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Ausgabe:

1991

Spalte:

820-822

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Dreytza, Manfred

Titel/Untertitel:

Der theologische Gebrauch von Ruah im Alten Testament 1991

Rezensent:

Heller, Jan

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Menschen von derartigen Argumenten beeinflussen lassen"
(143). Hier stehen die Kirchen vor dem Grundproblem, wie lebendige
, in die Tiefe reichende Erfahrungen von und mit Gott
dem einzelnen vermittelt werden können, so daß er nicht orientierungslos
dem Satanismus, dem Hexenkult oder ähnlichen Vorgängen
verfällt.

Markkleeberg Hans Seidel

Altes Testament

Brettler, Marc Zvi: God is King. Understanding an Israelite Me-
taphor. Sheffield: JSOT 1989. 239 S. 8 = Journal for the Study
of the Old Testament, Suppl. Series 76. Lw. £ 25.-.

Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die stark revidierte
Fassung einer Dissertation, die 1986 an der Brandeis Uni-
versity angenommen worden ist. Der Vf. hat sich viel vorgenommen
. Er möchte unter Anwendung neuerer sprachwissenschaftlicher
Metapher-Forschung in einer primär synchron
orientierten Untersuchung zeigen, wie die Metapher ,Gott
ist König' "functioned within Israelite society" (15). Die Methode
, mit der dies erreicht werden soll, nennt der Vf. mit Vorliebe
"'unpacking' the metaphor" (22 u.ö.). Dahinter steckt
keine sonderlich komplizierte Theorie (vgl. das einleitende methodische
Kapitel, 17-28). Das Königtum Gottes wird als eine
Projektion des irdischen Königtums in Israel verstanden, wobei
es auf die genaue Beobachtung ankommt, welche Phänomene des
irdischen Königtums auf Gott appliziert werden und welche
nicht. Im Vollzug des 'unpacking' kommt der Unterschied zwischen
"vehicle" (in diesem Falle ,König') und 'tenor' (man
könnte übersetzen: wesentlicher Inhalt, in diesem Falle ,Gott')
zum Vorschein (vgl. 21). Aufregend neu ist das nicht, aber das
neu geschneiderte theoretische Gewand will getragen werden.

Vf. realisiert sein Vorhaben in weiteren fünf Kapiteln (29-
158), in denen er königliche Benennungen, Eigenschaften und In-
signien behandelt, ferner alles, was zu Königtum und Herrschaftsausübung
hinzugehört (Palast. Hofhaltung, Bautätigkeit,
richterliche Funktion. Hofstaat etc.). Abschließend ist ein Kapitel
der Inthronisierung gewidmet. Der Vf. untersucht dabei beständig
, welche Züge des irdischen Königtums mit welcher Intention
auf Gott projiziert worden sind. Merkwürdigerweise fehlt
ein Kapitel über die Rolle des Königs als Feldherrn, im Alten Testament
wie im Alten Orient gewiß nicht die unwichtigste (und in
manchen Aspekten in anderen Kapiteln auch berücksichtigt),
deren thematische Ausklammerung nicht ganz einsehbar entschuldigt
wird (vgl. 26).

In einer derart angelegten Arbeit muß zwangsläufig viel Bekanntes
wiederholt werden, wobei der Eindruck nicht ausbleibt,
daß viel von der Arbeit, die in den theologischen Wörterbüchern
und anderen Werken vorliegt, nicht ausgewertet worden ist.
Doch die Zusammenstellung von Zügen des irdischen Königtums
, die keine Entsprechung beim Königtum Gottes haben, ist
nützlich und in dieser Konzentration bisher nicht verfügbar gewesen
. Daß dabei als Selektionskriterium die Wahrung der Eigenständigkeit
Gottes und seiner adäquaten (bildlosen) Verehrung
von großer Bedeutung gewesen ist, kann der Vf. an vielen
Punkten plausibel herausarbeiten.

So wird auch derjenige Gewinn von diesem Buch haben, der
die allzu umfassende Applikation der Projektionstheorie und das
'unpacking' für weitgehend inadäquate Erklärungsversuche hält
(auch im Blick auf den himmlischen Hofstaat, vgl. lOOff). Nicht
von ungefähr konstatiert der Vf. bei der käböd- Vorstellung
selbst: "Although the divine attributes originated as projections
of royal attributes. these divine attributes shaped the lexicon of

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human kingship" (74). Eine Anfrage an die eigene methodische
Voraussetzung erfolgt aus dieser Beobachtung leider nicht. Eine
Auseinandersetzung des Vf.s z. B. mit E. Cassin. La splendeur divine
(1 968) wäre interessant und für die eigene methodische Absicherung
wichtig gewesen.

