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Ausgabe:

1991

Spalte:

701

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Beerdigung 1991

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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Seite 1

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701

Theologische Litcraturzcitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 9

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Stiegt werden, immer in den politischen Bereich hineinreicht und sationsprozeß". bei dem es mit Hilfe der Form einer Langzcitstu-
auch hierzu konkreter Urteilsbildung führt. Mehrfach redet Kru- die (Beginn 1974) um die Ermittlung des Einflusses der theologi-
Sche in seinen Predigten davon, daß die Zustimmung zur militari- sehen Sozialisation auf religiöse, politische und berufliche Einehen
Aufrüstung und die Bereitschaft, notfalls auch Atomwaffen Stellungen geht. Dieses Projekt wird gemeinsam von der
Anzusetzen, praktisch zum Verzicht auf die vor allem der hun- Pastoralsoziologischcn Arbeitsstelle der Ev.-Luth. Landeskirche
gernden 3. Welt gegenüber geforderte Brüderlichkeit, ja letztlich Hannovers (Prof. Dr. Daiber) und der Abteilung für Praktische
zur Mordbereitschaft führt. Das zu hören wird auch den da- Theologie der Universität Göttingen (Prof. Dr. Josuttis) durch-
j^'igen Machthabcrn in der DDR nicht angenehm gewesen sein. geführt. Zum Zweck der Datenerhebung wurden die anlangli-
UlT1gekchrt redet Kruschc in seinen noch vor der Wende im We- chen Theologiestudenten über das Vikariat und den Bcrufsan-
stcn gehaltenen Predigten offen davon, wie wenig die sich gegen- fang als Pastor in mehreren Wellen befragt.
u°erdcn östlichen politischen Systemen ihrer Freiheit rühmende Aus dem vorliegenden umfangreichen empirischen Material
festliche Welt wirklich der Freiheit entspricht, die Jesus seiner greift Engels den Aspekt des Verhältnisses von wissenschaftli-
Gemeinde verheißt und sie mit dem Bewähren dieser Freiheit be- ehern Theologiestudium und Religiosität heraus. Die Arbeit un-
auftragt. Wo immer in den Predigten Kruschcs in politische Situa- tertcilt sich so in drei Abschnitte, von denen der erste der Konzilen
hineingeredet wird, geschieht es. um der Gemeinde zu ver- picrung eines opcrationalisierbaren Begriffs von Religiosität
Etlichen, wie das Hören auf das Wort Gottes und der in ihm dient. Im zweiten Abschnitt geht es um die besonderen Repro-
^gchcndeRufin die Nachfolge Jesu Christi immer unbedingt und duktionsbedingungen von Religiosität unter den Bedingungen
kompromißlos ist und keinerlei taktisches Ausweichen erlaubt. eines wissenschaftlichen Theologiestudiums als Vorbereitung auf
Gerade nach der geschehenen politischen Wiedervereinigung die pfarramtliche Praxis. Schließlich wendet der dritte, umfang-
der über 40 Jahre getrennt gewesenen Teile Deutschlands, ist es reiche Teil die gewonnenen Erkenntnisse auf das empirische Ma-

großem Gewicht, zur Kenntnis zu nehmen, wie vor der tcrial an und stellt auch Rückfragen an theoretische Konzepte,

"ende in den Kirchen in der früheren DDR gepredigt wurde, na- Was die Frage nach der Konzeption von Religiosität anbetrifft,

^entlieh von maßgeblicher kirchcnlcitcnder Seite her. Die jetzt so bietet Engels einen sehr instruktiven Überblick über die he-

lrn Calwer Verlag veröffentlichten Predigten Kruschcs sind dafür treffenden wissenschaftlichen Beiträge, angefangen bei William

An äußerst wertvoller Beitrag, namentlich für diejenigen, die im James bis heute. Ein ausführlicher Exkurs informiert über die

besten im Dienst der Verkündigung des Evangeliums standen stark empirisch interessierte Diskussion in den letzten Jahren in

°der noch stehen. den USA. Sein formales Fazit bündelt Engels in einem dreidimensionalen
Religionsbcgriff: Religiosität ist zu untersuchen

' '""S3" Gerhard Hcint/c im Hinblick auf ihre affektive, kognitive und soziale Dimension.

Inhaltlich schließt ersieh jenen materialcn Rcligionsdcfinitioncn

q an. die den Bezug auf das Heilige reklamieren und bestimmt:

°may. Erhard [Hg.]: Beerdigung. Trauerfeiern - Ansprachen - A)s Retjgjösitäf soll hier nun die spezielle hleiuitätslorm ver-

l'turg,sche Texte. M,t einer theologisch-homiletischen Ein- rf d djc djc ,>rozcssc ihrcrcigencn Reproduktion in-

'Uhrung von K. Dirschauer. Gütersloh: Mohn 1990. 128 S. 8 ... . ..... „„ ,,,,,„-,.„;„„,„;„,,„.„,„■ , ..

