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Ausgabe: | 1991 |
Spalte: | 769-771 |
Kategorie: | Praktische Theologie |
Autor/Hrsg.: | Nicol, Martin |
Titel/Untertitel: | Gespräch als Seelsorge 1991 |
Rezensent: | Ziemer, Jürgen |
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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 10 770
ggFen "eilende, in die Freiheit entlassende Kräfte zu entbinden. Im ersten Hauptteil (23-106) werden verschiedene Gesprächs-
^umgartner tendiert im Anschluß an P. Tillich und K. Rahner modelle aus dem 19. Jh. dargestellt. Die Spannweite reicht vom
lisrh'ner narrat'ven Tiefenstruktur des Glaubens, einer symbo- frühen Schleiermacher, für den das existentielle Gespräch zum
fe "narrativen Theologie. Ein Beispiel dafür sieht er in der tie- „Ort religiöser Erfahrung wird" (103) bis zu Freud, für den das
n'*ycho,°gischen Schriftauslegung etwa E. Drewermanns, den „Sprachgeschehen selbst" „zum Therapeutikum" (101) wird,
seh aUf'8 zust'mmend zitiert, wenngleich in differenziert kriti- Dazwischen liegen die Ansätze so heterogener, teils auch schil-
er Haltung. lernder Autoren wie Adam Müller, Karl Friedrich von Rumohr,
^ ™ V,I Kapitel geht es beim Brot-Brechen um die heilende Bogumil Goltz und Moritz Lazarus. Es gelingt dem Verfasser, in-
w-ra1 der Symbole des Glaubens. Hier wird kurz über die Ent- formativ und anschaulich die jeweiligen Gesprächskonzeptionen
■cklung der Symboltheorie seit E. Cassirer berichtet. Am Bei- dem Leser nahezubringen. Gemeinsam sei allen diesen Autoren,
u Taufe als Heilung der „Lebenskrise Geburt" spielt er sein ein Verständnis des existentiellen Gesprächs als eines „faszinieren
durch. renden Erlebens, eines Erfahrungsraums, der weit über rein Be-
le Vl"' Kapitel schließlich handelt von den Zielen der hei- rufliches hinaus einen wesentlichen Teil ihres Lebens aus-
te n Seelsorge: „Da gingen ihnen die Augen auf... und kehr- machte" (103). Der zweite Hauptteil ist dann dem „Gespräch
"nach Jerusalem zurück ...". Das heißt Selbstfindung, Gotte- im Deutehorizont evangelischer Seelsorge" gewidmet (107-
^enntnis. Gemeinde. 158). In einem ersten Gang werden exemplarisch zwei Ge-
as Buch ist sehr informativ und material- bzw. aspektreich, sprächskonzepte dargestellt, das von Joachim Scharfenberg
ti " ernP'rischen Implikaten, theoretischen Entwürfen und prak- (109ff) und das von Helmut Tacke (119ff). Nicol zeigt, wie es in
^Schen Beispielen gespickt. Es ist gut lesbar, bietet in den Exkur- beiden, einander so widersprechenden Ansätzen um ein echtes.
n brauchbare Einführungen in wichtige Schulen der Psycholo- d.h. wirklich „freies" Gespräch geht. Beiden Autoren jedoch at-
'e fehlt der Kognitivismus, es fehlt die Gestaltpsychologie testiert er, daß ihnen genau dies letztlich nicht gelungen sei (128).
deer auch die Diskussion um Narzißmus und Selbstkonzept in Zwar gesteht Nicol Scharfenberg für seine 1985 erschienene
eud"Schule). die Symboltheorie usw. Die Sprache ist seel- „Einführung in die Pastoralpsychologie" eine Modifikation sei-
Verlieh, intensiv um das Mitgehen des Seelsorgers bemüht, zu- ner Gesprächskonzeption zu, aber das „psychoanalytische Para-
eich realistisch (sie ist durchsetzt mit Fallbeispielen und Ge- digma" mit dem ihm eigenen „Gefälle" bleibe auch hier prä-
ö^acnsanalvsen), sensibel und ausgewogen im Urteil und gend.