In einem unausgemittelten Verhältnis stehen in dieser Arbe'1
zuweilen synchrone und diachrone Betrachtungsweise. Obwohl
man dem Vf. zugute halten muß, daß die gelungene Vereinigung
beider Aspekte notorisch schwierig ist. nimmt es doch wunder-
wieso bei primär synchronem Interesse z. B. in Ps93 das dialektisch
spannungsvolle Miteinander von Königwerdung und ewigem
Königtum Gottes in ein literarhistorisch diachrones Nacheinander
aufgelöst wird (vgl. 146.157). Hier ist die Chance der
synchronen Betrachtungsweise für die theologische Durchdringung
nicht genutzt worden. Indessen vermißt man bei den
Thronbesteigungspsalmen (vgl. 145ff) die notwendigen theologiegeschichtlichen
Differenzierungen, wie sie die grundlegende
Monographie von J. Jeremias, Das Königtum Gottes in den Psalmen
(1987) bietet. Ausdrücklich hingewiesen sei hingegen auf die
Bedenken des Vf.s gegen alle kultischen Rekonstruktionen, die
mit den Begriffen ,Thronbesteigungsfest Jahwes' oder .königliches
Zionsfest' verbunden sind (vgl. 153ff).

Zusammenfassung, Anmerkungen, Literaturverzeichnis und
Indices zu Bibelstellen und Autoren schließen das Buch ab. Wer
sich künftig mit dem Königtum Gottes befaßt, wird die Leistungsfähigkeit
des vom Vf. gewählten methodischen Zugangs
gut an diesem Werk überprüfen können.

Hannover Hermann Spieckermann

Dreytza, Manfred: Der theologische Gebrauch von RUAH im
Alten Testament. Eine wort- und satzsemantische Studie. Gießen
-Basel: Brunnen 1990. 263 S. 8 . Kart. DM 39,-.

Die Arbeit ist die wohl gründlichste Untersuchung des Wortes
und Begriffes RUAH in den letzten Jahren, dabei präzise, umfangreich
und doch übersichtlich. Nach einem kurzen Vorwort mit
der Danksagung an Jenni, Seybold und v. Siebenthal finden sich
Inhaltsverzeichnis und Abkürzungsverzeichnis. Eine kurze Einleitung
steckt die Grenzen ab, in denen sich die Arbeit bewegt:
„ Als zeitlichen Rahmen setzen wir das Ende der atl. Epoche an
Methodisch geht der Autor bewußt eklektisch vor. was aber nach
der Meinung des Rez. keineswegs die durchaus überzeugenden
Ergebnisse problematisiert. Das erste Kapitel untersucht auf
Grund des epigraphischen Materials das Wort RUAH in nordwestsemitischen
Sprachen, und zwar im Ugaritischen. Eblaiti-
schen, Aramäischen und Phönikisch-Punischen. Im Ugaritischen
kann rh entweder „Geruch, Duft, Räucherwerk" bedeuten
und entspricht dann dem hebr. reah. Oder rh steht für „Wind.
Hauch", angewendet auf meteorologische Phänomene: auf den
Menschen nur im Vergleich für das schnelle und flüchtige Entweichen
des Lebens. Das eblaitische Material ist problematisch,
der Vf. meint, daß man auf eine begriffliche Parallele zwischen
rvh, ug. rh und ebl. isla verzichten muß. Im Aramäischen ist die
Bedeutung Lebensodem und Wind oder Sturm belegbar. Im Phönikisch
-Punischen begegnet rhmit Sicherheit nur an drei Stellen,
und zwar als Lebensodem oder abstrakter als Leben.

Kap. 2 untersucht die rvh-haltigen Personen- oder Ortsnamen.
Die Ergebnisse sind überraschend negativ, wohl aus dem Grund,
weil der metaphorische Gebrauch von rvh vorwiegend mit negativen
Inhalten gefüllt ist, wie Zerstörung, Gericht. Nichtigkeit
Vielleicht spielt hier auch eine religiös motivierte Scheu hinein.
Namen aus dem Bereich des Wetters zu geben. Etymologisch ist
es ein primäres Nomen, zu dem der u-Vokal als fester Bestandteil
gehört. Kap. 3 berichtet ausführlich über die bisherigen For-

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 11