around by que-
stioning the soundness of Tillich's own theology in the light of
Reformation thought" (323).

Aarhus Jens Holgcr Schjorring

Terray, Läszlö G.: In königlicher Freiheit. Bischof Lajos Ordass
1901-1978. Erlangen: Martin- Luther-Verlag 1990. 229 S., 16
Taf. 8 . geb. DM 25,-.

Person und Amt des Bischofs der Evang.- Lutherischen Kirche
in Ungarn (ELKU) Lajos (Wolf) Ordass standen und stehen seit
seiner Amtseinführung als Bischof im September 1945 im Streit
der Meinungen. Waren die Besetzung Ungarns durch Hitler-
Deutschland, die politische Machtübernahme der Kommunistischen
Partei im Jahre 1948 und der Aufstand im Oktober 1956
sowie (nach dessen Niederschlagung) die immer schärfer werdende
Konfrontation mit dem wiedererrichteten Staat der Kommunisten
und die unerbittliche Angleichung der ELKU an das totalitäre
Machtverständnis des Staates stets eine mitunter für die
Gesamtkirche wie auch für Einzelpersonen lebensbedrohende
und existenzgefährdende Herausforderung, so rückten Person
und Amt von Ordass stets in den Mittelpunkt der Verhandlungen
zwischen Staat und Kirche. Schließlich galten sie oft als Punkt 1
des Forderungskatalogs der jeweiligen Machthaber. Noch Jahre
nach seinem Tod (1978) sorgte Ordass für Auseinandersetzungen
in seiner Kirche selbst: War er doch zweimal seines Amtes enthoben
und nur einmal rehabilitiert worden. Im Zuge der Umwälzungen
der letzten Jahre auch in der ELKU stellte sich immer
wieder die Frage nach der Rechtmäßigkeit und der kirchenver-
fassungkonformen Wahl seiner späteren Nachfolger im Bischofsamt
. Die im Frühjahr 1991 tagende Synode der ELKU machte
sich die Neukonstituierung der Kirche und die Verabschiedung
einer neuen Kirchen verfassung zur Aufgabe. Für die Bewältigung
dieser Aufgabe und für die Beurteilung der jüngsten Geschichte
und der Veränderungen in der ELKU ist die Kenntnis von Person
und Amt des Bischofs Ordass unerläßlich. Bereits aus diesem
Grunde ist es erfreulich, daß die vorliegende Biographie Ordass'
rechtzeitig auch in deutscher Sprache erscheinen konnte. Leider
liegt eine ungarische Ausgabe, die gerade für die betroffene
ELKU von größter Bedeutung wäre, immer noch nicht vor. Der
Vf.. ein persönlicher Freund von Ordass und Streiter für seine
Sache, benutzte vorwiegend die in Originalsprache edierten
„Ausgewählten Schriften" (1982) und die Selbstbiographie
(1985) von Ordass, die interessierten Zeitgenossen in textkritischer
Ausgabe zugänglich sind.

„Er konnte nicht anders" - so kann das Lebenswerk von Ordass
charakterisiert werden und so lautet auch der Titel der norwegischen
Erstausgabe von Terrays Werk („Hann kunne ikke
annet". En bok om den ungarske biskop Lajos Ordass. Luther
Forlag, Oslo 1984), der ungleich treffender ist als der sehr pathetisch
anmutende deutsche Titel „In königlicher Freiheit".

Kindheit, Jugend, Studentenzeit und Vikariat werden in den
ersten sieben Kapiteln (9-42) behandelt und bilden auch bei Ordass
das Fundament für sein ganzes Leben: Diasporasituation.
Bekenntnistreue, Liebe zu Kirche und Vaterland, Absage an Beeinflussung
und sogar Unterlaufung von Kirche und völkischer
Minderheit durch Hegemoniesehnsucht, persönliche Armut und
Existenzkampf, erste Berührung mit den skandinavischen evangelischen
Kirchen. Für Nichtkenner des ungarischen Protestantismus
und der politischen Veränderungen in den dreißiger und
vierziger Jahren sowie für das Verstehen späterer Entscheidungen
von Ordass wäre eine umfassende Darstellung der Zeit bis
1945 in Ungarn nur von Gewinn.

