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Ausgabe:

1991

Spalte:

767-769

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Baumgartner, Isidor

Titel/Untertitel:

Pasoral-Psychologie 1991

Rezensent:

Fraas, Hans-Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 10

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Maas-Ewerd, Theodor: Auf dem Weg zur „Gemeinschaftsmesse". Romano
Guardinis „Meßandacht" aus dem Jahre 1920(EuA 66. 1990,450-
468).

Martin, Gerhard Marcel: Ausverkauf oder armes Theater. Unser Kultus
im Kontext gegenwärtiger Kultur (ZGP 8, 1990, 31-35).

Meyer, Hans Bernhard: Eine trinitarische Theologie der Liturgie und
der Sakramente (ZKTh 113. 1991.24-38).

Meyer zu Uptrup, Klaus, u. Michael Jungo [Hg.]: Lima-Liturgie. Vertont
von M. Kovalevsky. Stuttgart: Quell; Mainz: Grünewald 1990. 167 S. gr.
8 . Pp. DM 24.-.

Schlippe, Gunnar von: Heilungsgottesdienst (ZGP 8. 1990, 4. 17-19).

Schmidt-Lauber, Hans-Christoph: Auf dem Wege zur Erneuerten
Agende. Konzept und Probleme der zweiten Liturgiereform nach 1945
(PTh 79, 1990,434-451).

Stolze, Hans-Dieter: Weihnachten. Verkündigung. Liturgie, Feier. Mit
Beiträgen von C. Altrock, G. H. Beyer, H. Handt. Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht 1989. 160 S. m. 2 Abb. kl. 8 = Dienst am Wort, 51. Kart. DM
22.80.

Sudbrack, Josef [Hg.]: Entzünde in uns das Feuer deiner Liebe. Gebete
zum Heiligen Geist. München-Zürich-Wien: Verlag Neue Stadt 1990. 133
S. 8 = Meditation und Gebet, geb. DM 22,-.

Völker, Alexander: Liturgisches Stichwort: Credo (ZGP 8, 1990. I,
9-11).

Weiss, Hans-Martin: Wilhelm Löhes Lied „O Gottessohn voll ewiger
Gewalt": Anmerkungen aus der bayerischen Kirchengeschichte zur augenblicklichen
Gesangbuchrevision (ZBKG 58, 1989, 189-197).

Zippert, Christian [Hg.]: Gottesdienstbuch. Gebete, Lesungen, Lieder
für die Sonn-und Feiertage des Kirchenjahres. Gütersloh: Mohn 1990. 192
S. 8 . geb. DM 29,80.

Praktische Theologie: Seelsorge

Baumgartner, Isidor: Pastoral-Psychologie. Einführung in die
Praxis heilender Seelsorge. Düsseldorf: Patmos 1990. 703 S.
gr. 8 .geb. DM 39,80.

I. Baumgartner, katholischer Pastoralpsychologe in Passau
und Wien, legt hier ein großräumiges Lehrbuch in acht Teilen
und einigen einleitenden „Wegmarkierungen" vor, für den katholischen
Part mit Sicherheit ein Markstein, aber auch für evangelische
Leser eine informative und interessante Einführung.

Der Vf. entwickelt (Teil I) das Programm einer „Heilenden
Seelsorge" (als „Heilwerden in der Christusbegegnung", 93), die
das Heilungswissens der Psychologie bzw. der Psychotherapie
bedarf. Die Pastoralpsychologie wird als Teil der Praktischen
Theologie verstanden, und damit als Handlungswissenschaft. Sie
ist im Dialog zwischen Theologie und Psychologie zu entfalten,
was die gleichberechtigte Partnerschaft beider voraussetzt. Die
Zielrichtung ist (im Anschluß an R. Zerfaß und P. M. Zulehner)
die einer elementaren Theologie mit dem Programm, christlichkirchliche
Praxis zu analysieren, zu bestätigen, zu korrigieren, zu
entwerfen, zu beraten, für sie auszubilden (56). Der Unterschied
der Heilenden Seelsorge zur Psychotherapie wird darin gesehen,
„daß Selbstannahme letztlich nur im Horizont des annehmenden
Gottes selbst gelingen kann" (39). Deshalb grenzt er sich
vom Begriff der „therapeutischen Seelsorge" gleichermaßen ab
wie von der „kerygmatischen Seelsorge", weil beide Begriffe zumindest
mißverständlich sind. Grundprinzip ist für ihn das Mitgehen
des Seelsorgers, die mitgehende mystagogische Kirche, das
Sakrament des mitgehenden Gottes. Der Vf. konstatiert ein gewisses
Vergessen der Seelsorge als Vergessen der heilenden Dimension
des Glaubens in der Praxis der Kirche (Christi Anrufung
als Arzt ist unüblich geworden, die Heilungswunder sind
unpopulär).