bre men'scnen Gespräch. Die notwendige Tiefe kann bei der Im zweiten Gang dieses Kapitels geht Nicol dann zwei Fragen
w /ten Fächerung der Informationen allerdings nicht immer ge- nach, die für seine Bemühung um ein wirkliches Gespräch unbe-
^ n werden. Aktualität der Gesprächs- und Problemlage ist dingt gestellt werden müssen: nämlich der Frage nach der „Ge-
x js /5iUtor zu bescheinigen, der Regelkreis von Theorie und Pra- sprächsbeziehung" (128ff) und der nach der „ theologischen Qua-
ein W'rd durch8ehalten- Wichtig ist, daß der Autor sich nicht lifizierung" der seelsorgerlichen Begegnung (138ff). In beiden
tjg^"1 einze,nen psychologischen Paradigma verschreibt, was an- Fragerichtungen sind die bisherigen Antworten innerhalb der
fe[l] rSeits die Gefahr des Eklektizismus heraufbeschwört. Leider evangelischen Poimenik für Nicol unbefriedigend. So sei es bis-
P°" Register. ner kaum gelungen, das „pastorale Grundgefälle" (131) in der
s fa"t auf, daß C. G. Jung (im Zusammenhang der Symbol- Seelsorgebeziehung tatsächlich zu überwinden. Der Part des
sich0™6* n'Cht 'm gleicnen Maß krit'siert wird wie andere (was Seelsorgers werde weitgehend bestimmt durch Modelle profes-
^ auch auf die weitgehend wohlmeinende Akzeptanz von E. sionellen Helfens, sei es das des Arztes, des Verkündigers oder des
^rewermann oder M. Kassel auswirkt) - die katholische Nähe Therapeuten. Auch die theologische Qualifizierung des Ge-
p,m neuplatonischen Modell ist offensichtlich der „blinde sprächs in der Seelsorge lasse viele Frage offen. Sowohl durch das
zw des Vf s' Ailes aliem *bei der in der Fülle der Tnemen „Konflikt"-Modell (Thurneysen: durch Verkündigung muß es
an8släufig unterschiedlichen Prägnanz bzw. den positioneilen ZUm „Bruch" im Gesprächsgeschehen kommen: 141 ff) wie auch
ßenheiten) ein hilfreiches, schönes Buch. im „Identitäts"-Modell (Thilo: infolge der Identifikation des
Seelsorgegesprächs als Heilsgeschehen wird der Seelsorger zum
üncnen Hans-Jürgen Fraas Träger des seelsorgerlichen Propriums: 149ff) kann es zur „klerikalen
Bevormundung des Gesprächspartners" (1559) kommen.
^icni w „ Es fällt auf, daß bei dem Gang durch die evangelischen Seelsor-
*eherT1 ,peSPraClals See'SOr£e: Theologische Fragmente ,ehren dje VQn der kliniscnen Seelsorgeausbildung (KSA) kom-
u einer Kultur des Gesprächs. Gottingen: Vandenhoeck & , . . . D „ . °n. „. v <*™>wu
Ruprecht 1990. 199 S. m 7 Abb gr 8" Kart DM 38,-. menden Autoren (z. B. van der Geest, Piper, Riess) weitgehend
ausgespart bleiben. Im abschließenden dritten Teil (159-183)
Mit dieser Erlanger Habilitationsschrift wird das „Gespräch wird dann deutlich, daß diese Seelsorgekonzeption dem eignen
ber das Gespräch" innerhalb der Seelsorge, aber nicht nur in Entwurf Nicols am nächsten steht. In der poimenischen Praxis
lnr- neu belebt. Es ist das Ziel des Vf.s, Engführungen in der poi- zeigl sich freilich immer wieder, daß das Konzept Scharfenbergs
^enischen Theoriediskussion zu überwinden und ein „veränder- rnit dem von KSA mehr Gemeinsamkeiten aufweist, als dies
tes Modell von seelsorgerlichem Gespräch" (11)-jenseits der AI- unter dem Eindruck der spezifischen Fragestellung Nicols hier
emative von kerygmatischer und therapeutischer Seelsorge - hervortritt. Freilich erhebt Nicol auch an keiner Stelle den An-
%°rzulegen. Spruch einer Gesamtbeurteilung.
^ icol wehrt sich gegen verschiedene Formen einer Theologi- Nicol möchte selbst das seelsorgerliche Gespräch als „existentiel-
QCrun8 des Gesprächs, die diesem allesamt seinen Charakter als les Gespräch im Deutehorizont des christlichen Glaubens" verste-
espräch nehmen. Seine grundsätzliche Frage geht dahin, ob, hen, das als „wirkliches Gespräch" sein Paradigma im „exi-
^ ^enn ja. wie Seelsorge überhaupt als Gespräch entworfen stentiellen Gespräch zwischen Freunden" hat (162). In diesem Mo-
erden kann (157). dell wird „partnerschaftliche Gegenseitigkeit" als Ziel angestrebt
as Interessante und Neuartige dieses Versuches liegt darin, im Gegensatz zu den diskutierten „Gefälle-Paradigmen" (163). Die
" nach einer Bestimmung des seelsorgerlichen Gesprächs nicht Symmetrie der Beziehung wird vor allem dadurch ermöglicht, daß
^°n einer bestimmten theologischen Konzeption, sondern von die „gemeinsame Ausgangslage" der Partner ins Bewußtsein geho-
I er „Kultur des Gesprächs" her gefragt wird, die wesentliche ben wird.
mPulse aus dem romantischen Lebensgefühl erhalten hat. Die theologische Deutung des Gesprächsgeschehens wird in