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Ausgabe:

1991

Spalte:

686-688

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Schüßler, Werner

Titel/Untertitel:

Jenseits von Religion und Nicht-Religion 1991

Rezensent:

Sturm, Erdmann

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Litcraturzcitung 1 16. Jahrgang 1991 Nr. 9

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handlungen zur Vorstellung gebracht. Das Buch schließt ohne zuheben. daß von Oswald Bayer eine Hamann-Interpretation
Zusammenfassung, jedoch mit den für alles schlüssclhaftcn Aus- vorgelegt worden ist. die solche Thesen einsehbar und diskutierten
: „im Kommunikationsraum der gerechtfertigten Sünder bar macht.
••• bewegt man sich hörend, fragend, antwortend, widersprechend
, anklagend und sich entschuldigend, nicht im Sclbstgc- Jena Martin Seils
sPräch des Geistes, in dem imaginären Raum, in dem sich alles

S'eichzcitig ist ... Fragmente werden nicht gerundet. Verwerfun- . .

gen nirh. oi . a u m/ j • -i«. i„»,ti;„h Schußler. Werner: Jenseits von Religion und Nicht-Religion. Der

sinn"' , k "»'^"d'^egrmen. Wringe* mch als etztl.ch ( ^ Frankfurt/* ^

^"/«"betrachtet. Schuld und Vergebung sind nicht weltimma- ^ |989 6264S gr. 8 -Athenäum Monografien. Theologie,

verknüpft; Kontinuität wird allein von der Treue dessen er- ^ ^ 78-
•artet, der das Werk seiner Hände nicht fahrenläßt" (229).
Bayer hat Hamann im Raum dieser „kommunikativen Frei- Diese Untersuchung wurde 1988 von dcrThcol. Fakultät der

eil ' angesiedelt und als „Zeitgenossen im Widerspruch", aber Universite Laval in Quebec als Diss. angenommen. Jean Ri-

e'nem produktiven, durch einen eigenen christlich-theologisch chard. der dort lehrende katholische Dogmatiker und TiHich-

estimmten Gedankenraum getragenen Widerspruch, versteh- Forscher, hat sie betreut und ihr auch ein Vorwort vorangestellt.

ar zu machen gesucht. Die Grundkoordinaten, in denen wir Ha- Der Vf. hatte zwei Jahre zuvor eine philosophische Diss. über
mann zu sehen bekommen, sind doch wohl diejenigen von pau| Tillich vorgelegt („Der philosophische Gottesgedanke im
-Leser" und „ Autor,.: es handelt sich um einen Leser des Welt- Frühwerk Paul Tillichs" (1910-1933). Würzburg 1986. vgl.
buchesderNaturunddcrGcschichtc.dcrcincn Autor vernimmt. ThLZ 1988. 288f). Im Zuge seiner Arbeit an der phil. Diss. sei
•elcher d iesc Welt bis zur liebenden Selbstaufopferung hin tragt jhm klar geworden, so berichtet nun Sch.. „daß nicht der Gottes-
Ur"d in dieser Welt kritische Autorhandlungcn veranlaßt, die gedankc. nicht dasspeziell Theologische, Tillichs Bedeutung aus-
dazu bestimmt sind, alles Abstrakte und Imaginäre in die freien. macht, sondern sein Rcligionsbegriff" (15). Mit diesem Zentraler
vernehmbaren Kommunikationen des Wirklichen zurück- thema - nicht nur des Tillichschen Denkens - will sich der Vf.
2uholcn. Das ist eine Hamann-Interpretation eigenen Anspru- |lun in seiner zweiten Arbeit auseinandersetzen. In §2. der Ziel
ehes. eigener Bedeutung, eigener Rechtfertigung und ganz sicher- und Methode der Untersuchung darlegt, überrascht er aber mit
■eh auch weitreichender Beachtung. Daß jeder, der mit Hamann der These, daß dem Rcligionsbegriff Tillichs sein philosophi-
2u tun bekommt, an dem Bayerschcn Buch und seinem Interprc- scher Gottesgedanke zugrunde liege (28.30 u.ö.). und er zitiert
'ationsgehalt künftig nicht wird vorübergehen können, braucht aus Tillichs Promotionsdisputation v on 1912 die 1. These: „Der
e,genthch nicht eigens gesagt zu werden. Rcligionsbegriff muß aus dem Gottesbegriff abgeleitet werden.

Angesichts der Dcutungsleistung mag man kaum mitdenkende nicht umgekehrt" (29). Diesen Satz Tillichs führt Sch. in der hier

Bemerkungen laut werden lassen. Es ist wohl nicht anders mög- zu besprechenden Untersuchung aus.

