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Ausgabe:

1991

Spalte:

731-732

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Ahme, Michael

Titel/Untertitel:

Der Reformversuch der EKD 1991

Rezensent:

Winter, Friedrich

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Seite 1

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731

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 10

732

Allgemeines, Festschriften

Ahme, Michael: Der Reformversuch der EKD 1970-1976. Stutt-
gart-Beriin-Köln: Kohlhammer 1990. 207 S. gr. 8°. Kart. DM
49,80.

Es handelt sich um eine leicht überarbeitete Dissertation aus
dem Jahre 1989. In den „Einleitenden Vorbemerkungen" (9-11)
hebt der Vf. hervor, daß der gescheiterte Versuch der Struktur-
und Verfassungsreform der EKD nicht ganz ohne Erfolg gewesen
und es an der Zeit sei, einen neuen Versuch zu wagen. - Die Arbeit
„ ist die bisher einzige, die den gesamten Prozeß der gescheiterten
GO-Reform verfolgt; sie hat aber eher den Charakter einer
Materialsammlung, als den einer kritischen Analyse" (10).

In den ersten sechs Abschnitten (12-137) schildert der Vf., wie
zwischen 1970 und 1974 nacheinander zwei Ausschüsse fünf
Entwürfe für eine Verfassungsänderung der Grundordnung der
EKD vorlegten. Nach der Trennung zwischen dem Bund der
Evangelischen Kirchen und der EKD habe sich ein „Reformstau
" (16) ergeben, der kurz vor 1970 zu Äußerungen geführt
habe mit dem Ziel, die Kircheneinheit zu verdichten. Hinzu
kam, daß auch im politischen Leben zur gleichen Zeit ein großer
Reformwille vorherrschte, der sich auf die kirchliche Gesamtstimmung
übertrug. Aufgrund von Vorüberlegungen auf der
Ebene von VELKD und Arnoldshainer Konferenz faßte im Mai
1970 die EKD-Synode den Beschluß, eine „ engere Gemeinschaft
der Kirchen (Bundeskirche)" in organisatorischer, rechtlicher
und theologischer Hinsicht zu schaffen. Dabei seien die Lutheraner
der VELKD in dieser ersten Phase der Reform als „Motor
der Einheit" (25) anzusehen. Während die Mehrzahl der gliedkirchlichen
Synoden sich dem Reformvorhaben gegenüber offen
zeigten, meldete die bayerische Synode bereits bald, Württemberg
danach Bedenken an. Es kam zur theologischen Anfrage, ob
nicht mit einer zu leichtfertigen Auslegung von CA VII vorschnell
eine Kirchenunion einschließlich Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft
angestrebt würde. Zugleich entstand der Vorwurf
einer Überfremdung der Kirchengemeinschaft in der EKD
durch kirchenpolitische Forderungen z.B. zum Antirassismus-
programm und zu den Ostverträgen. Und Württemberg kündigte
1972 an, daß es einem „übergroßen Gesetzgebungsrecht der
EKD nicht" (88) zustimmen werde.

Es gelang schließlich, einen fünften Entwurf der Synode der
EKD im Mai und November 1974 vorzulegen. Föderativ abgesichert
wurden der EKD Kompetenzen zugeschrieben, die sie faktisch
bereits wahrnahm; theologisch gesehen wurde der Ansatz
von Leuenberg auf das Verständnis von Kirchengemeinschaft innerhalb
der EKD übertragen. Es gelang, bei nur vier Enthaltungen
einen Entwurf durchzubringen.

Nach der bisher chronologisch verfahrenden Darstellung baut
der Vf. einen vergleichenden Abschnitt ein: „7. Die GO 74 -
Realisierung der Reformintentionen von 1970?" (138-152). Die
Antwort lautet: „Die Grundbestimmungen der GO 74 bieten
weder in theologischer noch in rechtlicher Hinsicht Anlaß, von
einer im Vergleich zur GO 48 weitreichenden Neubeschreibung
der EKD zu sprechen. Die definitorische Verwendung des Begriffs
und Prinzips ,Kirchengemeinschaft', für das ekklesiologi-
sche Verständnis der Gemeinschaft in der EKD beinhaltet aber
wegen seiner dynamischen Implikationen eine Option auf eine
weitere Intensivierung der kirchlichen Gemeinschaft in der
EKD" (151). Praktisch bleibt die EKD weithin von den Entscheidungen
ihrer Gliedkirchen ebenso abhängig wie von den weiter
bestehenden gliedkirchlichen Zusammenschlüssen. Jedoch bedeutet
die Neukonzeption der diakonischen, missionarischen
und publizistischen Arbeit auf der Ebene der EKD einen Fortschritt
: Gesamtkirchliche Werke sind entstanden.