Terray hält sich konsequent an die Gattung „Biographie", die
er in einem gut leserlichen Erzählstil bewältigt, doch die starke
Personenorientiertheit hindert ihn an einer kritischen Betrachtung
der Ereignisse und der Person von Ordass. auch wenn er andeutet
, daß es „für einen Außenstehenden unmöglich sei", über
das Verhalten leitender Persönlichkeiten der Kirche (gemein!
sind jene nach der neuerlichen Absetzung von Ordass) zu entscheiden
(198). Nicht weniger war, ist und bleibt Ordass ein
„Christuszeuge für unsere Zeit" (210). Terray kann wiederholend
nur eine Wertung zulassen: „Er konnte nicht anders." (183
und 212).

Was konnte Ordass nicht anders? Ordass konnte nur antworten
(auf drängende Fragen des Leiters des Staatlichen Kirchenamtes
), „daß seine Kirche immer für ihre Identität und Integrität
hätte kämpfen müssen." (189) Um diese zwei lebenswichtige
Fragen ging es ihm von den Anfängen seines Bischofsamtes bis zu
seinem Tode. Sein Ringen darum wird in eindrucksvoller Weise
und in verständlicher Darstellung politischer Sach- und Ent-
scheidungszwänge geschildert: In Abwehr deutschnationaler und
ideologischer Spaltungsversuche und Agitation, in Rettungsversuchen
für Juden wie dann nach Ende des Krieges auch für Ungarndeutsche
, im Gefängnis dem Todesurteil nahe und im Schauprozeß
gegen ihn, weil er sich des staatlichen Zugriffes erwehrte,
im Wirrwarr personeller Schachzüge und der vermeintlichen
oder tatsächlichen Loyalität kirchlicher Persönlichkeiten gegenüber
dem Staat und in seinem oft verzweifelten Versuch zu verhindern
, daß aus der ELKU „eine osteuropäische Staatskirche"
wird. Für seine Konsequenz und Standhaftigkeit schöpfte er
Kraft in seinem täglichen Bibelstudium, was ihm seitens seiner
Gegner in der Kirche das Prädikat „starrsinnig" und „pietistisch
" einbrachte. (52-183 und 193-204)

Nach seiner zweiten Amtsenthebung 1958 (184-192) war Ordass
bis zu seinem Tode, obwohl Vizepräsident des Lutherischen
Weltbundes, an jeder öffentlichen Funktion im In- und Ausland
gehindert. Er widmete sich schließlich der Übersetzungstätigkeit
aus dem Schwedischen, Norwegischen. Deutschen, Isländischen
und Englischen. Auch mit dieser Arbeit erwies er seiner Kirche
unbedankt gute Dienste (205-212).

Terray sieht es nicht als seine Aufgabe an. auch die Spätzeit
von Ordass zu werten (außer in einigen positiven Feststellungen),
denn diese so wie auch die Auswertung der Geschichte der ELKU
seit 1945 bedarf einer tatsächlich gründlichen wissenschaftlichen
Forschungsarbeit. Jedoch wäre es die Aufgabe des Vf.s (gewesen),
um der Verständlichkeit willen die Polarisation der theologischen
und der frömmigkeitsgeschichtlichen Position von Ordass'
Mitstreitern und Widersachern (Kendeh. Keken. Türöczy.
Szabö, Dezsery, Radvänszky, Mihälyfi, Käldy usw.) als Hintergrund
für viele Spannungen oder auch Einverständnisse zu schildern
.

Wichtige Wendepunkte werden mit Zitaten aus Reden. Predigten
und Schriften (leider ohne genaue Quellenangabe) belegt.