Die einzelnen Schritte heilender Seelsorge werden eindrucksvoll
anhand der Emmaus-Geschichte in deren vielschichtiger
Symbolik, als „Emmausgang" dargestellt (Teil II). Die Analyse

des Textes ergibt den Fortgang von der Koinonia (Hinzukomme11
und Mitgehen) zur Diakonia (Stehenbleiben bei dem. was traurig
macht), der Martyria (den Sinn der Schrift entschließen), der Lei-
turgia (das Brot brechen) und in der Rückkehr zum Anfang wie'
derum der Koinonia (als Ziel des Emmausganges). Dieser Aufriß
wird konsequent durchgehalten und wirkt überzeugend, indem
jeder Teil mit einer kurzen Auslegung der entsprechenden Phase
der Emmausgeschichte begonnen wird. Dabei gewinnen die einzelnen
Teile unterschiedlichen Charakter und unterschiedliche
Intensität durch exkursartig behandelte Spezialthematiken.

Die seelsorgerliche Begleitung (III. Teil) beginnt dort, wo Menschen
unterwegs sind, nämlich bei deren „Blindheit und Traurigkeit
". Der Vf. analysiert in diesem Zusammenhang Lebenskn-
sen, und zwar empirisch (von der Biographieforschung her),
soziokulturell und entwicklungspsychologisch (nach Erikson.
wobei er die kritische Diskussion um Erikson keineswegs unterschlägt
). Des weiteren stellt er psychologische Verlaufskonzepte
der Krisebewältigung dar (E. Schuchardt), Phasen der Trauer (V-
Kast), den Zusammenhang von Persönlichkeit und Krisenerfahrung
(F. Riemann und H. J. Eysenck). Psychische Erkrankungen
als Lebenskrisen werden erläutert, die „Zeitkrankheit" Depression
wird ausführlich behandelt, und zum Schluß wird die Situation
des Menschen vor Gott als Krise schlechthin interpre*
tiert. Der IV. Teil („Da kam Jesus hinzu und ging mit ihnen -
Kriterien und Kritik seelsorgerlichen Mitgehens in Lebenskn-
sen") ist vorrangig theologisch konzipiert: Gottes Menschwerdung
ist sein Einstieg in die menschliche Krisengeschichte. D'e
Gemeinschaft der Gläubigen wird so zum „Zeichen. Sakrament
des mitgehenden Gottes", S. 244). Das ergibt kritische Anfragen
an die pastorale Praxis, an das Mißlingen von Seelsorge, was im
wesentlichen an den Eigenproblemen des Seelsorgers/der Seelsorgerin
festgemacht wird. Neben der Analyse dieser Problematik
wird das Passauer Curriculum von 1975 zum pastoralpsychologischen
Studium vorgestellt.

Der V. Teil („Er fragte sie" - diakonisch-heilende Seelsorge
und Psychotherapie) enthält kurze informative Einführungen in
die vier Hauptschulen der Psychotherapie: Psychoanalyse (nach
Freud: Hauptbegriffe und Menschenbild der Psychoanalyse, das
Verhältnis zwischen Psychoanalyse und Religion und deren Beitrag
für die diakonisch-heilende Seelsorge), Verhaltenstherapie
(nach Eysenck, mit einer Einführung in den Behaviorismus nach
dem gleichen Aufbau wie oben), Gesprächpsychotherapie (nach
Rogers, als Pastoral Counseling, in ausführlicher Darstellung der
therapeutischen Basishaltungen, wiederum mit kritischen Anfragen
an Menschenbild und philosophische Voraussetzungen), und
schließlich Familientherapie (H. Stierlin, P. Watzlawick, H. E-
Richter u.a.). Der Vf. strebt ein integratives Modell an, statt des
Gegensatzes bevorzugt er die Komplementarität. Die Ausführung
gipfelt in einer „theologischen Reformulierung der therapeutischen
Grundhaltungen" nach dem Dreischritt von psychotherapeutischer
Erfahrung, elementartheologischer Korrelation
und pastoraltheologischer Folgerung.

„Den Sinn der Schrift erschließen" - darum geht es im VI.
Teil, nämlich um die Darstellung des Wortes Gottes, das heilt,
bzw. um die Identität des Seelsorgers als Christ: „Ich glaube,
darum rede ich". Dieses Reden muß nicht wortreich sein, sondern
kann auch als Hinhören auf die Geschichten des anderen
die Situation modifizieren. Im wesentlichen geht es um die Äußerung
von Lebens- und Glaubensgeschichten (narrativer Ansatz).
Im Erzählen ist der fiktive Andere (H. Luther) immer schon mit
inbegriffen: Wenn man recht hinhört, kommt Gott in den Geschichten
der Menschen dem Verkündiger immer schon entgegen
, beim Achten auf Schlüsselworte und Lebensmelodie. Aber
dann muß der Seelsorger auch von der eigenen Geschichte mit
Gott reden. Das heißt nicht sich selbst zu verkündigen, wohl aber
persönlich zu sprechen, von Gott Geschichten zu erzählen und