Dann kommt es zur Ablehnung des Entwurfs (153-166). Wohl

votieren fast alle Gliedkirchen positiv. Aber dann wurde in der
Württemberger Synode die Zweidrittelmehrheit um nur drei
Stimmen verfehlt. Die konservative Gruppe hatte gesiegt, die be-
fürchtete, daß auf der Ebene einer zu starken EKD ein theolog1'
scher Pluralismus sowie eine Politisierung des kirchlichen Auftrages
um sich greifen könnte.

Im großen ganzen reagierten alle reformwilligen Kräfte innerhalb
der EKD gelassen. Der Versuch, eine Zustimmung zur Reform
dennoch bis 1980 offenzuhalten, schlug fehl. In der Folgezeit
war es nur möglich, konkrete Gesetzgebungen auf der Ebene
der EKD zum Erfolg zu führen (167-173).

Die gründliche Untersuchung, die sich allerdings in der Darstellung
nicht ohne Wiederholungen voranbewegt, ist ganz stark
von der Voraussetzung geprägt, den Widerstand gegen die Reformziele
zu schildern. Da liegt das Interesse. Entsprechend werden
die Quellen vorgeführt. Man hätte sich freilich mehr eine
Darstellung und Quellenauswahl im Blick auf die mehrheitlichen
Befürworter der EKD-Reform ebenso gewünscht wie eine stärkere
Berücksichtigung der Stimmen aus dem unierten Lager. D'e
VELKD mit ihren Polarisierungen zieht das Interesse zu einseitig
auf sich.

Der Vf. begründet, daß er die Entwicklung beim Bund der
Evangelischen Kirchen, die zur gleichen Zeit und später lie'-
nicht berücksichtigen konnte. Das ist zu respektieren. Dennoch
ist deutlich, daß noch heute über dem Zusammenwachsen von
Bund der Evangelischen Kirchen und EKD der Schatten der miß"
lungenen EKD-Reform lagert. Wann wird es dennoch im Blic^
auf eine größere EKD so weit sein, daß das Wort von Martin
Kruse aus dem Jahre 1988 einen wirklichen Kairos erfährt: „D'e
Zeit rückt näher, wo ein neuer Versuch gemeinsam gewagt werden
muß, das Kirchesein der EKD präziser zu erfassen ..." (9)-

Berlin Friedrich Winter

[Kaiser, Otto:] Prophet und Prophetenbuch. Festschrift für Ott"
Kaiser zum 65. Geburtstag. Hg. von V. Fritz. K.-F. Pohlmann.
H.-C. Schmitt. Berlin-New York: deGruyter 1989. VII. 284S-
1 Porträt gr. 8 = BZAW, 185. Lw. DM 144,-.

Seit vielen Jahren gehört Otto Kaiser zum Kreise der Alttesta-
mentler, die sich der Prophetenforschung besonders angenommen
haben. Er ist auf diesem Gebiet durch Veröffentlichungen
hervorgetreten, die neue Beobachtungen und Einsichten nich'
nur der Fachwelt zur Diskussion stellen, sondern auch - vor
allem in seinem Jesaja-Kommentar- weitere Kreise in Theologe
und Kirche erreichen. Diesem wesentlichen Aspekt im Forschungsspektrum
von O. Kaiser entspricht das Thema der ihm
zum 65. Geburtstag gewidmeten Festschrift, deren Beiträge dem
Jubilar gewiß Anregung zu weiterer Arbeit geben werden. Verfasser
und Titel der Aufsätze:

F. E. Deist, The prophets: are we heading fora paradigm switch?( 1-18)-
J. A. Emerton, The meaning of the verb hämas in Jcremiah 13.22 (19-28)-
V. Fritz. Amosbuch. Amosschule und historischer Arnos (29-43): E. S-
Gerstenberger, "Gemeindebildung" in Prophetcnbüchern? Beobachtungen
und Überlegungen zum Traditions- und Redaktionsprozeß prophet1'
scher Schriften (44-58); H. Gese, Amos8.4-8: Der kosmische Frcvd
händlerischer Habgier (59-72); A. H. J. Gunnewcg. Die Prophetenlegend1'
1 Reg 13 - Mißdeutung, Umdeutung. Bedeutung (73-81): J. Jeremias. Völkersprüche
und Visionsberichte im Amosbuch (82-97): W. McKane. Je**"
miah 27.5-8, especially "Nebuchadnezzar. my servant" (98-110): S. Mit1'
mann, "Wehe! Assur, Stab meines Zorns" (Jes 10.5-9.13aß-l 5; 111 — 132>-
L. Perlitt. Jesaja und die Deuteronomisten (133-149); K.-F. Pohlmann-
Zur Frage nach ältesten Texten im Ezechiclbuch - Erwägungen zu Ez 17.1'
und 31 (150-172); C.-H. Ratschow. Von des Christen Hoffnung (173-
180); W. H. Schmidt. Pentateuch und Prophetie. Eine Skizze zu Verschie-
denartigkeit und Einheit alttestamentlicher Theologie (181-195); H.-C'
Schmitt. Tradition der Prophetenbücher in den Schichten der Plagenerzäh-