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Ausgabe:

1991

Spalte:

743-745

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

VonWahlde, Urban C.

Titel/Untertitel:

The Johannine commandments 1991

Rezensent:

Wengst, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 10

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sehende Sicht bestätigt, die oft als unhistorisch galt: die Saddu-
zäer waren die Hauptgegner der frühesten Christengemeinde. Sie
entspräche allerdings auch der von gegenwärtigen jüdischen Autoren
bevorzugten Tendenz, den Pharisäismus zu entlasten.
Genau verglichen werden die Berichte über den Tod des Agrippa
Act 12,19-23 und bei Josephus. Als gemeinsamer Kern bleibt ein
plötzliches Ableben (dazu medizinische Voten 201-207), das als
göttliche Strafe dafür angesehen wurde, daß der König seine natürlichen
Grenzen überschritten hatte. Mit Interesse nimmt der
Exeget die Versuche zur Kenntnis, die in Act 12 geschilderten Ereignisse
als Wendepunkt der urchristlichen Geschichte aufzufassen
. Das Apostelkonzil falle mit dem in 11,30 geschilderten Besuch
zusammen, Jerusalem tritt fortan als Zentrum zurück und
wird für die Christen zum „gefährlichen Ort". Welche Probleme
sich hier im Blick auf die Pauluschronologie und -biographie ergeben
, muß offenbleiben. Eine besondere Schwierigkeit bildet
die Interpretation rabbinischer Stellen (157-170). Hier stellt sich
fast durchweg die Frage, ob Agrippa [. oder II. gemeint ist. Die
Spärlichkeit der Zeugnisse scheint darauf zu deuten, daß man
beide Gestalten eher verdrängen wollte.

Für eine enthusiastische Bewertung der kurzen Regierungszeit
Agrippas (die schon wegen Act 12,1-2 schwerfällt) gibt das in dieser
Biographie gebotene Bild keinen Anlaß. Die Wende hin zur
Katastrophe erfolgte erst in der Dekade nach seinem Tode. Es ist
müßig zu spekulieren, ob mit seinem Ableben eine tragfähige
Möglichkeit jüdischer Existenz zu Ende ging.

Leipzig/Halle (Saale) Wolfgang Wiefel

Wahlde, Urban C. von: The Johannine Commandments. 1 John
and the Struggle for the Johannine Tradition. New York-
Mahwah: Paulist Press 1990. XII, 294 S. 8 = Theological In-
quiries. Kart. $ 13.95.

Im Blick auf die Geschichte der joh Gemeinde teilt W. eine
heute weithin akzeptierte Sicht, daß nämlich diese Gemeinde
durch zwei entscheidende Krisen hindurchgegangen ist. Zunächst
erfuhr sie den Bruch mit dem Judentum; dann wurde sie -
eine eigenständige und vom Judentum getrennte Gemeinschaft
geworden - von einer inneren Spaltung heimgesucht, die sich im
1 Joh widerspiegelt. W. beschäftigt sich mit dieser zweiten Krise.
Die Besonderheit seines Buches besteht darin, daß " it views that
crisis through the prism of the Johannine theology of command-
ment" (2). Da der Begriff e vxoXf im 1 Joh relativ oft begegnet
und mit dessen wesentlichen Themen verbunden ist, darüber
hinaus auch im JohEv und 2Joh vorkommt, ist das ein möglicher
Zugang.

Wie andere vor ihm nimmt W. an, daß sowohl der Vf. des 1 Joh
als auch die von ihm bekämpften Gegner sich auf die gemeinsame
joh Tradition berufen, wie sie sich im JohEv niedergeschlagen
hat. "The basis for the split within the Community was the
way in which both groups believed the Johannine tradition
should be interpreted" (105). W. beschreibt die Position der Gegner
in Kap 5 und 6 seines Buches in recht origineller Weise und
bietet für ihr Verständnis eine bedenkenswerte Möglichkeit an.
Charakteristisch für die Gegner sei „eine radikale Sicht des Geistes
": "The eschatological outpouring of the Spirit would be
enough for the Community" (115). Mit ihr war Reinigung von
den Sünden gegeben und Sündlosigkeit im weiteren Leben. Der
Empfang des Geistes macht die Rede vom Sühnetod Jesu ebenso
überflüssig wie ethische Anweisungen und die Erwartung eines
zweiten Kommens Jesu; und er entnimmt der Furcht vor einem
zukünftigen Endgericht (ebd.). Die Funktion Jesu besteht lediglich
in „ der Ankündigung und Vorbereitung der eschatologischen
Ausgießung des Geistes" (ebd.). Seitdem der Geist da ist, wird
Jesus nicht mehr gebraucht; er hat keine bleibende Bedeutung

(118 u.ö.); "the posession of the Spirit made the believeron a paf
with Jesus with regard to the posession of eternal life. justice, sin-
lessness, 'Christness' and sonship" (118).

