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Ausgabe:

1991

Spalte:

692-694

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Schupp, Franz

Titel/Untertitel:

Schöpfung und Sünde 1991

Rezensent:

Plathow, Michael

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691

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 9

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tionen. die sieh durch die ganze Geschichte der Trinitätslehre
zieht. Es geht einmal um das von Bocthius herkommende „exklusive
Personverständnis" (persona est naturae rationalis indivi-
dua substantia). das in der Neuzeit im Verständnis der Person als
selbständiges Bewußtseins-, Willens- und Aktzentrum wieder
auflebt. Zum anderen ist ein ,. inklusives Personverständnis" im
Spiel, das auf das relationale Element der Definition Richard von
St. Viktors zurückgeht (persona est naturae rationalis invommu-
nicabilis existentia) und sich als dialogisch und relational bestimmter
Personbegriff in unserem Jahrhundert durchgesetzt hat
(vgl. 193). Sowohl Möllmann als auch Kasper versuchen in ihren
Entwürfen, jeweils Elemente aus beiden Traditionen für sich
fruchtbar zu machen. Möllmann verwendet nach der Analyse der
Vfn. das „exklusive Personverständnis" dort, wo es um das
„heilsgeschichtliche Fundament der Trinitätslehre geht (vgl. 85).
und das „inklusive relationale Personverständnis" dort, wo die
Einheit der Trinität und das Verständnis der immanenten Trini-
tät expliziert werden müssen (vgl. 89). Dagegen ist bei Kasper die
Dominanz des relationalen Personbegriffs erkennbar. Der Begriff
der „absoluten Person" aber wird verwendet, um mit einer
anthropologischen Argumentation zu zeigen, daß der Mensch in
seiner personalen Existenz nicht umhin kann. Gott als Grund
aller Wirklichkeit personal zu denken.

Nach Ansicht der Vfn. wird sowohl bei Moltmann wie bei Kasper
Unvereinbares miteinander vereint. Das führe zu begrifflichen
Unscharfen. Denn komplexe Wirklichkeiten ließen sich
zwar manchmal nur in einzelnen Aspekten erhellen. Doch dann
müßten diese Aspekte auch miteinander kompatibel sein und
dürften sich nicht widersprechen (vgl. 209f). Das sei durch die exklusive
Verwendung des „relationalen" Pcrsonbcgriffcs zu erreichen
, der in Anknüpfung an das moderne Personverständnis zugleich
ein ausgewogenes Verhältnis von Dreiheit und Einheit des
trinitarischen Gottes zu denken und zu formulieren erlaube (vgl.
213).

Eine solche Forderung, die Moltmann und Kasper ja je auf ihre
Weise einzulösen bemüht sind, ist ohne Aufweis des Weges, auf
dem ihr nachgekommen werden soll, allerdings wenig hilfreich.
Denn die Rückgriffe auf andere Momente des Verständnisses
einer „Person" als allein das der Relationalst ergeben sich bei
Moltmann und Kasper ja darum, weil jener relationale Personbegriff
theologische Probleme in der Trinitätslehre schafft, die mit
der alten Terminologie, die von Hypostasen des trinitarischen
Gottes sprach, gerade vermieden wurden. Allem voran ist hieran
das Problem des Verständnisses Gottes als einer Art „Dreigötterfamilie
" zu denken, das mit den exklusiv relationalen Personverständnis
sofort auftaucht. Überdies scheint die Förderung des
Vcrstehens der trinitarischen Wahrheit allein mit der Festlegung
auf einen „ Begriff" wohl kaum erreicht werden zu können. Abgesehen
davon, daß dies gerade in der Gottcslehrc hermeneutische
Fragen der analogen Verwendung von Begriffen aufwirft, die die
Vfn. ganz ausklammert, müßte die Bildung von Begriffen doch
deutlich von der Sachherausforderung geleitet sein, die das Bekenntnis
zum trinitarischen Gott darstellt. Andernfalls gerät die
Theologie in die Gefahr, eine Art Kunst des Bcgriffcverschiebcns
zu werden. Man kann es sowohl Moltmann wie Kasper ja auch
zum Verdienst anrechnen, daß sie einem solchem Zwang nicht
erlegen sind, sondern in der Erkenntnis der Besonderheit der trinitarischen
Wirklichkeit Gottes auch auf das Wahrheitsanliegen
der Rede von Gott als „Subjekt" und sogar als „Scinsweisc" achten
. Daß dies bei beiden durchsichtiger gemacht werden müßte,
kann man durch die Arbeit der Vfn. lernen. Doch damit ist im
Horizont der trinitarischen Wahrheitsverantwortung sicherlich
noch nicht über das Abstoßen einer ganzen Tradition des Verständnisses
der trinitarischen „Personen" entschieden.