,ch. als daß eine auf Hamanns Werk als Werk von „Vcrhand- Doch zunächst einige Bemerkungen zum Ziel und zur Mc-

ungsreden" konzentrierte Interpretation sich nicht in thema- thode der Arbeit. Sch. will Tillichs „Originalität" bezüglich sci-

lisch gleicher Weise mit bestimmten Grundgedanken Hamanns ncs Religionsbegriffs deutlich machen (28). Sein Interesse an Til-

efassen kann, etwa dem der göttlichen .. Kondeszendenz", etwa |jcn js, „nicht cntwicklungsgeschichtlichcr. sondern Systemati-

dem der „wissenden Unwissenheit", etwa dem der „Kncchtsgc- schcr Natur" (28). da man nach seiner Überzeugung nicht von

stalt" der biblischen Schreibart, auch etwa dem des Hamann- einem Bruch in Tillichs Denken sprechen könne. Sch. zitiert

sehen Geschlechtsgedankens, der möglicherweise mehr im Mit- darum Tillich. ungeachtet des jeweiligen sehr unterschiedlichen

'elpunkt steht, als sich dies bei Bayer (170 u. 208-213) andeutet. historischen Kontextes, ausschließlich in systematischer Ab-

Ba>er hat zusammen mit Christian Knudscn ein wichtiges Buch sieht, und er tut dies ausgiebig aus dem gesamten veröffentlich-

? Hamanns „Letztem Blatt" geschrieben („Kreuz und Kritik". ten Werk und auch aus unveröffentlichtem Material. Hier erweist

'ubingen 1983) und die dort entwickelten Grundgedanken auch sjch Sch. als Kenner des Werks Paul Tillichs und bietet eine aus-

■n die jetzt vorliegende Gesamtinterpretation hineingenommen. führlichc und gut belegte Wiedergabe seiner Grundgedanken,
•rotzdem verwundert es ein wenig, daß das,. Letzte Blatt", das ja. Die Untersuchung besteht aus fünf Kapiteln: 1... GrundotTcn-

**nn man so will, auch als eine letzte und zusammenfassende barung und Gottesgedanke" (31-69). 2. „Religion und Kultur"

- verhandlungsredc" genommen werden könnte, hier nicht noch (70-107). 3.,.Religion und Religionen" (117-1 54). 4. „ Die Spra-

ejnmal eine hervortretende Rolle spielt. Das alles ist aber im che der Religion" (155-177). 5. „Spezielle Probleme" (178-

^runde nicht so wichtig. Wichtig ist. daß Bayer bei Hamann 225). Exkurse gelten dem Einfluß von Simmel auf Tillichs Rcli-

och so etwas wie eine -sagen wir einmal - theologisierbarc Ge- gionsverständnis und dem Einfluß von Sendlings „positiver

samtsicht voraussetzt, auch wenn diese Gesamtsicht ganz und Philosophie" aufTillichs Auffassung der Religionsgesehichtc. In

gar aktional ist und deshalb kaum anders als in der Vorstellung einer knappen Schlußbetrachtung bietet Sch. den „Versuch einer

v°n - Verhandlungen" dargetan werden kann. Man wird viel- Würdigung" und die Erörterung offener Fragen (226-237).
eicht die Frage nicht ganz auslassen können, wie diese Gesamt- |m I. Kap. erörtert der Vf. den Zusammenhang von Grundof-

s'eht organisiert ist. insoweit sie sich von biblisch-kcrygmati- fenbarung und Gottesgedankc. Seine These: Was für Tillich

schem Denken, das natürlich auch Zeitgenössisches in sich hat. Grundoffenbarung und HcilsolTenbarung unterscheide, „ist das

cl*a unterscheiden würde. Medium, in dem sie sich ereignet". Medium sei ein mir gegen-

Bayers Hamann-Buch enthält zu dieser Gesamtsicht zwei ei- überstehendes Objekt (ein heiliges Buch oder Jesus Christus

gentheh provozierende Thesen. Erstens die. daß diese Gesamt- z B.). „Bei der Grundoffenbarung dagegen ist das Subjekt Me-

S'cht derjenigen v on Hamanns Gesprächspartnern Herder. Kant. dium. das Ich" (36). Danach ist die Gewißheit Gottes unabhän-

Lessmg und Mendelssohn ebenbürtig sei und geistes- wie theolo- gig VOn jeder Welterfahrung und unmittelbar mit dem Selbstbc-

g'egesch.chtl.ch auch so gewertet werden müsse. Und zweitens. wußtsein gegeben. Tillich selbst beruft sich dafür gern auf den

«aß Hamanns ..Zeitgenossenschaft im Widerspruch" gerade ontologisch-augustinischen Tvp der Religionsphilosophie und

*ralt der in ihr vertretenen Gesamtsicht bis in unsere Zeit hinein- |chnt den kosmologisch-thomistischen Tvp ab
"»Che und hier Bedeutung haben könne. Es wird interessant sein Sch sicht durchaus dcn Offcnbarurigscharakter der Ol undoil'cnbarung.

beobachten, ob und wie diese beiden Thesen eingeschränkt Ob aber die Formel „das Subjekt bzw. das Ich ist das Medium" den Offen-

°der aufgegriffen werden. Mit abschließendem Dank ist hervor- barungs- und DUrChbruchscharäkter der Grundoflcnbaruni hinreichend