Wie aber sind dann die Vorwürfe des Vf.s an seine Gegner zu
verstehen, sie leugneten, daß Jesus der Christus (2,22), der Sohn
Gottes (2,23), daß er im Fleisch gekommen sei (4,20? W. vertritt
die These: "If the opponents deny that Jesus is the Christ, they
are in reality denying that he is the (unique) Christ since they too
have the same anointing from the Spirit that empowered his rru-
nistry" (145). Ganz analog formuliert er zum Titel „Sohn Gottes
" (146.1490- Das aber wird nicht aus den Texten erschlossen-
sondern ist Folgerung aus der Grundthese über die „radikale
Sicht des Geistes" der Gegner. Der entscheidende Punkt, Jesus
sei „nicht in einzigartiger Weise" der Christus oder Gottessohn-
steht aber nicht im Text und ist auch durch nichts angedeutet-
Noch weniger fügen sich die Stellen Uoh4,2f und 2Joh 7 in W.s
Interpretation. Er geht auch so gut wie nicht auf sie ein. Auf die
These: "This phrase is the author's way of expressing the opP0"
nents's conviction that 'fleshly' actions are of no value in achie-
ving salvation" folgt sofort die Behauptung, diese Aussage vom
Gekommensein Jesu Christi im Fleisch sei eher soteriologisch als
christologisch, was als Überleitung zu der dann besprochenen
Gegner-Meinung dient: "The opponents argue that their sins
were not forgiven by the death of Jesus but by their reeeption of
the Holy Spirit" (152).

Bevor W. die Position der Gegner darlegt, bespricht er in den
ersten vier Kapiteln „die Gebote" im JohEv und Uoh. Er leg'
Wert darauf, daß es sich immer um zwei Gebote handelt, nicht
nur um eins. Für den Uoh formuliert er das in dem zusammenfassenden
neunten Kapitel so: "The first commandment is to
keep the word of Jesus and the second is to love one another
(260; vgl. 69). Dabei gilt ihm 3,23 als "the clearest example ofthe
twofold commandment in Uoh" (52). Formulierungen wie „das
Wort Jesu bewahren" und „wandeln in der Wahrheit" werden als
Parallelen zu „glauben" verstanden (53). Als gemeinsames Element
gilt, "that there is a correct belief" (54).

Im 7. Kapitel sieht W. von daher auch die Struktur des Briefes
bestimmt: "the Symbols of light (correct belieO and love (ethics)
are used to strueture the epistle around the two dement of the tradition
which have been attacked by the secessionists: the correct
understanding of the role of Jesus in salvation and the place of
mutual love" (202). Doch sieht auch W., daß zumindest in
2,3-11 und 4,7-5,12 beide Themen miteinander verflochten
sind: "One cannot really keep one of the commandments without
keeping the other" (215). Aber leider wird das nur behauptet-
nicht entfaltet. Wie beide Themen sachlich zusammengehörenbleibt
unerörtert.

Kap. 8 gibt eine religionsgeschichtliche Verankerung der Gebots
-Texte des Uoh in der vom Dtn ausgehenden Bundestradition
. Der an ihnen beobachtete „modifizierte Dualismus" wird
durch Texte aus TestXII und vor allem aus Qumran erhellt (228-
233). Aufgrund einer generellen Ähnlichkeit zu Aspekten der
Prüfung in Qumran vermutet W., daß die Gebote auch eine Rolle
bei der Aufnahme in die Gemeinde spielten (244-254).

Auch bei der Position der Gegner hatte W. in allen Punkten zunächst
zu zeigen versucht, daß diese Position "a plausible and
consistent reading of certain Strands of Jewish hopes regarding
the eschatological outpouring of Yahwe's Spirit" sei. und sie
dann als "a plausible and consistent interpretation of the major
Strand of thegospel tradition" dargelegt (140). Von daher lehnt er
die Frage nach einem gnostischen Hintergrund ab und bringt als
weiteres Argument "the problem of using texts for such compari-
son which have come from a period considerably later than the
Johannine texts" (184). Dieses Urteil ist angesichts dessen, daß
der Uoh kaum noch ins 1. Jh. gehört und das JohEv in der christlichen
Gnosis des 2. Jh.s rezipiert worden ist, zumindest voreilig-