Berlin WolfKrötke

Schupp, Franz, unter Mitarb. von M. Günther u. H. Sauer:
Schöpfung und Sünde. Von der Verheißung einer wahren und
gerechten Welt, vom Versagen der Menschen und vom Widerstand
gegen die Zerstörung. Düsseldorf: Patmos 1990. XI"-
608 s. 8 . Kart. DM 49.80.

Auch wenn der Dogmatikerdcn theologischen Ergebnissen des
voluminösen Buches nicht zuzustimmen vermag, wird ihm das
interessante, bisweilen aufregende „Traktat" (XII) Erkenntnisgewinne
vermitteln, dazu Freude bereiten, aber auch heftige Kritik
hervorrufen. Man braucht Muße und auch Geduld, um sich die
Methodik, die Thesen und den theologischen Ertrag dieses Opus
verständlich zu machen. Es wurde aus jahrelanger Vorlesungstätigkeit
heraus konzipiert. Hilfreich ist es. wenn der Leser die methodologische
Konsistenz des Vf.s zu dessen früheren Blichen1
im Blick behält: F. Schupp. „Auf dem Weg zu einer kritischen
Theologie". Freiburg 1974 (vgl. 527. A.50) und F. Schupp. „ Mythos
und Religion", Düsseldorf 1976 (vgl. 33, A.l). Das leitende
Interesse - wie es der Vf. in „Auf dem Weg zu einer kritischen
Theologie" (6) umschreibt - stellt sich wie folgt dar: „Der Übergang
von dogmatischer Denkform der Theologie zu einer kritisch
aufgeklärten, problcmoricnticrtcn und so selbst problematischen
Theologie, die als solche ihren ... Beitrag zu Aufklärung in praktischer
Absicht leisten könnte" (vgl. auch: Schöpfung und Sünde.
554, A.9). So interessiert den Vf. nicht so sehr die „innertheologi"
sehe Diskussion" (3) über „Schöpfung und Sünde": vielmehr
geht er von der heuristischen Voraussetzung aus. die „bestreitet
daß es so etwas wie einen besonderen theologischen Vernunft"
oder Wahrheitsbegriff gibt, und postuliert somit eine prinzipielle
Kommunikationsgemeinschaft zwischen Gläubigen und Nicht-
Gläubigen" (3; vgl. 504) und die „Familienähnlichkeit" verschiedener
„Diskurstypen". „Sprachspiele" und „Grammatiken
" (36. 303, 332. 410).

Auf dem Hintergrund religions- und kulturhistorischer Analysen
von „Problcmkonstcllationcn" zu „Schöpfung und Sünde'
werden kosmologischc und kosmogonische Sinnorientierungen
sprachphilosophisch, zeichen- und mythentheoretisch auf ihre
pragmatische Funktion hin ausgeführt (41. 532). Es wird das
„Motivierungspotential der Mythen und Symbole" erhoben
(515).,, Der Glaube besteht in praktischen, das Handeln orientierenden
Grundüberzeugungen" (XI); „das Dogma ist Pragma"
(XII. 543). „Aufgabe der Theologie wäre es dann, nicht nur die
mythisch-religiösen Begriffe und Sätze in ihren Resultaten hcr-
meneutisch zu explizieren, sondern sie aus ihrem konkret-
historischen Prinzip heraus zu analysieren und damit auch die
Diskontinuität der formalen Prinzipien zu begreifen. Die formalen
Prinzipien aber sind aus den Handlungszielen zu verstehen""
(51). Diesen kritisch-rationalen, antidogmatischen und antimetaphysischen
, auf die Ethik ausgerichteten Ansatz appliziert der
Vf. - entsprechend „Auf dem Weg zu einer kritischen Theologie
". I30f. 135, 137. 150 u.a. - auf die Schöpfungs-Erlösungs-
Ichre und das Sündcn-Erbsündcnverständnis mit der besonderen
Fragestellung zur „creatio ex nihilo" und zum Theodizeepro-
blem.

Nach den methodologischen Problemanzeigcn im Teil 1 stellt
der Vf. den überlangen Teil 2 (53-503) unter die Überschritt
„Reflexion über einige historische Problemkonstcllationen"
zum Thema „Schöpfung und Sünde". In 19 Kapiteln werden in
einer Verbindung von typologischer und historischer Analyse die
mit dem Thema verbundenen Sachproblemc herausgearbeitet
Sie stellen religions- und kulturgeschichtliche Exempel dar. „die
für das Verstehen der europäischen Geistesgeschichte relevant
sind" (503):

I. „Bewahrung der Ordnung - Sehnsucht nach dem Ursprung. g>p-
ten"; II. „Ohnmacht. Willkür und das Ordnungsprinzip des Kosmos. Mesopotamien
"; III. ..Schöpfung als Verheißung. Das Alte Testament": lv
„Arche und Kosmos in der griechisches Philosophie. Von Thaies /u l'lo-