- Got.esdienstpraxts Serie B. Kart. DM 25.80. ncrhalb c,ncs religi&sen Referen.rahmens nteiprc.ie t. d. h. m

Beziehung zu einem - w ie auch immer konkret symbolisierten -
Fünf Trauerfeiern werden im ersten Hauptteil so dokumen- .Heiligen'als dessen Manifestation einordnet." (70)
'■ert. daß auf kurze Situationsangaben die liturgischen Texte und Hinsichtlich der Sozialisation an der Hochschule orientiert
'e Ansprachen folgen. Es handelt sich um besondere Fälle: Un- sich Engels stark an Thesen von J. A. Schülein (Selbstbetrof-
al|tod. Suizid. Kindestod. Der zweite Teil enthält 22 Anspra- fenheit. Frankfurt 1977). in denen vor allem das krisenhafte
^nen. zwei Predigten (darunter eine über das Lied „So nimm Moment der Begegnung von alltäglicher Lebenswelt und Wis-
enn meine Hände") und Grabsteininschriften. Der dritten Teil senschaft akzentuiert wird. Die wissenschaftliche Reflexion dis-
'etet liturgische Texte, die wie die Beispiele des ersten Teils als tanziert von den eigenen Identitätsformen und unterwirft sie
V?,l,en zur liturgischen Vorbereitung geeignet sind. Die einfache methodischer Kritik. Dies gelte ganz besonders für das Thcolo-
*-bernahme solcher Texte verwirft Dirschauer in seiner Einfüh- giestudium. da die Theologie im Unterschied z.B. zur Physik
^ng mit Recht. Natürlich lassen sich die situationsbezogenen oder Chemie einer Metakritik durch die anderen Wissenschaften
Ansprachen noch weniger kopieren, aber sie können doch der ho- ausgesetzt sei. Den so angenommenen krisenhaften Verlauf des
^'letisehen Besinnung dienen. Bei den Ansprachen spürt der Studiums gliedert Engels nach Schülein in ein 3-Phasen-Modell:
eser das ehrliche Bemühen, den Trauernden in ihrcr Situation - der Initiationsphase. - der Konsolidierungsphase und schließnahe
zu sein und zugleich die biblische Botschaft situationsgc- lieh der Intcgrationsphasc. Gelingt ein produktives Verarbeiten
mäß zu sagen. Das Urteil: „Exprcssis verbis wird des Todes Tod dieser Phasen, dann läßt sich von Kompetenzerwerb reden:
n,cht mehr verkündigt" (18). ist zu pauschal. Theologisch beden- „eine Integration des ständig spannungsreichen Wechselspiels
enswert ist Dirschauers Hinweis, die Gültigkeit der Taufzusagc von kritischer Wissenschaft und Icbcnsweltlichcr Realität.... die

-konnte der Grundtenor der Botschaft am Grabe werden" (20). jn der kognitiven, der interaktiven und der affektiven Idcntitäts-
'nführung und Beispiele regen zur Auseinandersetzung über dimension vollzogen wird und zu einer gleichermaßen realisti-
Anen theologisch und scclsorgcrlich verantworteten Dienst bei sehen wie kritisch-innovatorischcn Praxis befähigt." (113). Beer
Bestattung an. sonders akzentuiert zeige sich dieser Prozeß bei der Rezeption

E.W. von Humanwissenschaften im Theologiestudium.

Die so gewonnenen Dimensionen von Religiosität und Studium
kann Engels dann in bezug auf das empirische Material

ReligionS- Und Kirchensoziologie kombinieren. Auf der Hand liegt nach dieser theoretischen Diskussion
die grundlegende Hypothese: lebensweltlich mitge-

f-nepk r>;„r.^- d i......••• • ti i . c brachte Religiosität müßte sich unter dem Einfluß des Studiums

"geis. Dietrich: Religiosität im Iheologiestudium. Stuttgart- , ■, . „„.^„j,___ a ■ „ .. . . .

Berlin-Köln: Kohlhammer 1990. 240S.gr. 8 . Kart DM 59 - knt'SCh ™*ndern und nath «ner Rohe produktiver Proezesse

in neu reflektierte berufliche Kompetenz münden. Bei der Prü-

Dic Untersuchung von Dietrich Engels steht im Zusammen- fung dieser These wird zusätzlich davon ausgegangen, daß sich

ang eines größeren Forschungsprojektes ..Theologie im Soziali- bestimmte Typen von Theologiestudenten - fromm, liberal und