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Ausgabe:

1991

Spalte:

756-758

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Wolff, Gottfried

Titel/Untertitel:

Solus Christus 1991

Rezensent:

Schicketanz, Peter

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 10

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zuletzt durch das simple Fehlen eines Zitatenregisters, das einfach
einmal die Augustinstellen bei Calvin auflistet.

Dennoch ist das Buch als ein Fortschritt bei der Aufarbeitung
des Augustinverständnisses bei den Reformatoren sehr zu begrüßen
. Nicht zu verstehen ist jedoch die Augustin-Zitierung allein
nach der überholten Textgestalt des Migne im Zeitalter der Kirchenväterausgaben
des Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum La-
tinorum und des Corpus Christianorum Latinorum.

Berlin Hans-Ulrich Delius

Schulz, Hartmut H. R.: Johann Salomo Semlers Wesensbestimmung
des Christentums. Ein Beitrag zur Erforschung der Theologie
Semlers. Würzburg: Königshausen & Neumann 1988. X,
255 S. 8 '. Kart. DM 48,-.

Die Arbeit ist in zehn Kapitel mit je verschiedenem thematischen
Gewicht gegliedert. Bei dieser Gliederung geht der Autor
davon aus, „... daß die Bestimmung des Wesens der christlichen
Religion Leitmotiv und Grundthema aller Spätschriften Semlers
ist, ..." (3). Deshalb will er zunächst die Aufnahme dieses
Grundthemas in Semlers Frühschriften und deren traditionsgeschichtlichen
Hintergrund darstellen. Nach einem biographischen
Abschnitt zu Johann Salomo Semler und einem kurzen
Forschungsbericht über dessen theologiegeschichtliche Einordnung
wird im dritten Kapitel ein Überblick über die Vorgeschichte
der aufklärerischen Frage nach dem Wesen des Christentums
gegeben. Die Tradition führt von mittelalterlichen Formeln
wie „substantia fidei" und dem reformatorischen Begriff der
„substantia christianismi" über die deistische Differenzierung
zwischen „natürlicher Religion" und historisch-positiver Religion
, die orthodoxe Unterscheidung von fundamentalen und
nichtfundamentalen Glaubensartikeln bis zur „zunehmenden
Verwendung der Formel Wesen des Christentums" (35) im Pietismus
. Durch die Übergangstheologie wurde dieser Begriff aus
der Predigt in die theologische Fachsprache übernommen, wobei
für Semler der Sprachgebrauch bei Siegmund Jacob Baumgarten
besondere Bedeutung hatte.

Der junge Semler kritisierte den Pietismus und verteidigte die
akademische theologische Gelehrsamkeit. Auf dem Hintergrund
der orthodoxen Unterscheidung der Glaubensartikel in fundamentale
und nichtfundamentale und der Baumgartenschen
Lehre von der Heilsordnung ist ihm das Apostolikum Maßstab
für Lehre und Frömmigkeit. „In der Zustimmung zu den altkirchlichen
Symbolen stimmen für den jungen Semler sogar objektiver
, historischer Glaube einerseits und subjektiver, heilswirksamer
Glaube andererseits überein,..." (65)

Die Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem
Glauben und die aus der gegenseitigen Zuordnung beider
Aspekte folgende Wesensbestimmung des Christentums bestimmen
Gliederung und Aussagen der folgenden Kapitel der Arbeit.
Es soll darin gezeigt werden, daß auch für den späteren Semler
das Christentum nicht ausschließlich innere Privatreligion, sondern
ebenso durch objektive Wesensmerkmale begründet ist. Die
ausführliche Beschreibung der methodischen Voraussetzungen
Semlers (Kapitel 5) nimmt die inhaltliche Darstellung dieses Problems
(Kapitel 6-10) teilweise vorweg. Semler verwendet den Begriff
der christlichen Wahrheit demzufolge für eine unabhängig
von Aneignung oder Zustimmung bestehende Größe, der sich die
verschiedenen christlichen Meinungen jeweils nur annähern
können. Seine Unterscheidung von kerygmatischem Kern und
dogmatisch-historischer Hülle zielt auf eine „objektive Wesensbestimmung
des Christentums" (87). Dem liegt sein christozen-
trisches Schriftverständnis zugrunde.

