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Ausgabe:

1991

Spalte:

832-834

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Pilhofer, Peter

Titel/Untertitel:

Presbyteron kreitton 1991

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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831

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 11

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fenbarungsbegriff von Wolfhart Pannenberg, Hartmut Gese und
Max Seckler mit dem Ergebnis, daß er sich Secklers Formulierung
anschließt: Im Glauben kommt die Offenbarung erst ans
Ziel (172). Nun erörtert H. den Offenbarungsbegriff des Neuen
Testaments mit dem Ergebnis einer „Argumentationsanalogie''
der beiden Testamente (177). „ .. .das Wort Offenbarung ist, wenn
man so will, ein Begegnungsbegriff' (183). Oder er behauptet,
„daß Offenbarung ein Prozeß ist, der sinnvoll nur ausgesagt werden
kann, wenn der, dem Offenbarung widerfährt, in diesen Prozeß
einbezogen ist" (190). „Dem Glaubenden widerfährt nicht
nur Offenbarung, er selbst wird konstitutiver Part in diesem Geschehen
" (195). Das alles wird dann wieder in systematischtheologischen
Erwägungen zum biblischen Offenbarungsbegriff
(203ff) vertieft. H. fragt nach den anthropologischen Voraussetzungen
, die Offenbarung von der Seite des Menschen her überhaupt
erst möglich machen. Das wird nun (im weiteren Sinn) im
Anschluß an Heidegger, im näheren Sinn in (vorsichtigem) Anschluß
an bestimmte Motive bei K. Rahner erörtert. Der Mensch
erscheint offenbarungsfähig, weil er „immer schon und wesenhaft
transzendentales Sein" ist (208), d.h. weil er offen ist Tür
alles Seiende und damit auch für den personalen Seinsgrund. Offenbarung
wird phänomenologisch bestimmt. Wenn der Mensch
Offenbarung vernimmt, dann nimmt er jenes Phänomen hin,
„ das sich als von Gott her kommend zeigt "(218). Diese Offenbarung
zeigt sich aber im Wort. Es wird „in aller Vorsicht und Behutsamkeit
gefragt" (223), ob nicht „eine gewisse Entsprechung"
besteht zwischen dem Heideggerschen Satz, daß erst das Wort ein
Ding anwesend sein läßt, und dem paulinischen Motiv, demzufolge
die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Wort
erfolgt. Kann (wie H. das bekannte Gedicht von Stefan George
paraphrasiert) dort ein Gott sein, „wo das wort gebricht" (223)?
Freilich entsteht dann die Aporie, wie sich das Transzendente
dem Endlichen zeigen kann. Um hier weiterzukommen, reflektiert
H. nicht mehr a priori die Frage nach der Möglichkeit der
Offenbarung, sondern a posteriori die Offenbarungstatsache
selbst, nämlich die Versöhnung, die Christus gestiftet hat. Dabei
gehört wiederum das „glaubende Hören" „konstitutiv zum Versöhnungsgeschehen
" hinzu (226). Da die iustificatio ein konstitutives
Moment der Versöhnung darstellt, hält H. hier (wie sonst
als betont lutherischer Theologe) „an der zentralen Rolle der
Rechtfertigung für die paulinischen Theologie" fest (227). Die
Rechtfertigungsthematik ist deshalb zentral, weil der Mensch essentiell
ein forensisches Wesen ist. So ist also Offenbarung (und
daraufläuft letztlich alles hinaus) kein lediglich noetischer, sondern
ein ontischer Vorgang. Der Mensch hört nicht nur das Neue,
er wird dadurch selbst ontisch erneuert. Und: Offenbarung ist
nach alledem „ von den soteriologischen Aussagen der Schrift her
zu bestimmen" (237). Von da aus gedenkt H. dann auch, die alt-
testamentlichen Aussagen in die Offenbarungsaussagen des
Neuen Testaments einzuzeichnen.

Der vierte Traktat beschäftigt sich mit der Frage: „Der eine
Gott und die beiden Testamente" (240ff). „ Von erheblicher theologischer
Relevanz ist für diese Problematik die inneralttesta-
mentliche Entwicklung in religionsgeschichtlicher Hinsicht"
(242). H. stellt die Entwicklung der alttestamentlichen Gottesvorstellung
dar von den Anfängen bis zum Monotheismus im
strengen Sinn. Hier ist H.s Hinweis auf die etwa gleichzeitige
Ausbildung monotheistischer Motive im griechischen Kulturkreis
von Bedeutung (2480- Und ebenso bedeutend ist der Hinweis
auf die in hellenistischer Zeit eintretenden Veränderungen
der jüdischen Gotteslehre. Ergebnis: Der Monotheismus bildet
nicht die Klammer, die beide Testamente zusammenhält (250).
Was ist dann das Gemeinsame? „Es ist die Gesamtausrichtung
des Menschen Gott gegenüber" also der „Deus pro nobis" (254)
bzw. wie H. auch sagen kann: Es ist der Glaube, insofern der
Glaube Israels und der Glaube an den Vater Jesu Christi „ im tiefsten
ein und derselbe Glaube ist", und deshalb ist der Gott des
Alten Testaments mit dem des Neuen identisch (255). Im Zusanv
menhang damit formuliert H. das Programm für die ausstehende
Untersuchung: Die folgende Untersuchung wird zu analysieren
haben, wie der Glaube Israels vom Neuen Testament aus rezipiert
worden ist.

