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Ausgabe:

1991

Spalte:

52-53

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Lotz, Johannes Baptist

Titel/Untertitel:

Vom Sein zum Heiligen 1991

Rezensent:

Wenz, Gunther

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 1

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Philips. Gerard: L'Union personelle avee le dieu vivant. Essai sur l'ori-
gine et le sens de la gräce creee. Ed. rev. Leuven: University; Leu-
ven: Pccters 1989. 299 S. gr. 8° = Bibliotheca Ephemeridum Theo-
logicarum Lovaniensium, 36. Kart. BF 1000.

Die I. Aufl. dieses Werkes besprach ich relativ ausführlich in der
ThLZ 101 (1976) 55-57. Ohne Begründung wird nach 15 Jahren eine
durchgesehene Ausgabe ohne nennenswerte inhaltliche Veränderungen
vorgelegt. Ein neues Vorwort gibt es nicht, doch ist anzunehmen,
daß die beiden Schüler J. Coppens und J.-M. Heuschen auch für diese
Edition des weiträumigen Buches ihres verstorbenen Meisters verantwortlich
sind. Ich begrüße das abermalige Erscheinen dieses sehr sorgfältig
gearbeiteten Buches. In einer Zeit, da der Streit zwischen den
christlichen Konfessionen um theologische Fundamentalfragen nur
schwach geführt wird, kann evangelische Theologen dieses ebenso
faire wie polemische Buch nach wie vor veranlassen, über die Mitte
ihres eigenen Bekenntnisses in Anknüpfung und Widerspruch nachzudenken
.

Rostock Gert Wendclborn

Philosophie, Religionsphilosophie

kääriäinen. Kimmo: Discussiun on Scientific Atheism as a Soviet
Science 1960-1985. Helsinki: Suomalainen Tiedeakatemia 1989.
196S. gr. 8" = Suomalaisen Tiedeakatemian Toimituksia, Sarja-
ser. B nide-tom. 249.

Eine Untersuchung dieses Inhalts wird gewiß zu den Bestandteilen
einer weithin abgeschlossenen Epoche zu rechnen sein. Doch sollte es
sich niemand zu leicht mit einem solchen Urteil machen. Denn es bezieht
sich exakt doch auf den Gegenstand der Analyse, nicht automatisch
auf diese selbst, die an ihrer Methodik zu messen ist. Die Wissenschaft
bedarf nun einmal der Aufarbeitung auch der Vergangenheit.
Andernfalls käme es zu einer Verdrängung, die sich zudem der Antrage
in bezugaufeinen „gewendeten" Opportunismus zu stellen hätte.

Meines Erachtens ist es bemerkenswert, daß sich ein finnischer
Gemeindepastor dem ..Wissenschaftlichen Atheismus" in der Sowjetunion
zwischen 1960 und der Proklamation des „Neuen Denkens
" widmet. Auffällig wirkte es jedenfalls, daß sich D. M. Ugrino-
vich (Moskau) im Mai 1989 an der Doktor-Disputation in Helsinki
beteiligte. Derlei gilt inzwischen als selbstverständlich und wird bei
zunehmendem Ideologievertäll in der Sowjetunion auf geringeres
Interesse als seinerzeit stoßen. ,

Auf diese Entwicklung über den Untersuchungszeitraum hinaus
weist der Autor im letzten Absatz seines Buches hin: Die neue Tendenz
verlagere das Schwergewicht des „Wissenschaftlichen Atheismus
" in der Sowjetunion von der Kritik auf das Studium der Religion.
Die Zeit wird zeigen, ob sich diese Perspektive als wissenschaftlich
relevant erweist. Dazu wird auch auf diesem Feld eine Perestroika
personeller und struktureller Art vonnöten sein, die letztlich wegen
der erforderlichen Theorieentwicklung zu einer neuen Selbstdefinition
führen muß.

An diese Probleme führt der Autor im Grunde vorsichtig heran. Die
eigentliche Aufgabe, die er entsagungsvoll zu erfüllen trachtet, ist es
aber, zu beschreiben, „wie es eigentlich gewesen" ist (Ranke). Mit
Belehrungen hält sich der Vf. weitgehend zurück. Er zeichnet objektiv
das Selbstverständnis der Vertreter des sogenannten wissenschaftlichen
Atheismus von ihrer Disziplin nach.

In vier Kapiteln informiert der Autor über die verschiedenen Phasen
von der antireligiösen Propaganda bis hin zur akademischen
Installation dieses Gebietes. Dabei verweist der Vf. auch auf die Verwendung
einzelwissenschaftlicher Erkenntnisse im Sinne des Atheismus
dieser Observanz, ohne daß - wie Kääriäinen feststellt - solcher
Anwendung größere theoretische Diskussionen vorausgegangen
wären. Im Schlußteil werden einzelne Arbeitsgebiete einschließlich
der Theorie atheistischer Erziehung vorgestellt.