Im religionsgeschichtlichen Vergleich des Christentums rrut
dem antiken Heidentum und dem Judentum wird Semlers Gedanke
von der Entwicklung der Religionen von sinnlich'
exoterischer zu geistlich-esoterischer Lehrart sichtbar (Kap1'
tel 6—8). Heidentum und Judentum sind als unvollkommene
Religionen dem Christentum auch zeitlich vorgeordnet. Dagegen
versteht Semler den universalen Monotheismus des Christel'
tums als darin „angelegtes Prinzip" (136). Diese Universalität
zwingt zur Unterscheidung der christlichen Wahrheit von der jeweiligen
Erkenntnis solcher Wahrheit: „Die subjektive Allge-
meinheit des Christusglaubens wird erst von der objektiven All"
gemeinheit des Christentums ermöglicht." (139) Hinzu kommt
beim späten Semler ein „dynamischer Offenbarungsbegriff ■
d. h. „daß die Realisierung dessen, was als eigentliches Wesen des
Christentums zu gelten hat, ein unendlicher Prozeß ist. "(147)

Die inhaltliche Wesensbestimmung des Christentums durch
die Trinitätslehre (Kapitel 9) ist eine „ Konstante in Semlers Denken
" (153).

Subjektiv wird das Christentum bestimmt durch die Bewährung
im Glauben (Kapitel 10). Die jeweilige historische und individuelle
Aneignung der wesentlichen christlichen Wahrheiten ist
aber auch von „intellektuellen Dispositionen" (219) abhängig-
Spätestens an dieser Stelle wird die Problematik des methodischen
Ansatzes Semlers, die vom Autor übernommen wird, deutlich
: Die Unterscheidung von objektivem und subjektivem
Wesen des Christentums, von Kern und Hülle christlicher Wahrheit
läuft Gefahr, sowohl den Offenbarungs- als auch den Glau-
bensbegriff intellektuell zu verkürzen. Dieses Problem wird 'n
der Arbeit nicht diskutiert. Ebensowenig wird der Gedanke einer
Entwicklung der Religionen und der Offenbarung wie der stetigen
Annäherung an deren Wahrheit in systematisch-theologischer
Hinsicht vom Autor problematisiert.

Die Lektüre des Buches wird erschwert durch unübersichtliche
Formulierungen und inhaltliche Wiederholungen. Große Teile
der Darstellung beziehen sich direkt auf vorlaufende Arbeiten.

Halle (Saale) Susanne Ehrhardt-Rein

Wolff, Gottfried: Solus Christus. Wurzeln der Christusmystik bei
Gerhard Tersteegen. Gießen-Basel: Brunnen 1989. VI, 198 S-
8° = TVG Monographien und Studienbücher, 350.

Mystisches Gedankengut hat in den letzten Jahrzehnten weit
über den fachwissenschaftlichen Bereich hinaus Bedeutung ge'
wonnen. Erich Fromm (Haben und Sein), Dorothee Solle (Die
Hinreise) und Rolf Henrich (Der vormundschaftliche Staat) belegen
das ebenso wie die Renaissance Hildegards von Bingen mit
ihrer Breitenwirkung. In diesem zeitgeschichtlichen Gesamt'
klima bekommen auch die klassischen Vertreter protestantischer
Mystik insgesamt bessere Noten. „Die Zeiten kritischer Distanzierungen
vom quietistischen Mystiker sind vorüber", schreibt
Wolff (36). Auf der von Giovanna della Croce (Gerda von Brockhusen
), Dieter Hoffmann und vor allem Hansgünter Ludewig
(Gebet und Gotteserfahrung bei Gerhard Tersteegen. AGP
Göttingen 1986) angelegten positiven Würdigung Tersteegens
liegt Wolffs Interpretation des Bandwirkers. In ständigem Gespräch
mit der älteren, kritischen Tersteegenliteratur (Forschungsüberblick
10-47) und da und dort auch unter Abgrenzung
von Ludewig versucht Wolff drei Dinge: 1. Eine Darstellung
der Mystik Tersteegens (48-86): „ Der mystische Weg als Weg der
Nachfolge Christi" wird als Stufenfolge in aller Vorsicht aus den
Quellen heraus entwickelt. Der 2. Teil widmet sich den Beziehungen
Tersteegens zur französischen Mystik, bzw. dem Quietismus-
von Bernieres de Luvigni und Kardinal Befrulle (87-154)-