Wie ist dieses Verhältnis jeweils aufgefaßt? Als ein Nacheinander
von Offenbarungsepochen oder als ein Ineinander „womöglich
als ein Auflösen der Zeit, als ein Überstieg in die Kategorie
der Überzeitlichkeit?" (256) Was die Mesolegomena auf diesem
Gebiet zu bearbeiten haben, werden Epilegomena in begrifflicher
Synthese zu verdichten haben und dabei könnte schließlich das
grundsätzliche Thema der Relation von Offenbarung und Zeit
(bzw. der menschlichen Zeitlichkeit) in Erscheinung treten.

Ein kurzer, fünfter Abschnitt (2580 macht Anmerkungen zu
den zeitgenössischen Auslegungsmethoden, vor allem unter Hinweis
auf die Habilitationsschrift von D.-A. Koch. Die Schrift als
Zeuge des Evangeliums, 1986.

Der Rez. weiß sehr genau, daß diese wenigen oberflächlichen
und lediglich referierenden Bemerkungen keinen entsprechenden
Eindruck von der Geschlossenheit, Tiefe und Klarheit des
Ganzen vermitteln können. H. beherrscht nicht nur in souveräner
Weise den weitgespannten Bogen der anstehenden exegetischen
Fragen, sondern er ist auch imstande, die exegetischen Einsichten
in systematischer Darstellung zu verdichten. Auch wenn
vom Gesamtprojekt jetzt erst die Prolegomena vorliegen, kann
man sich bereits ein bestimmtes Urteil bilden. Die biblische
Theologie H.s verspricht, ein grundlegendes Werk zu werden.

Natürlich kann man bei einem solchen Programm immerauch
kritische Fragen stellen: So fällt auf, daß die Rolle der Sakramente
in der Vermittlung der Offenbarung ganz zurücktritt. Man
kann auch fragen, ob wirklich das Theologomenon der Versöhnung
jene zentrale Stelle einnimmt, die ihm H. zubilligt: Geht
der Versöhnung nicht sachlich das Ostermysterium voraus und
diesem wiederum die Inkarnation? Ist nicht das Geschehen der
Inkarnation die wirkliche „Mitte des Neuen Testaments"? Oder
(wiederum eine andere Frage): Welche Rolle kommt den urchristlichen
Bekenntnissen im Gefolge einer biblischen Theologie
zu? Aber solche und ähnliche Fragen finden vielleicht in den
weiteren Ausführungen ihre zureichende Beantwortung. Wünschen
wir dem Autor, daß der Leser sehr bald die Durchführung
des Programms und die Epilegomena in den Händen halten
kann.

Wien Kurt Nicderwimmer

Pilhofer, Peter: Presbyteron Kreitton. Der Altersbeweis der jüdischen
und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte.
Tübingen: Mohr 1990. XVII, 339S.gr. 8 = Wissenschaftliche
Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe. 39. Kart.
DM 78,-.

Der originelle Titel ist einem Fragment des um 400 v. Chr. lebenden
Pythagoräers Timaios von Lokris (bekannt als Gesprächspartner
des Sokrates in Piatons gleichnamigem Dialog) entnommen
, wo er sich in archaischem Sprachgewand findet: das Ältere
ist das Bessere (hat Vorrang gegenüber dem Jüngeren). Die Wendung
greift auf eine ontologische Grundüberzeugung zurück, die
auch das alltägliche Denken des antiken Menschen tief geprägt
hat. Sie ist Voraussetzung des Altersbeweises, der in der Reflexion
über Wissenschaft. Philosophie und Religion bei den griechischen
Schriftstellern und den römischen Autoren eine zentrale
Rolle spielt. Er beherrschte die apologetische Literatur des
Judentums und wurde im 2. Jh. n. Chr.. beginnend mit Justin
dem Märtyrer bei den Kirchenvätern, vor allem bei den griechischen
und lateinischen Apologeten, zur wichtigen Stütze theolo-