Die Leser werden umfassend informiert und können nach Kenntnisnahme
der Fakten ihre Position zu dieser ideologischen Konstruktion
klar bestimmen. So hat der Vf. insbesondere für die Nachgeborenen
eine Informationsquelle zu einem Gegenstand geschaffen,
dessen Existenz und Wirkung sie sich einst vielleicht nur schwer vorstellen
können, wie kritisch auch immer Religion künftig analysiert
werden mag.

Rostock Jens Langer

Lötz. Johannes B.: Vom Sein zum Heiligen. Metaphysisches Denken
nach Heidegger. Frankfurt (M.): Knecht 1990. 140 S. 8". Kart. DM
24,-.

Nietzsche verkündete mit dem Tode Gottes auch das Ende der
Metaphysik und stattete „das Diesseitige mit der Herrlichkeit des Jenseitigen
aus" (93). Heidegger hingegen versuchte insonderheit nach
seiner „Kehre" dem Seinsdenken eine erneuerte philosophische Basis
zu verleihen. Ob er damit jene Seinsvergessenheit, die er der gesamten
nachparmenideischen abendländischen Gcistcsgeschichte attestierte
und in Nietzsches Nihilismus nur kulminieren sah. wirklich überwunden
hat, ist eine der elementaren Fragen, die den ehemaligen Heidegger
-Schüler L. zeitlebens bewegt haben. Im dritten, ausdrücklich dem
Verhältnis von Heidegger und Nietzsche gewidmeten Text (91-115)
der vier im angezeigten Band gesammelten Abhandlungen wird darauf
folgende Antwort gegeben: „Da ... Heidegger nicht zur vollen
Transzendenz gelangt, dringt er auch nicht in die innerste Tiefe oder
das ureigene Selbst des Seins ein. womit er trotz seiner Thematisierung
des Seins dessen Vergessenheit nicht restlos überwindet. Namentlich
bleibt ihm jenes letzte Geheimnis verborgen, von dem her
sich das Sein erst als es selbst zeigt und auch das Seiende als solches
gegeben ist; vergessen ist das subsistierende Sein." (106) Das ist für L.
der entscheidende Grund, über Heidegger hinauszugehen bzw. zu
jenem Denker zurückzukehren, bei welchem „der Ursprung alles
Seienden zutiefst nicht als Seiendes, sondern als das subsistierende
Sein (esse subsistens) gefaßt wird" (10): Thomas von Aquin. Ihn vor
allem sieht L. im Unterschied zu Heidegger über die Seinsvergessenheit
der abendländischen Metaphysik erhaben, weil Thomas konsequent
durch das Seiende zum Sein vorgedrungen sei, „womit das über
Augustinus und Piaton zu ihm gelangte Erbe des Parmcnides in ihm
fortwirkte)" (10).

Die erste und für alles weitere grundlegende Abhandlung zum Thema ..Sein-
Gott" (11-78) versucht dies im einzelnen zu erweisen, indem sie im Anschluß
an den Aquinaten die Frage nach Gott als dem subsistierenden Sein stellt. Man
gelangt dabei, wie es heißt, „durch den nachvollziehenden Aufstieg zum urvoll-
zichenden Abstieg. Im Seienden leuchtet uns das Sein auf. das eine Bewegung
auslöst, die erst im subsistierenden Sein in ihr Ziel oder zur Ruhe kommt.
Umgekehrt entläßt das subsistierende Sein eine Bewegung aus sich, die erst im
auf das äußerste geminderten Seienden zu ihrer vollen Auswirkung kommt."
(20) Über das anorganische, pflanzliche, animalische und menschliche Leben
versucht L. zunächst den anabatischen Weg transzendentaler Erfährung vom
partizipierenden Sein zum subsistierenden Sein des personalen Gottes zu bahnen
, um sodann unter Beistand der christlichen Offenbarung und des durch sie
bereiteten Gedankens der creatio ex nihilo den Abstieg von der reinen Geistigkeit
Gottes als der causa universalis totius esse (Sthl q45, a2: vgl. 44) zum
Seienden nachzuvollziehen. wobei in katabatischer Perspektive als erstes die
Innerlichkeit des verleiblichten Menschengeistes und erst zuletzt die Äußerlichkeit
des rein Anorganischen in Erscheinung tritt. All dies vollzieht sich auf den
von Thomas gewiesenen Denkwegen und in dem Interesse einer Restauration
thomistischen Seinsdenkens, welche die geläufige Formel vom besiegelten Ende
der Metaphysik Lügen strafen soll. Die nämliche Absicht bestimmt auch die
zweite, dem Unterschied von Seinsakt bzw. Seinserfahrung und Seinsbcgrill
gewidmete (79-90). sowie die vierte und abschließende Abhandlung, die das
Heilige als Grundgegebenheit der menschlichen Existenz zu bedenken versucht
(116-137). Zu ergänzen ist. daß die drei ersten Abhandlungen des Buches noch
nicht publiziert sind, während die vierte Abhandlung bisher nur italienisch
erschienen ist.

Eine angemessene Urteilsbildung über das Lotzsche neothomi-
stische Metaphysikkonzept, die dessen durchaus epochaler Selbst-